Abpfiff – Die #LaTdH vom 27. November

Was sagt die Kirche zur Fußball-WM in Katar – und was kann sie zur Rettung des Sports beitragen? Außerdem: Die Reden der Kardinäle, arische Zeugen an Kirchen und eine neue Grundordnung.

Herzlich Willkommen!

Bevor die deutsche Fußballnationalmannschaft der Herren sich am heutigen 1. Advent gegen Spanien aus dem Rennen um den Weltmeistertitel verabschieden wird, wollen wir uns der „Wüsten-WM“ in Katar als einem Kapitel der neueren (Kirchen-)Geschichte in der „Debatte“ widmen. So ein verdientes, anständiges Ausscheiden ist eine Form von Feedback, wie es in den Kirchen des Landes eher nicht vorgesehen ist. In der evangelischen Kirche z.B. wird zwar andauernd vom Lassen gesprochen, aber das resultiert nicht selten in komplexen selbstreflexiven Prozessen, die alles mögliche produzieren, aber eben keine Ressourcen freigeben.

Über Kritikkultur in den Kirchen habe ich in dieser Woche im „Windhauch“-Podcast von ruach.jetzt und midi, der Evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung, mit Tobias Sauer (@sigmahlm) gesprochen. Im Podcast geht es immer wieder mal um den „Tempolimit-Beschluss“ der EKD-Synode (wir berichteten) und darüber hinaus um Binnen- und Außenperspektiven.

Nach anderen Perspektiven auf diesen Newsletter, die „Links am Tag des Herrn“ (#LaTdH), fragen wir zurzeit in einer Leser:innen-Befragung, an der sich schon viele Leser:innen beteiligt haben. Danke auch für die zahlreichen Bemerkungen, die uns neben den Antworten auf unsere Fragen einen frischen Blick auf diesen Newsletter ermöglichen. Und ein ganz besonders großes Dankeschön für das viele Lob, das uns auf diesem Weg erreicht! Ganz im Sinne einer lebendigen Kritikkultur freuen wir uns natürlich ebenso über kritische Anmerkungen und Verbesserungswünsche. Hier entlang.

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

PS: Die #LaTdH und das Angebot der Eule werden von den Leser:innen selbst ermöglicht! Die Eule ist ein unabhängiges Magazin und erhält keine Unterstützung von Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Werden Sie Eule-Abonnent:in! Ab 3 € im Monat sind Sie dabei.


Debatte

„Katar hat Infantino völlig in der Hand“ – Lars Wienand (t-online)

Bei t-online geht Lars Wienand (@LarsWienand) alle zentralen Kritikpunkte am WM-Ausrichter Katar durch, die zugleich gebrochene Versprechen desselben und der FIFA sind. Eine beeindruckende Liste angefangen bei LGBTQI*-Rechten, den Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen, der Alkohol-Frage bis hin zur Frauen-Frage, der mangelnden Klimaneutralität und dem Umgang mit jüdischen Besucher:innen. Zum ersten Mal gibt es während der WM nämlich Direktflüge zwischen dem Emirat und Israel, aber eben auch Berichte von Gewalt und Zensur gegenüber jüdischen Fans im Umfeld der Stadien.

Im Artikel kommt der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger zu Wort:

„Es war von vorneherein Betrug – auch unabhängig von der Frage des Stimmenkaufs.“ Doch die Fifa ließ das Land gewähren. Viele weitere gebrochene Versprechen folgten – bis heute. Dass Katar damit durchkommt, wundert Zwanziger nicht. Er gibt die Schuld vor allem dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino. „Infantino ist ein Krimineller und Knecht Katars, das ihn völlig in der Hand hat.“

Die böse FIFA, der korrupte Infantino – das sind zwei Narrative, die sich durch die WM-Berichterstattung und -Kritik hindurchziehen – zu Recht. Und doch lenken sie auch ab von der Verantwortung, die der deutsche Fußball in Gestalt seines Verbandes DFB, deutsche Profivereine und auch die Politik tragen.

Investigativ-Journalist Jens Weinreich über die FIFA & WM in Katar – Tilo Jung (Jung & Naiv)

In einem wirklich ausführlichen Gespräch bei Tilo Jung (@TiloJung) von Jung & Naiv legt der investigative Sportjournalist Jens Weinreich (@JensWeinreich) die Hintergründe der WM offen dar. Gelegentlich bekommt man in dem mehrstündigen (!) Gespräch das Gefühl, das alles grenze doch an ein Komplott, wie es Verschwörungstheorien zum Inhalt haben. Aber Weinreich ist seit Jahrzehnten an der Korruption in der internationalen Sportwelt bei FIFA und IOC dran.

