Zurück in die Zukunft? – Die #LaTdH vom 5. September

Wege in die Zukunft führen in der katholischen Kirche über den Synodalen Weg – trotz aller Kritik. Außerdem: ABBA, Bundestagswahl & Volksverhetzung.

Herzlich Willkommen!

Während der Wahl-O-Mat verspricht, unentschlossenen Wähler:innen bei der Entscheidung für die „passende“ Partei zu helfen, hat der im freien Fall befindliche Armin Laschet in der finalen Phase des Bundestagswahlkampfs noch ein divers anmutendes #Zukunftsteam vorgestellt. Noch liegen CDU, SPD und Grüne fast Kopf-an-Kopf beieinander, in drei Wochen wissen wir, wer das Rennen gemacht hat. Vermutlich wird es aber noch einige quälende Wochen dauern, bis klar ist, welche Koalition sich den Zukunftsthemen Klimawandel und digitale Transformation, soziale Gerechtigkeit und Bewältigung der Corona-Pandemie widmen wird.

Eine Menge Papiere zur Zukunft der römisch-katholischen Kirche sollen beim Synodalen Weg diskutiert werden – entscheidende Veränderungen können die Teilnehmer:innen der erneuten „Beteiligungssimulation“ aber nicht beschließen. Dennoch regt sich pünktlich zur bevorstehenden Zweiten Synodalversammlung der Widerstand einiger Ewiggestriger, die auf den alten Wegen bleiben wollen – zurück in die Zukunft?

Vor ziemlich genau 32 Jahren, kurz vor dem Mauerfall, schuf Klaus-Peter Hertzsch einen visionären und hoffnungsfrohen Liedtext (EG 395), mit dessen dritter Strophe ich Ihnen einen guten Start in die neue Woche wünsche:

Vertraut den neuen Wegen, / auf die uns Gott gesandt! /
Er selbst kommt uns entgegen. / Die Zukunft ist sein Land. /
Wer aufbricht, der kann hoffen / in Zeit und Ewigkeit. /
Die Tore stehen offen. / Das Land ist hell und weit.

Ihr Thomas Wystrach


Debatte

Die 2. Synodalversammlung des Synodalen Weges (@DerSynodaleWeg) findet vom 30. September bis 2. Oktober 2021 statt. In der Frankfurter Messe werden die Teilnehmer:innen erstmals vorbereitete Texte in Erster Lesung beraten. Auf Grundlage dieser Beratungen sollen die vier Synodalforen die „Grundtexte“ oder „Handlungstexte“ genannten Dokumente für eine mögliche Beschlussfassung in einer Zweiten Lesung im kommenden Jahr überarbeiten.

Konzentration auf das jetzt schon Machbare – Karin Wollschläger (KNA)

Die Frage nach der „Rolle der Frau“ werde bei der kommenden Vollversammlung des Synodalen Wegs wieder Thema sein, aber weder ein Skandal noch der große Durchbruch seien wohl zu erwarten, meint Karin Wollschläger (@Wollschlaeger_K). Die heißen Eisen wurden im Synodalforum III („Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“) nämlich noch „aufgespart“:

Die heikelste und die vielleicht am erbittertsten diskutierte Frage – nämlich die nach einer Zulassung von Frauen zu Weiheämtern – wird nicht zur Abstimmung gestellt. Es ließe sich hier für ein entsprechendes Votum wohl auch keine Mehrheit mit den Bischöfen erzielen. Zudem kann eine Änderung nur Rom in Kraft setzen.

Unterdessen versucht eine andere Arbeitsgruppe, sich dem Thema quasi „auf synodalen Umwegen“ zu nähern: In dem vom Synodalforum I („Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“) erarbeiteten Grundtext gibt es einen expliziten Passus mit der etwas schwerfällig klingenden Formulierung „Zugang von Frauen zum Ordo“, nach der die Exklusivität der Männerweihe die Frage von Macht und Gewaltenteilung nach sich ziehe. Man empfehle, zusammen mit dem Frauen-Forum eine „begründete Abstimmungsvorlage“ vorzubereiten, um zumindest die Zulassung von Frauen zum Diakonat zu ermöglichen:

Zielmarke und Richtung sind also schon gesetzt.

