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Im Schatten – Die #LaTdH vom 28. Februar

Die katholischen Bischöfe beraten im Schatten der Missbrauchs-Krise über die Zukunft. Außerdem: Argumente pro Frauenweihe, interaktive Gottesdienste und Ärger um das ZdK.

Am heutigen Sonntag Reminiszere erinnern 19 evangelische Landeskirchen an das Schicksal bedrängter und verfolgter Christen weltweit. Dazu ruft die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) seit 2010 auf. Ja, dieses Jahr gab es dazu nicht einmal eine Pressemitteilung der EKD. Aber eine 70-seitige Broschüre.

Weitere Stichproben ergaben: Auf der Website der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (@ekhn_de) findet sich ein Artikel zum Thema und bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (@elkb) findet sich ein längerer Text – wenn man bereit ist, auf diesem Desaster einer Website ein Stück weit herunterzuscrollen.

In einem Schwerpunkt hatten wir uns hier in der Eule Anfang des Jahres mit dem Thema Christenverfolgung befasst: Im Interview mit dem Generalsekretär des Gustav-Adolf-Werks (GAW, @glaubeverbindet), Enno Haaks, ging es u.a. um den schwierigen Verfolgungsbegriff. In einer Analyse habe ich mich mit dem „Weltverfolgungsindex“ der evangelikalen Organisation OpenDoors befasst. Und das ganze Thema, inkl. der (Nicht-)Beteiligung der kirchlichen Öffentlichkeit und Publizistik, haben Michael Greder (@HerrVikarin) und ich in der ersten Ausgabe des „WTF?!“-Podcasts diskutiert.

Debatte

Mitte der Woche traf sich die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) digital zu ihrer Frühjahrs-Vollversammlung. Inmitten von Missbrauchskrise, dem Kölner Aufarbeitungsdebakel, Vertrauensschwund und noch zig anderen Streit- und Brandherden in der römisch-katholischen Kirche beriet zum vorerst letzten Mal eine reine Männerrunde, was zu tun sei.

Ab dem Sommer wird Beate Gilles das Amt der Generalsekretärin der Bischofskonferenz antreten (zugleich Geschäftsführung des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD)) (Porträt in der Eule). Die Ergebnisse der Vollversammlung fasst katholisch.de zusammen und hier findet sich der offizielle Pressebericht der DBK.

Bischöfe sollten Verantwortung übernehmen – Benjamin Lassiwe (Weser-Kurier)

Benjamin Lassiwe (@lassiwe) ist von der Frühjahrs-Vollversammlung enttäuscht, denn „ohne Transparenz und die Übernahme persönlicher Verantwortung durch einzelne Bischöfe“ wird die Katholische Kirche es schwer haben, „auch in Zukunft eine bedeutsame gesellschaftliche Institution“ zu sein.

Lassiwe beschreibt anschaulich, wie alles Gute und Schöne unter dem Missbrauchsskandal und der Woelki-Welle untergeht: Die Berufung der ersten Frau zur Generalsekretärin, der ökumenische Optimismus des DBK-Vorsitzenden, die Konfrontation mit den Kirchenaustritten.

Dass aber eine der Hauptursachen der derzeitigen Misere mit im Raum saß, scheinen die Bischöfe dabei schlicht nicht begriffen zu haben. Um es klar zu sagen: Der „Rheinische Katholizismus“, einer der Stützpfeiler der katholischen Kirche in Deutschland, ist am Zerbröckeln. Schon in 20 Jahren wird es ihn wohl nicht mehr geben, wird die Kirche auch im katholisch geprägten Rheinland keine Volkskirche mehr sein.

Wie ein Denkmal der verlorenen Zeit – Alan Posener (ZEITonline)

Auch Alan Posener (@APosener) bei ZEITonline steht dieser Zeitenwandel vor Augen. Aus der alten Zeit ragt, so Posener, die janusköpfige Gestalt Kardinal Woelkis zu uns herüber. Was beginnt wie einer der inzwischen täglich zu lesenden Woelki-Skandal-Kommentare, ist tatsächlich ein interessanter Text über den gegenwärtigen Katholizismus in Deutschland:

Dass [Woelki] nun über seinen eigenen allzu unbekümmerten Umgang mit dem sexuellen Missbrauch in seinem Bistum stolpert, wird seine Feinde freuen. Und wenigstens einige unter den verbitterten und zerstrittenen Anhängern der benedittinischen Wende bestürzen, die zu spät begreifen, dass der von ihnen verachtete „Rote Kardinal“ vielleicht der einzige verbliebene Vertreter der Kerngedanken Benedikts in der deutschen Bischofskonferenz ist.

Von Ratzinger-Wiedergängern gibt es in der DBK schon noch ein paar mehr, aber sie bleiben derzeit erstaunlich unsichtbar – und das liegt nicht allein daran, dass die Vollversammlung wie üblich hinter verschlossenen Türen und dazu noch digital stattfand. Die Erzbischöfe Heße, Koch und Woelki mögen konservative Zeitgenossen sein, aber sie sind keine Hardcore-Reaktionäre.