Auch auf die WM in Katar blickte er bereits im April kritisch mit einem Beitrag in seinem Magazin Sport & Politics. Darin ein „Skript“ für den Rest des Jahres 2022, das sich bisher fast vollständig so erfüllt hat.

Wer nicht aufsteht und handelt, macht sich mitschuldig. Infantino und Katar haben haben die Richtung für den Rest des Jahres vorgegeben: Der Westen – schlecht und verlogen. Der nahe und ferne Osten, der Süden – gut und die Zukunft. Erst Russland und China, nun Katar und Saudi-Arabien. So sieht sie aus, die neue Weltordnung des Sports.

„Macht hoch die Tür, die Tooor macht weit“ (Evangelischer Bund, EKHN, EKD, midi)

Auf 36 Seiten geben zahlreiche Autor:innen Hinweise für den Umgang mit der WM inmitten des Advents für Kirchgemeinden und Gruppen. Es ist ein weites Spektrum an Akteur:innen, das zu Wort kommt, bis hin zum DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf (SPD), der von Jens Weinreich für seine lauen Worte zu Beginn des Jahres scharf kritisiert wurde. Vieles an dieser Arbeitshilfe ist gut gemeint und fundiert aufbereitet. Mir erschließt sich manchmal nicht, warum sich Kirchgemeinden überhaupt so „klein“ machen sollten, sich in Konkurrenz mit den WM-Übertragungen wahrzunehmen.

Im Text zum ersten Advent von Peter Noss, Referent für interreligiösen Dialog mit dem Schwerpunkt Judentum und Naher Osten am Zentrum Oekumene (@zoe_ekhn_ekkw) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), finde ich mich gut wieder:

Von meiner Kirche erwarte ich eine deutliche Haltung in diesen brisanten, kritischen Fragen. Seit Jahrzehnten ist sie im Austausch mit dem organisierten Sport, aber besonders klar ist das nicht, was an Kritik bekannt wird. Auch der EKD-Beschluss von 2021 bleibt butterweich. Natürlich hat der Sport häufig einen integrativen Charakter und das Fairplay sogar über Regeln hinaus ist ein positiver Motor für die Gesellschaft. Aber der Sport hat diese Regeln noch nie aus sich selbst heraus gefunden, sondern immer erst im Dialog.

Zum Schluss schaut die Arbeitshilfe in die Zukunft des Sports und auf die kommende Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Hier gäbe es ja – Boykott hin, Moralismus her – schlicht die Möglichkeit, vieles besser zu machen. Darauf aber deutet, wenn man Jens Weinreich Glauben schenkt, wenig hin: Der deutsche Sport und die deutsche Politik folgen den Logiken der neuen Machthaber des internationalen Sports bisher genügsam. Bei reinen Appellen wie dem des EKD-Sportbeauftragten Präses Thorsten Latzel (@thorstenlatzel, EKiR) kann es daher nicht bleiben:

Die politische Instrumentalisierung von sportlichen Großveranstaltungen ist ebenso problematisch wie die völlige Unterordnung von ethischen, sportlichen, aber eben auch religiösen Aspekten unter rein ökonomische Anliegen. Hier findet ein Ausverkauf von Werten statt, der letztlich dem Sport massiv schadet und der Idee einer Frieden und Verständigung fördernden Völkerbegegnung entgegenläuft. Ökologische Gesichtspunkte, Menschenrechtsfragen und sportliche Aspekte müssen wieder entscheidend sein.

Boykott oder gucken?

In den vergangenen Tagen ist die WM-Debatte trotz zahlreicher sehr guter Hintergrundberichte, z.B. bei Arte oder im „Geld. Macht. Katar.“-Podcast von ZEIT, BR und RBB, auf die Frage „Boykott oder gucken?“ zusammengesurrt. Als ob es nicht auch und besonders Fans des Fußballs sind, die vom Turnier in Katar angewidert sind – und sich abwenden oder eben mit Bauchgrummeln und Kopfschütteln zuschauen.

In der Eule hat sich in dieser Woche der Pfarrer und Ethik-Dozent Niklas Schleicher (@megadakka) mit der Moral hinter der Debatte befasst, und ich habe aufgeschrieben, was zur Rettung des Fußballs bei uns konkret vor Ort getan werden könnte.