Woher dieser Optimismus rührt, ist unklar. Beim Blick in das dem „Handlungstext“ beigefügte „Votum zu Abstimmung“ lässt einen schon die Sprache skeptisch werden: Da werden die deutschen Bischöfe „ersucht“,

auf ortskirchlicher, europäischer und weltkirchlicher Ebene in Ausübung ihrer Verantwortung (das Thema) Partizipation von Frauen* an kirchlichen Leitungsdiensten und an den drei Gestalten des sakramentalen Amtes als Beratungsgegenstände nachweislich einzufordern und dabei an die Beratungen auf dem Synodalen Weg in der deutschen Ortskirche zu erinnern.

Außerdem „bittet“ man die deutschen Bischöfe, „sich dafür einzusetzen“,

dass eine konstruktive Auseinandersetzung mit den bisherigen lehramtlichen Entscheidungen über die Frage der Dienste und Ämter von Frauen* ermöglicht wird; dabei sind Formen der Kommunikation zu finden, die es gewährleisten, auch angesichts differenter Positionen gemeinsam auf dem Weg zu bleiben und den anderen Positionen jeweils mit Wertschätzung zu begegnen.

Eierschalenfarben passt ja überall rein. Von Onkeln, Tanten und Menschenrechten – Christiane Florin (Weiberaufstand)

Eben dieser verquaste Umgang mit Frauen in der römisch-katholischen Kirche sei „schreiend ungerecht und schreiend komisch“, meint Christiane Florin (@ChristianeFlori) im jüngsten Beitrag ihres Blogs „Weiberaufstand“ und fühlt sich an eine Szene aus dem Loriot-Film „Ödipussi“ erinnert.

Darin zeigt Möbelverkäufer Winkelmann einem älteren Ehepaar, wie schnell sich ein Schrank („Modell Trulleberg“) dank „Zapfen“ und „Deckplatte“ auf- und abbauen lasse. Doch wegen des fehlenden „Scherbolzens“ misslingt der Wiederaufbau. Parallelen zur römisch-katholischen Kirchenreform-Debatte drängen sich auf:

Wer drinsteckt im Trulleberg-Komplex, findet es hingegen normal, die Konstruktion auch dann noch zu retten, wenn sie kollabiert. (…)

Die katholische Lehre stellt verzweifelt die weibliche Wesenswürde zur Schau. Das bedeutet: Frauen haben eine Bestimmung. Das Weitere regeln geweihte Männer. Auffallend viele Frauen dienen sich diesem Konstrukt forschend und begründend an. Kein noch so hoher akademischer Grad bewahrt vor der Selbstdegradierung zum fleißigen Lieschen. Trulleberg soll femininer werden, das Brett vorm Kopf wird „mit weiblichem Blick“ betrachtet.

Die Forderung nach voller „Gleichberechtigung“ wirke aggressiv, entsprechend seien auch die ablehnenden Reaktionen zu erklären, nicht nur von Bischöfen und Priestern:

Angegriffen fühlen sich davon jene Laien, die auf dem Synodalen Weg Deckplatte, Zapfen und Tür unter schmerzhaften Verrenkungen zu fixieren versuchen. (…)
Sollten Menschenrechte in der römisch-katholischen Kirche gelten, dann würde sich die Kirchenkonstruktion grundlegend ändern. Dafür reicht kein Scherbolzen, dafür reicht es nicht, den weiblichen Blick aufs Brett einzubringen. Dafür braucht es einen anderen Schrank.

An vielen Orten in der römisch-katholischen Kirche wird der „Synodalität“ das Wort geredet. Doch meinen Katholik:innen damit jeweils höchst unterschiedliche Dinge, stellte diese Woche auch Benedikt Heider (@_DerHeidi_) in seinem Beitrag „Das Stille-Post-Spiel guter Katholik:innen“ hier in der Eule fest.

Vertrauensvorschuss oder Selbstbetrug? – Hermann Häring (hjhaering.de)

Der Küng-Schüler und emeritierte Systematische Theologe Hermann Häring schließt sich in seiner Kurz-Rezension des jüngst erschienen Buches des Bonner Kirchenrechtlers Norbert Lüdecke („Die Täuschung“, vgl. das Interview mit ihm hier in der Eule) zunächst der grundlegenden Analyse der „Beteiligungssimulation“ Synodaler Weg an:

Lüdeckes These über die Unaufrichtigkeit bischöflicher Erneuerungsversprechen ist so überzeugend wie für die Bischöfe vernichtend. (…)

Wie also kann es sein, dass sich das ZdK in regelmäßigen Abständen durch unaufrichtige Argumentationen in unangemessene Grenzen verweisen lässt, ohne das Handtuch zu werfen? Eine Analyse der vom Autor nachgezeichneten Rechts- und Machtverhältnisse ist wichtig, doch ein weiterführender Aspekt verdient noch Erwähnung.