Von heute an sind es noch 18 Tage, bis sich erweisen wird, ob Woelki mit der Zurückhaltung des ersten Missbrauchs-Gutachtens irgendwie nicht ganz daneben lag, ob das ganze Theater, das sich seit Wochen rund um seine Person und das Erzbistum Köln entspannt, irgendwie gelohnt haben wird.

Die Unruhe wächst – Gerhard Gnauck (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Ein Blick nach Polen. In dem „erz-katholischen“, also sehr frommen Land, nimmt die Missbrauchs-Krise so langsam richtig Fahrt auf. Gerhard Gnauck (@Gerhard_Gnauck) berichtet für die FAZ:

Vor wenigen Wochen gründeten 180 Laien und Geistliche den „Kongress der Katholikinnen und Katholiken“ – für Polen ein ungewöhnlicher Vorgang. Diese auf Dauer angelegte Gruppe, die ihre Themen derzeit aufgrund der Pandemie online diskutiert und bald Thesen dazu vorstellen will, will vor allem „die Dominanz der Macht, wie sie in der Kirche von Geistlichen ausgeübt wird“, zum Thema machen.

Der Kongress […] widmet sich unter anderem den Themen „Jugendseelsorge, Transparenz in der Kirche, Frauen in der Kirche, Ehe und Partnerschaften, Sorge um die soziale Ordnung, Schöpfung und Ökologie sowie das Staat-Kirchen-Verhältnis“. Jeder, „der die Freiheit der anderen achtet und die Auffassung teilt, dass das Liebesgebot alle Menschen ohne Ausnahme umfasst“, könne mitwirken, auch Personen, die nur lose mit der Kirche verbunden seien.

Bricht auch in Polen die Zeit der Laienbewegungen an? Nur sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass allein durch die Beteiligung, die häufig genug nichts anderes ist als eine Anhörung der Laien, Reformen voran kämen – oder den Betroffenen sexualisierter Gewalt geholfen wäre (s. nachgefasst).

Mit der Situation in Polen befasst sich auch ein kurzes Radio-Feature des SRF über „Papst Johannes Paul II.: der Unfehlbare?“, mit O-Tönen des inzwischen heiliggesprochenen Papstes, dessen Andenken über Polen und dem weltweiten Missbrauchsskandal schwebt wie ein unheiliger Geist.

Würde.Leben: Glaubwürdige Prävention (CCP, Münchener Kirchenradio, 24 Min)

Im „Würde.Leben“-Podcast des Münchener Kirchenradios ist Pater Hans Zollner zu Gast. Er leitet das Centre for Childprotection an der päpstlichen Universität Gregoriana. Zollner gilt weltweit als einer der führenden Präventions-Experten. Im Podcast spricht er über Täter, Strukturen und den Kampf gegen Missbrauch. Dieser Kampf umfasst viel mehr als die Aufklärung von Skandalen, er ist eine gesellschaftliche, kirchliche und wissenschaftliche Daueraufgabe.

Missbrauch evangelisch

Eine Daueraufgabe, die auch die evangelischen Kirchen angehen müssen: Unter der Woche berichtete ich in der Eule wieder einmal über die problematische Praxis der „Anerkennungsleistungen“ in der Evangelischen Kirche, die zudem von „Unabhängigen Kommissionen“ zugesprochen werden (sollen), die alles andere als unabhängig sind.

Am Freitag gaben die EKD und der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, bekannt, man wolle noch (sic!) in diesem Jahr zu einer neuen „Gemeinsamen Erklärung“ kommen, die vor allem die Einrichtung von regionalen Aufarbeitungskommissionen regelt (wir berichteten).

nachgefasst

ZdK und Missbrauchsaufarbeitung: Strategisch statt solidarisch – Felix Neumann (katholisch.de)

Ein Interview des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK, @zdkonline) Thomas Sternberg in der Augsburger Allgemeinen hat dieser Tage für allgemeine Verwunderung gesorgt. Darin spricht er sich gegen eine staatliche „Wahrheitskommission“ zur Aufarbeitung der Missbrauchs-Krise aus. (Den Vorschlag hatte sogar Kardinal Marx dereinst bei der Vorstellung der MHG-Studie im Herbst 2018 unterbreitet.)

Nun wird man sich trefflich streiten können, wie sich Politik und Staat für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen engagieren sollten (und auch darüber, was sie im Guten und Schlechten von der Katholischen Kirche dabei lernen könnten), aber klar ist:

Staat und Politik haben sich aus alter Verbundenheit bisher viel zu sehr zurückgehalten, Lippenbekenntnissen zur Aufarbeitung ist bisher wenig gefolgt. Eine Bundestagsenquete soll eigentlich starten, und dann die nächste Legislatur über arbeiten. Na dann.