Die Überaufmerksamkeit, die dem Fußball in den Medien zukommt, steht in Spannung zur sinkenden Zahl der Fußballspieler:innen. Doch Fußball als Sport will zunächst einmal gespielt werden, nicht angeschaut. Fußball-Fan-Sein ist kein Sport, wie auch ein Opernbesuch keine Sangesleistung darstellt. Fairplay ist eine Praxis und eine Lebenshaltung, kein Sticker für den Ärmel. Katar ist kein Fanal für den Fußball, sondern für das Entertainmentprodukt „Fußball“.

Heute konkurrieren das Bäbbeln mit der Ganztagsschule und der Vereinsfußball mit zahlreichen anderen aufregenden Sportarten. Der Fußball als Breitensport und Freizeitbeschäftigung steht hier vor ähnlichen Herausforderungen wie Musikvereine, Feuerwehren und auch die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit. „Etwas Richtiges machen“, gerne „draußen“, ist zwar ausweislich von Jugendstudien nach wie vor eine große Sehnsucht von jungen Menschen – aber wie, aber wo, aber wann? […] Wer den Fußball „retten“ will, der muss nicht in Katar anfangen, sondern hier: Kindern und Jugendliche Räume geben, wo sie selbst einfach sein und spielen können.

nachgefasst I: Neue Grundordnung für den kirchlichen Dienst (röm.-kath.)

Am Dienstag teilte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit, dass der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) in seiner Vollversammlung die Musterordnung für eine neue Grundordnung für den kirchlichen Dienst für die Beschäftigten in Kirche und Caritas verabschiedet hat. Felix Neumann (@fxneumann) hat die Hintergründe und Feinheiten bei katholisch.de hervorragend aufbereitet. Außerdem gibt es dort ein „FAQ“ zum (röm.-kath.) kirchlichen Arbeitsrecht.

Die neue Grundordnung wurde allgemein als Fortschritt begrüßt. Vertreter:innen von „Out in Church“ jedoch kritisieren, dass Menschen mit diversen Geschlechtsidentitäten auch in der neuen Grundordnung nicht ausreichend vor Diskriminierung geschützt sind. Die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman (@FerdaAtaman), nannte die neue Grundordnung, die ja erst noch von den deutschen (Erz-)Bistümern in geltendes Kirchenrecht umgesetzt und dann auch gelebt werden muss, „einen ersten, zu zögerlichen Schritt“. Sie findet es bereits problematisch, dass man bei einem Kirchenaustritt Sorge um den Arbeitsplatz haben muss:

„So kann zum Beispiel eine Krankenpflegerin, die in einem kirchlichen Krankenhaus arbeitet, immer noch ihren Job verlieren, wenn sie aus persönlichen Gründen aus der Kirche austritt“, sagte sie. „Ich sehe das als Eingriff in die Rechte der Beschäftigten und als Einfallstor für Diskriminierungen“.

Volker Resing (@Volker_0409), ehemaliger Chefredakteur der Herder Korrespondenz und jetziger Ressortleiter „Berliner Republik“ des Cicero, hält Ataman ebenda (€) deshalb vor, sie „bediene antikirchliche Reflexe“. Gleichwohl kann ein Kirchenaustritt heute so vielfältige Gründe haben (*räusper* Köln), dass ein erzwungenes Ausscheiden deswegen aus dem Dienst bei der Caritas durchaus zweifelhaft erscheint – oder ist damit die Identifikation mit den Zielen der Einrichtung tatsächlich berührt?

nachgefasst II: Ad Limina (Thomas Wystrach)

Mit dem „Synodalen Weg“ der römisch-katholischen Kirche in Deutschland hat sich ein hochrangiges Treffen in Rom am Freitag letzter Woche beschäftigt. Dabei sprachen die deutschen Bischöfe, die sich zu ihrem Ad-Limina-Besuch in Rom aufhielten, mit Spitzenvertretern der Kurie (vgl. dazu auch die #LaTdH vom 13. November bzw. 20. November). Jetzt hat der Vatikan die Referate veröffentlicht, die die Kurienkardinäle Luis Ladaria (Dikasterium für die Glaubenslehre) und Marc Ouellet (Dikasterium für die Bischöfe) bei der Begegnung gehalten haben. Dazu wurde auch der Redetext von Bischof Georg Bätzing publiziert, den der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz schon letzte Woche öffentlich gemacht hatte.