Zur „komplexen Gesamtsituation“ der römisch-katholischen Kirche gehöre auch die „vergessene Vorgeschichte“, etwa die „antrainierte Selbstunterwerfung in der Zeit des Kulturkampfs“ und das „geradezu kindliche Hierarchievertrauen“, das erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil „erste Risse“ erhalten habe, oder die „verdrängte Wegscheide“, nämlich die Unfehlbarkeitskritik von Hans Küng seit 1970:

Auf Dialog und frischen Gesprächsschwung kann nur hoffen, wer auch auf die offiziell dogmatischen Argumente eingeht und (wie Hans Küng es vorbildlich tat) den Bischöfen und Blockadestrategen ihre Widersprüche auf ihrer Denkebene vorführt, dies mit offenem Visier und in ungeschminkter Konfrontation.

Sollte dies nicht gelingen, die Diskussion also noch weiter im Morast der Unehrlichkeit und Gesprächslosigkeit versinken, dann ist noch häufiger damit zu rechnen, dass die Enttäuschten guten Gewissens aus dem Satz Adornos ihre Konsequenzen ziehen: Es gibt kein richtiges Leben im falschen, also auch keinen Glauben in einer erstarrten Kirche. Norbert Lüdecke ist dafür zu danken, dass er in seinem jüngsten Buch die Augen dafür öffnet.

Kritik am Synodalen Weg: Voderholzer erläutert alternative Homepage – Interview mit Ludwig Ring-Eifel (KNA)

Überraschend hat am vergangenen Freitag eine kleine Gruppe um Bischof Rudolf Voderholzer „Alternativvorschläge“ zum Synodalen Weg auf der eigens dafür angelegten Website synodale-beitraege.de vorgestellt – Texte und Anträge, die bislang im kirchlichen Diskussionsprozess keine Mehrheiten gefunden haben. Im Interview mit Ludwig Ring-Eifel (@LudwigRingEifel) erläutert der Regensburger Oberhirte seine Kritik:

Ich mache meine Position nicht davon abhängig, welche Mehrheitschancen ich dafür habe. Mein Gewissen verpflichtet mich, das zu sagen und einzubringen, was ich für wahr halte. Ich hoffe, dass wir durch unsere Argumente noch einmal eine echte und weiterführende Diskussion anstoßen können. Zum Wohl der Kirche in Deutschland und im Hinblick auf die Einheit der Weltkirche.

Auf der Seite ist auch eine Gegenposition zum Text des Synodalforums „Macht“ zu finden; zu den Verfasser:innen der „Thesen zur Kirchenreform“ gehören die Theologin und Journalistin Alina Oehler, die Theologieprofessorin Marianne Schlosser aus Wien sowie der Augsburger Weihbischof Florian Wörner. In ihrer Begründung für diesen Schritt betonen sie unter anderem, dass sie die theologischen Grundlagen des Textes, den das Macht-Forum mit großer Mehrheit verabschiedet habe, nicht mittragen könnten.

Ein weiterer Autor ist der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken. In seinem Podcast-Beitrag „Kritik an Synodalem Weg“ geht er hart mit dem bisherigen Verlauf des Synodalen Wegs ins Gericht, berichtet Matthias Altmann auf dem Portal katholisch.de (@katholisch_de). Bereits die Zusammensetzung der Foren sei „Musterbeispiel für fehlende Demokratie und Mitbestimmung“ gewesen:

Zur Folge hatte das logischerweise, dass sich in allen Foren zeigte, dass die Besetzung unausgewogen ist und die inhaltliche Arbeit strikt an einer vorgegeben Reformagenda arbeiten würde.

Die Lehre der Kirche sei jedoch kein Gegenstand mehrheitlicher Abstimmungen unter den Gläubigen, so Picken:

Doch genau das ist die unausgesprochene Maxime bei allen Beratungen und Entscheidungen: ‚Alle Macht geht vom Kirchenvolke aus‘.

Für einen Neubeginn im Erzbistum Köln #underconstruction (http://mariazweipunktnull-rheinland.de)

Am nächsten Wochenende startet der 1. Zukunftskongress der katholischen Kirche im Erzbistum Köln. Getragen wird er von einem breiten Bündnis aus Verbänden, Gremien und Reforminitiativen, die für einen Neuanfang in der Erzdiözese Köln stehen. Sie stellen die konsequente Aufarbeitung des Missbrauchsskandals und eine Demokratisierung kirchlicher Strukturen in den Mittelpunkt der Veranstaltungen.