Zurück zu Sternberg: Seine ablehnende Haltung stieß bei Betroffenen-Sprecher:innen auf wenig Verständnis. Im Licht der Mit-Verantwortung, die auch katholische Laien am Missbrauchs-Skandal tragen, erscheint das nur allzu verständlich. Allein, ist das ZdK zu wirklicher Solidarität mit den Betroffenen überhaupt in der Lage? #LaTdH-Autor Thomas Wystrach (@wystrach) erinnerte an die 91,5 % Finanzierung des ZdK durch die Bistümer (VDD).

„Bis heute hat kein Betroffener vor der Vollversammlung des ZdK gesprochen. Stattdessen wird über sie gesprochen – und nicht auf sie gehört. […] Der Kurs der ZdK-Spitze wirkt strategisch: Ja nicht den Bischöfen in den Rücken fallen, deren Stimmen man für die Zweidrittelmehrheiten beim Synodalen Weg braucht. Prophetisch oder wenigstens solidarisch ist dieser Kurs nicht“, …

… kommentiert katholisch.de-Redakteur Felix Neumann (@fxneumann) die Beteiligung des ZdK. Hat Sternberg das Vorantreiben der eigenen Agenda (Synodaler Weg), bei aller Berechtigung der Anliegen im Einzelnen, den Blick dafür vernebelt, was für den jüngsten katholischen Reformprozess auslösend war und bestimmend sein sollte? Daran erinnerten auf der vergangenen Online-Tagung des Synodalen Weges drei VertreterInnen des neuen DBK-Betroffenenbeirats die versammelten Kleriker und Laien (s. LaTdH vom 7. Februar).

Buntes

Wer entscheidet am Ende des Lebens? – Frank Vogelsang (χ – Chiasmus)

„Die Diskussion um den Suizid ist auch eine um das Menschenbild“, erklärt zutreffend Frank Vogelsang (@F_Vogelsang), der Direktor der Evangelischen Akademie im Rheinland (@EvAkaRhein) auf seinem Blog. Seiner Gedankenführung zur Interdependenz kann man auch gut folgen, wenn man nicht mehrere Ethik-Seminare durchlaufen hat. Allein, eine praxistaugliche Antwort bleibt auch Vogelsang den Leser:innen schuldig.

Theologie

Die Kirche ist ermächtigt, Frauen die Priesterweihe zu spenden. – Bernd Jochen Hilberath (feinschwarz.net)

Dieser Diskussionsbeitrag des emeritierten Professors für Dogmatische Theologie und Dogmengeschichte Bernd Jochen Hilberath auf feinschwarz.net voller guter Argumente für die Frauenweihe in der katholischen Kirche wurde diese Woche ausweislich des TheoRadars am meisten geliked. Als komprimierte Übersicht ist der Beitrag gut als Argumentereservoir geeignet. Allein: Kommt man dadurch der Frauenweihe auch nur einen Schritt näher?

Predigt

Europaweite Gottesdienste zum Gedenken an die Opfer der Corona-Pandemie

Der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) hat dazu aufgerufen, an jedem Tag der Fastenzeit in einem europäischen Land an die Opfer der Corona-Pandemie zu erinnern. Der Initiative schließen sich an diesem Wochenende viele deutsche (Erz-)Bistümer an. Eine Liste der Gedenk-Gottesdienste findet sich auf der Website der DBK. Die Vorabendmesse mit Bischof Georg Bätzing aus Limburg findet sich hier auf YouTube.

Besondere Zoom-Gottesdienste

Während der Corona-Pandemie, heißt es, haben Online-Gottesdienste einen Aufschwung erlebt. Dabei handelt es sich häufig genug einfach um abgefilmte analoge Gottesdienste, wie Selina Fucker (@selinafui2) bei uns in der Eule geschrieben hat. Allzu viel digitale Partizipation, die über das bloße Zuschauen hinaus geht, wünschen sich gar nicht mal so viele digitale Gottesdienst-Teilnehmer:innen, ist einer Untersuchung des Thema von Ralf Peter Reimann (@ralpe) and Holger Sievert (@holger_sievert) bei Cursor_ (@CursorZeth) zu entnehmen.

Aber es gibt es auch Formate, die genau darauf setzen und digitale Gottesdienste anders feiern: Unter dem Motto „Brot & Liebe“ feiert ein ökumenisches Projekt aus Berlin und Zürich heute Abend wieder gemeinsam im Netz: Heute passend zur Fastenzeit mit Geschichten zum Weglassen. Zur gleichen Zeit lädt die Ankerpunkt-Gemeinschaft aus Karlsruhe zum „Kraftraum“ ein, diesmal unter dem Titel „Auf Hoffnung gebaut“ (Anmeldung per Email).

Ein guter Satz

„Man muss die Menschen mögen, auch wenn sie schwierig sind.“

Ein Tipp aus der Twitter-Community von Maria Katharina Moser (@mariakmoser)