Dass die Texte der Ansprachen zeitnah veröffentlicht werden – erst recht, wenn bei der Lektüre die tiefen Zerwürfnisse zwischen der Mehrheit der deutschen Oberhirten und den vatikanischen Behörden zutage treten – ist eher ungewöhnlich. So betont Bischof Bätzing in seiner Einführung, bei den Gesprächen fehlten „wesentliche Personen und Träger des Synodalen Weges“ aus Deutschland:

Leider hat also ein Großteil der Synodalen – insbesondere die Laien – keine Gelegenheit, wie wir sie heute haben. Und darum stehen unsere Überlegungen, Diskussionen, gemeinsamen Perspektiven und möglicherweise Wegweisungen unter dem Vorbehalt, dass sie mit allen im Synodalen Weg besprochen, vergemeinschaftet und angeeignet werden.

Bemerkenswert an diesem Statement ist die Vorstellung des Limburger Oberhirten, für die weitere Zukunft des „Synodalen Weges“ seien die kritischen Ausführungen höchster Kurienkardinäle nur bedingt relevant. Die fixe Idee, „Wegweisungen“ aus dem Vatikan bedürften erst einmal der „Besprechung“ mit den Laien und der anschließenden „Vergemeinschaftung“ und „Aneignung“, ist mit dem realexistierenden römischen Katholizismus der letzten 150 Jahre nicht zu vereinbaren. Die traditionelle Rollenverteilung hat Kardinal Ouellet in seinem Statement jedenfalls noch einmal offen kommuniziert:

Es ist nun an uns, auf Ihre Vorschläge zu reagieren, die viele vertretbare Elemente theologischer, organisatorischer und funktionaler Art enthalten, die aber aus anthropologischer, pastoraler und ekklesiologischer Sicht auch ernsthafte Schwierigkeiten aufwerfen.

Sexueller Missbrauch

Auch Bätzings Verwunderung darüber,

dass der Brief des Papstes auf den eigentlichen Ausgangspunkt des Synodalen Weges, nämlich den sexuellen Missbrauch, den mangelhaften Umgang damit durch kirchliche Autoritäten, die Vertuschung durch Bischöfe und auch die anhaltende Intransparenz in der Bearbeitung durch römische Stellen keinen Bezug nimmt,

nährt den Verdacht, selbst viele Bischöfe täuschten sich über das System ihrer eigenen Kirche. So sehr Bätzings Analyse stimmen mag, dass

alle Bemühungen um Evangelisierung (.) wenig fruchten (werden), wenn nicht zuvor radikale Ehrlichkeit über Fehler und systemische Mängel in unserer Kirche dazu führen, konsequent, strukturell und bis hinein in die kirchliche Praxis und Lehre nach Umkehr und Erneuerung zu suchen,

desto mehr zeigt sich doch am Umgang mit der Causa Woelki und der zermürbenden Krise im Erzbistum Köln, dass die Verantwortlichen in Rom diese Einschätzung weder teilen noch die erforderlichen Konsequenzen ziehen wollen. Schaut man sich dann noch die Texte von Ladaria und Ouellet an, fühlt man sich an Lothar Zenettis „100 Katholiken“ erinnert:

Der Chef der Glaubenskongregration lobt zwar sowohl die Bemühungen des Synodalen Wegs als auch die von Rom verschärften kirchenrechtlichen Sanktionen gegen Täter; die Beschäftigung mit dem Thema Missbrauch dürfe aber

nicht bedeuten, das Geheimnis der Kirche auf eine bloße Machtinstitution zu reduzieren oder die Kirche von vornherein als eine strukturell Missbrauch hervorbringende Organisation zu betrachten, die so schnell wie möglich unter die Kontrolle von Oberaufsehern gebracht werden muss.

Ausgerechnet der für die „Oberaufsicht“ verantwortliche Präfekt der Glaubenskongregation spricht verharmlosend von „dramatischen Kapiteln“, die man wegen des Umgangs „einiger Bischöfe“ mit der Missbrauchskrise, „der nicht immer dem Ernst der Lage entsprach“, erleben musste.