Rohkost mit Rohweder: Ein Blick in die Zukunft – Flurin Rohweder (mittendrin.life)

Im neuen ökumenischen Onlinemagazin „mittendrin.life“ (@mittendrin_life) blickt Flurin Rohweder auf Realität und Zukunft der römisch-katholischen Kirche der Schweiz. Auch dort mehren sich die Kirchenaustritte („die künstliche Inflation der Mitgliedszahlen, die in der Geschichte ihren Ursprung findet, schwindet“) und es sei ungewiss, ob gerade die übrigbleiben, denen es um aktive Teilhabe und Mitarbeit ginge. Rohweder sieht es daher als Aufgabe an, „für uns selber (zu) denken und unsere Ideen selber umsetzen“:

Das heisst auch mal, sich gegen eine kirchliche Obrigkeit wehren, verstaubte Ideen in den Müll werfen, oder nachgeben. Aber das tun wir nicht nur für uns selbst oder füreinander, sondern auch für die nach uns. Wenn wir wollen, dass die Kirche in irgendeiner Form fortbesteht – und das will ich – dann müssen wir uns um unseren Nachwuchs kümmern.

„Wir brauchen eine größere Vielfalt“ – Interview mit Thorsten Latzel (ekir.de)

Unter dem Titel „E.K.I.R. 2030 – Wir gestalten ‚evangelisch rheinisch‘ zukunftsfähig“ hat die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland (@ekir_de) ein 20-seitiges Positionspapier veröffentlicht. Im Interview spricht Präses Dr. Thorsten Latzel (@Thorsten_Latzel) über konkrete Projekte, neue Zielgruppen und Vorschläge für ungenutzte Kirchenräume:

In unseren Gemeinden, bei den Kirchenmitgliedern und in unseren Mitarbeitenden gibt es viel Wunsch nach Aufbruch. Und mir begegnen in Gesprächen immer wieder viel Energie und viele gute Ideen. Das wollen wir von unserer Seite bestärken. Als Kirchenleitung ist uns wichtig, nicht darüber zu reden, was „die Kirche“ machen soll, sondern ganz konkret das anzupacken, was wir tun können. So wollen wir die vielen bestärken, die mit uns auf dem Weg sind, und andere einladen. Dafür ist uns geistliche Zurüstung wichtig. Letztlich ist es Gott selbst, der durch seinen guten Geist Kirche gestaltet.

Ein Präses packt an – Benjamin Lassiwe (Rheinische Post)

Das Positionspapier der rheinischen Kirchenleitung trage „erkennbar Latzels Handschrift“, stellt Benjamin Lassiwe (@lassiwe) in seiner Analyse fest. Während die Landeskirche in der Vergangenheit gerne Zukunftsprozesse gestartet und „ausschweifende Grundsatzdiskussionen“ geführt habe, soll es nun zur Sache gehen. Denn sonst drohe die Gefahr anderer Reformpapiere, die „oft zerredet“ worden seien:

Wer sich dadurch in seiner kirchlichen Komfortzone gestört fühlte, schrie meist laut und deutlich auf. Am Ende gab es lange, meist in evangelischen Magazinen wie „Zeitzeichen“ geführte Debatten und wenig konkrete Veränderungen.

Nun seien aber die Vorschläge klar und deutlich definiert, Gruppen zu den einzelnen Projekten würden zusammengestellt und Menschen „mit besondere(r) Kompetenz und Expertise“ seien zur Mitarbeit eingeladen. Neben einer „aktivierenden Mitgliederbefragung nach Corona“ und der Einrichtung von 50 „mitgliederorientierte(n) Modellgemeinden“ soll auch die „freie Gemeindewahl unter Mitnahme der Kirchensteuern bei Umgemeindung“ ermöglicht werden.

Doch was von diesen Vorschlägen am Ende tatsächlich umgesetzt wird, wird erst die Zukunft und in manchen Fällen wohl erst die kommende Landessynode zeigen. Vorerst hat die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland jedenfalls die Ärmel hochgekrempelt und vorgelegt – und man darf gespannt darauf sein, wie sich die Debatten zum neuen Positionspapier in der Landeskirche in der kommenden Zeit entwickeln werden.

nachgefasst

Im Fall des wegen Volksverhetzung angeklagten Bremer Pastors Olaf Latzel (53) hat das Landgericht Bremen ein theologisches Gutachten in Auftrag gegeben. Die schriftliche Expertise solle nicht nur klären, was die Bibel zu Homosexualität und zur Gender-Theorie sage, sondern auch, was für die Arbeit eines Pastors daraus folge, erklärte ein Gerichtssprecher.