Frauenweihe

Alle vorsichtig formulierten Bitten an Papst Franziskus, er möge die Frage der Frauenordination erneut bedenken, werden mit dem Verdikt bedacht, die Texte des Synodalen Wegs würden „einer partizipatorischen Hermeneutik der lehramtlichen Positionen nicht gerecht“ werden. Will sagen: Es gehe nicht um eine „Diskriminierung“ von Frauen, die Position des Lehramtes sei „in Wirklichkeit spezifischer“:

Der entscheidende Punkt ist nicht, dass Frauen in der katholischen Kirche nicht zum Priester geweiht werden können; der Punkt ist, dass man die Wahrheit akzeptieren muss, dass „die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden“ (Hl. Johannes Paul II., Ordinatio sacerdotalis).

Nach dem Ad-limina-Besuch: Quo vadis, Synodaler Weg? – Steffen Zimmermann (katholisch.de)

Sollte es in Deutschland noch jemanden gegeben haben, der geglaubt oder gehofft hatte, der Vatikan stehe dem Synodalen Weg vielleicht doch nicht so kritisch gegenüber – er oder sie dürfte nach dem zu Ende gegangenen Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom endgültig auf dem harten Boden der Realität gelandet sein, meint Steffen Zimmermann bei katholisch.de. Nach den Treffen der Bischöfe mit Papst Franziskus und den Leitern der wichtigsten Dikasterien könne kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die größten Kritiker des deutschen Reformprozesses in der Zentrale der Weltkirche in Rom sitzen.

Rote Linien, aber fehlende Sanktionen: Offene Fragen nach Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe – Ludwig Ring-Eifel (KNA)

Nach der Ad-Limina-Woche der deutschen Bischöfe in Rom bleiben auch bei Ludwig Ring-Eifel (@LudwigRingEifel) von der @KNA_Redaktion viele Fragen offen: Wer hat welche Hebel, um die Entwicklung entscheidend zu beeinflussen? Und wer kann was erfolgreich aussitzen? Ebenso deutlich wie die von Bätzing vorgetragenen Anliegen des Synodalen Wegs seien die Ansagen der wichtigsten Kurienkardinäle gewesen:

Sie haben gesagt, was aus römischer Sicht unverhandelbar ist und haben verlangt, dass diese Bedenken in den Synodalen Weg eingebracht werden müssen. Darüber, wie die vatikanischen Bedenken in den Synodalen Weg eingespeist werden sollen, wurden jedoch keine Vereinbarungen getroffen. (…)

Dies zeigt exemplarisch eine Schwäche der römischen Seite im gegenwärtigen Pontifikat. Sie benennt zwar „Rote Linien“, die nicht überschritten werden dürfen. Doch sie verzichtet darauf, zu sagen, was geschieht, wenn diese Linien überschritten werden.

Angst vor Rom – Daniela Ordowski (taz)

Enttäuschende Botschaften hat Daniela Ordowski (@DanielaOrdowski), Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung (@KLJBde), aus Rom wahrgenommen. Während „akute Reformbedürfnisse“ beim Synodalen Weg gerne mit dem Hinweis gedämpft würden, diese Themen könnten nur weltkirchlich entschieden werden, würden viele Hinweise, manche Forderung könne man auch vor Ort umsetzen, „oft nur als Randnotiz wahrgenommen“, zu groß sei die „Angst vor Rom“.

Zu einer Platzierung der Themen beim Ad-Limina-Besuch sei es aber gar nicht erst gekommen. Der Papst sei nicht als „Fan der Synodalität“ zu erkennen gewesen und beim entscheidenen Treffen mit den Bischöfen habe sich der Papst gar nicht erst blicken lassen. Die bittere, aber wohl realistische Bilanz, die Ordowski in ihrem Gastbeitrag in der taz (@tazgezwitscher) zieht:

Bei einem Monarchen, der nicht mal die Anliegen der artigen Bischöfe anzuhören bereit ist, stehen die Chancen, dass er die echten Anliegen der realitätsnahen Ka­tho­li­k*in­nen ernst nimmt, nicht gut.