Als Autor sei auf Vorschlag des Verteidigers Latzels der evangelisch-methodistische Theologe Christoph Raedel gewonnen worden, der an der Freien Theologischen Hochschule Gießen lehrt. Ihm sei ein Fragenkatalog vorgelegt worden, der mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung abgestimmt sei.

Inzwischen hat sich der evangelikale Gutachter selbst zu Wort gemeldet – und die eigene Haltung zum Thema deutlich gemacht: Homosexualität sei „ein Symptom für den gefallenen Zustand der Welt, der die Entfremdung des Menschen von Gott beschreibt“.

Der Fall Latzel: Volksverhetzung „von der Bibel gedeckt“? – Agathe Lukassek (katholisch.de)

Dass das Bremer Landgericht nun prüfen lasse, ob die als Volksverhetzung eingestuften Aussagen Latzels zur Homosexualität von der Bibel gedeckt sind, hält Agathe Lukassek (@AMLukassek) in ihrem „Standpunkt“ auf katholisch.de für eine „seltsame Entscheidung“:

Können die beim Landgericht nicht googeln? Viele nichtreligiöse Menschen haben im Hinterkopf, dass es bei den christlichen Kirchen unterschiedliche Bewertungen zur Homosexualität gibt, der Rest findet das nach einer kurzen Recherche heraus und sollte fähig sein, die passende theologische Fakultät rauszusuchen. (…)

Warum sollte die theologische Bewertung von Homosexualität eine Rolle spielen bei der Frage, ob die Aussagen den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen oder nicht? So gedacht könnten christlich getaufte Antisemiten sich auf die Bibel (Joh 8) berufen, wenn sie Juden als Lügner verunglimpfen und vieles weitere mehr.

Einen kritischen Blick auf das Berufungsverfahren hat diese Woche auch Philipp Greifenstein (@rockToamna) hier in der Eule geworfen.

Buntes

Wie halten es die Parteien mit der Religion? – Christoph Scholz (KNA)

Die zunehmende Säkularisierung und religiöse Pluralisierung zeige sich auch in den Parteiprogrammen – etwa in Forderungen nach einer stärkeren Trennung von Kirche und Staat und nach einer Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften, so die Analyse von Christoph Scholz (@KNA_Redaktion).

Bei der anstehenden Bundestagswahl gehe es auch darum, ob Deutschland künftig weiterhin eine wichtige Rolle beim Schutz der Menschenrechte, Frieden und Religionsfreiheit weltweit spielt, betont missio Aachen (@missio_de). Deshalb hat das römisch-katholische Hilfswerk die Positionen der Parteien dahingehend abgeklopft.

Die Themenfelder des Wahlchecks sind eine wichtige Ergänzung zu der in den #LaTdH vor einer Woche erwähnten „Kurzanalyse auf Basis der katholischen Soziallehre anhand ausgewählter Politikfelder“, die die „Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle“ (@KatholischeSZ) vorgelegt hat – ebenso wie der friedenspolitische Forderungskatalog, den die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) und andere Organisationen für die Bundestagswahl entwickelt haben.

Für den Wahl-O-Mat, ein Frage-Antwort-Tool der Bundeszentrale für politische Bildung (@bpb_de), können alle zur Bundestagswahl zugelassenen Parteien Thesen beantworten, die eine Redaktion aufgestellt hat. Nutzer:innen beantworten die Thesen dann mit „stimme zu“, „stimme nicht zu“ oder „neutral“ bzw. können die „These überspringen“. Am Ende errechnet der Wahl-O-Mat die prozentuale Übereinstimmung der eigenen Antworten mit denen der Parteien. Das Tool bildet zwar die abgefragten politischen Inhalte ab, sage aber nichts über Zielkonflikte von Politik, kritisiert der Wahlforscher Thorsten Faas in der ZEIT:

Wahlmythen reaktiviert – Eckhard Bieger (kath.de)

Wenn der Wahlkampf keine Themen habe bzw. alle Parteien das Gleiche wollen müssten, würden die tieferen Antriebe deutlicher, denn Klimawandel und Digitalisierung seien „alternativlos“. Für den Jesuiten Eckhard Bieger (@kath_de) beschreiben Mythen wie die von „Kain und Abel“ besser als politikwissenschaftliche Analysen und journalistische Kommentare, welche archaischen Konflikte wieder vor unseren Augen aufgeführt werden.

Dass die CDU mit ihrem „wertorientierten Pragmatismus“ inzwischen als „inhaltslos“ wahrgenommen werde, könne auch an den „ihr vorgelagerten Verbänden und Kirchen“ liegen:

Vor allem die Selbst-Strangulierung der katholischen Kirche könnte auf die katholische Führungsriege Laschet, Kramp-Karrenbauer, Merz zurückschlagen. Konnten die Adenauerregierungen noch mit der Katholischen Soziallehre das Eigenheim und den Mittelstand fördern und so eine stabile Wählerschaft an sich binden, fehlt es nicht an neuen Ideen, sondern daran, aus Ideen Politik zu machen.

In diesem Bundestagswahlkampf ginge es um alles, hört man immer wieder. Kandidat:innen werden zu Heilsbringern erklärt. Warum das keine gute Idee ist, erklärt Niklas Schleicher (@megadakka) in seinem Beitrag „Baerbock, Bonhoeffer, Bio-Bonzen“ hier in der Eule.

Forever young: Neue Musik von ABBA – Jurek Skrobala (SPIEGELKultur)

In einem etwa einstündigen Livestream auf YouTube hat die Kult-Band ABBA (@ABBA) nach fast vierzig Jahren Pause am Donnerstagabend ihr Comeback verkündet, mit zwei neuen Songs von einem ganzen Album, das am 5. November erscheinen soll.

Damit nicht genug: Ab nächstem Jahr werden die vier Musiker:innen als Hologramme in einer extra dafür gebauten Londoner Arena auftreten. 160 Kameras hätten die ABBA von heute abgefilmt, um am Computer die Gruppe von 1979 zu rekonstruieren, wird im Stream erzählt. Mithilfe digitaler Tricks versuchen die schwedischen Popstars, sich anstrengende Auftritte zu ersparen und gleichzeitig die junge Generation zu gewinnen.

Auf den ersten Blick mag es erschreckend wirken, so Jurek Skrobala (@skrobala), zu Lebzeiten schon eine jüngere Version seiner selbst als Hologramm aufleben zu lassen:

Nur geht es hier im Grunde nicht so sehr um Lebzeiten, sondern um das Überlebensgroße, um das Die-Zeit-Anhalten, das Die-Jugend-Konservieren, auf Pause drücken. Schließlich verbinden viele ältere Hörerinnen ihre Jugend mit ABBA. Forever young, es ist eines der Versprechen der Popmusik, und ABBA scheinen einen Weg gefunden zu haben, das einzulösen.

Theologie

Opfer, Ohnmacht, Widerstand – Norbert Reck (Neue Wege)

Einen Menschen als Opfer zu bezeichnen, reduziert dessen Lebensgeschichte auf Ohnmacht und Leiden. Ist das mit Jesus von Nazareth auch geschehen? Die Konsequenzen der Opfertheologie sind jedenfalls enorm, schreibt der Theologe Norbert Reck in der Schweizer Zeitschrift Neue Wege (@neue_wege):

Je mehr das Christentum zur Erlösungsreligion wurde, desto weniger dachten seine Anhänger*innen daran, einer Bewegung für Gerechtigkeit anzugehören. Sie verstanden sich eher als Teil einer Gemeinschaft, der es um das persönliche Seelenheil (…), die kultische Erinnerung an das „Kreuzesopfer“ und um das gehorsame „Kreuztragen“ in der Nachfolge Christi (ging).

Reck will bei der Deutung des Todes Jesu wieder an die jüdische Opfervorstellung in der freiheitlichen Tradition des Exodus anknüpfen:

Dann können auch die Evangelien gelesen werden als Einübung in den Bund mit der Macht Gottes, um sich von den Mächten der Unterdrückung nicht mehr zum Opfer machen zu lassen – zur Unterstützung all jener, die tatsächlich ohnmächtig sind.

Die Verzauberung der Welt: Eine Kulturgeschichte des Christentums

Das Christentum hat maßgeblich auf Kunst, Architektur, Musik oder Literatur eingewirkt. Auf viele Menschen – ob religiös oder nicht – übt diese sakrale Kultur, die Jörg Lauster in „Die Verzauberung der Welt“ in all ihren Erscheinungsformen erschließt, nach wie vor eine große Anziehungskraft aus. In der renommierten Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung (@bpb_de) ist das Buch gerade als Schnäppchen erhältlich.

Ein guter Satz