Warum hat die deutsche Kirche ein römisches Akzeptanzproblem? – Hans-Joachim Sander (katholisch.de)

Der Ad-Limina-Besuch der deutschen Bischöfe habe Differenzen vergrößert und Kontroversen sichtbarer gemacht, analysiert der Salzburger Dogmatiker Hans-Joachim Sander in seinem Gastbeitrag bei @katholisch_de. Und doch gehe es um viel mehr als bloße Unstimmigkeiten zwischen dem deutschen „Synodalen Weg“ und dem von Papst Franziskus iniitierten „synodalen Prozess“ der Weltkirche. Wenn die römische Zentrale regionale Diskussionen in die weltweite Debatte einpassen wolle, lägen die Themen des deutschen „Gesprächsarrangements“ methodisch und inhaltlich quer:

Die Komplexität wird dann aber unvermeidlich, wenn der sexuelle Missbrauch die Bedingung der Notwendigkeit jener Themen und Methoden ist wie beim deutschen Synodalen Weg. Dagegen wird im Arbeitsdokument zur kontinentalen Phase der Weltsynode die episkopale Vertuschung des Missbrauchs gar nicht erwähnt. Mit dem Widerstreit zu den anderen Themen und Methoden präferieren die römischen Dikasterien den leichteren Weg, was den Missbrauch zu einem Problem unter ferner liefen macht. Wie man damit Evangelisierung betreiben will, die ja nicht den leichteren Weg gehen kann, bleibt schleierhaft.

Buntes

Ökumenische Adventsvesper in Köln fällt aus (epd, evangelisch.de)

Die traditionelle gemeinsame Adventsvesper des Erzbistums Köln und der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR, @ekir_de) fällt in diesem Jahr aus. Die EKiR halte „in der aktuellen Situation“ eine Feier „in der gewohnten Besetzung mit Kardinal Rainer Maria Woelki und Präses Thorsten Latzel“ nicht für „angeraten“, berichtet der epd (@epd_news).

„Der Gottesdienst am Anfang des Advents wird durch die Ereignisse im Erzbistum Köln so überlagert, dass nicht mehr das Gebet oder die Verkündigung wahrgenommen wird, sondern nur die Frage einer Positionierung in der inner-katholischen Auseinandersetzung“, begründete ein Sprecher der rheinischen Landeskirche am Mittwoch in Düsseldorf die Absage.

Eine bemerkenswerte Distanzierung, die in dieser Woche mit der Meldung koinzidierte, dass die Kölner Staatsanwaltschaft in noch einem zweiten Fall Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung gegen Woelki aufgenommen hat (Bericht von Lucas Wiegelmann (@wiegelmann) in der WELT, Hintergründe s. #LaTdH von letzter Woche)

Arier und SS-Runen – Benjamin Lassiwe (Flensburger Tagesblatt)

Benjamin Lassiwe (@lassiwe) berichtet von einem Vortrag des Historikers Stephan Link auf der Landessynode der Nordkirche (@nordkirche_de), in dem es um „Darstellungen von judenfeindlichem, rassistischem und nationalsozialistischem Gedankengut“ in und an Kirchen ging. Was Link für die Nordkirche beschreibt, gilt so natürlich für alle evangelischen Landeskirchen, katholischen Bistümer und auch für jene kleinen Kirchen und Religionsgemeinschaften, die es während der NS-Zeit schon gab.

Während es eine Judensau-Darstellung nach Angaben Links heute im Bereich der Nordkirche nur an der Stiftskirche im mecklenburgischen Bützow gibt, seien es Schleswig-Holstein meist modernere Objekte, um die sich die Kirche wohl besser kümmern sollte. Dazu zählen […] vor allem Gedenk- und Ehrentafeln, etwa für die Angehörigen deutscher Kolonialtruppen, die in der Rendsburger Christkirche, in Kiel oder im Hamburger Michel existierten.

Link forderte die Landessynode der Nordkirche auf, den Umgang mit diesen historischen Zeugnissen mittels eines Kirchengesetzes zu regeln. Dabei betrifft das Problem keineswegs nur prominente Kirchorte oder einige besonders verseuchte „Nazi-Kirchen“:

[…] auch die Denkmale, mit denen an Gefallene des Zweiten Weltkriegs erinnert wird, seien teilweise problematisch – etwa, wenn zur Erinnerung an gefallene SS-Angehörige die SS-Runen vor den Namen der Toten stehen. „Es handelt sich im Kern um die rechtswidrige Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole“, sagte Link. Zumal die Mehrzahl der Denkmale mit einer Ikonographie versehen wurde, die „kriegsverherrlichend ist, den Soldatentod christlich verbrämt und mit nationalistischen Aussagen kombiniert.“ Vielfach fänden sich zudem „Kriegerdarstellungen in ausgesprochen germanisch-arischer Bildersprache“.

Ein guter Satz


Mitarbeit: Thomas Wystrach