Stimmenfang – Die #LaTdH vom 30. April

Wahlkampf für Erdoğan in deutschen Moscheen und Sorgen um rechtsradikale Muslime. Außerdem: Erinnern an Dorothee Sölle, Retraumatisierungen und Auszeichnungen für Kirchennachrichten.

Herzlich Willkommen!

Am 27. April 2003 verstarb Dorothee Sölle, rund um ihren 20. Todestag wird an die bedeutende Theologin, Theopoetin und Aktivistin mit zahlreichen Veranstaltungen, Artikeln und Sendungen erinnert. Mehr dazu unter „Theologie“. Die Eule führt gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt (@evakademie) anlässlich des 20. Todestages von Dorothee Sölle ein Projekt unter dem Titel „WIDERSTAND! Dorothee Sölle & der Osten“ durch, in dessen Rahmen Interviews und Gespräche mit Zeitzeug:innen, Theolog:innen und Beobachter:innen geführt wurden – und in den kommenden Tagen und Wochen sukzessive erscheinen werden.

Das erste Gespräch des „WIDERSTAND!“-Projekts haben wir am Donnerstag hier in der Eule veröffentlicht. Die Theologin Christiana Steiner von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg befrage ich darin zur Geschichte Sölles mit den „Frauen für den Frieden“. Mit den Aktivistinnen aus der Hauptstadt der DDR stand Sölle vor allem in den 1980er Jahren im Austausch, dabei war man sich auch nicht immer einig. Reinschauen und -hören lohnt sich!

In einem kleinen Text von mir, der ebenfalls am Donnerstag hier in der Eule erschienen ist, habe ich versucht, sowohl die Fragestellungen zu umreißen, die uns bei „WIDERSTAND!“ bewegen, als auch meinen persönlichen Weg mit Sölle in diesem Frühjahr zu beschreiben: Kann man heute noch mit Sölle im Widerstand sein? Was hätten gegenwärtige Aktivist:innen und die Kirchen von Sölle noch oder wieder zu lernen?

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

PS: Die #LaTdH und das Angebot der Eule werden von den Leser:innen selbst ermöglicht! Die Eule ist ein unabhängiges Magazin und erhält keine Unterstützung von Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Werden Sie Eule-Abonnent:in! Ab 3 € im Monat sind Sie dabei.


Debatte

Auf Stimmenfang bei den Deutsch-Türken – Susanna Zdrzalek (WDR, tagesschau)

Am 14. Mai finden in der Türkei Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Der Sozialdemokrat Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) hat gute Chancen, Recep Tayyip Erdoğan (AKP) im Amt des türkischen Präsidenten abzulösen. Erdoğan führt das Land auto- und kleptokratisch. Dass er freiwillig von der Macht scheiden könnte, wird von Beobachter:innen ausgeschlossen. Doch noch finden in der Türkei eben Wahlen und die eigentlichen Wahlakte unter Beobachtung der europäischen Partner statt und gelten als demokratisch. Ist die Wahl überhaupt noch frei, obwohl Erdoğan die großen Medien des Landes beherrscht und die Opposition politischer Verfolgung ausgesetzt ist?

Die Hoffnung auf einen Wahlsieg Kılıçdaroğlus wird durch die Unzufriedenheit vieler Türk:innen mit der Wirtschaftspolitik der Regierung und vor allem durch die Empörung über die mangelhafte Hilfe für Betroffene der Erdbebenkatastrophe vom 6. Februar genährt. Die ca. 1,5 Millionen wahlberechtigten Türk:innen, die in Deutschland leben, halten traditionell stärker noch als die Bevölkerung in der Türkei selbst zu Erdoğan. Nicht zuletzt deshalb wird der Wahlkampf um ihre Stimmen in diesem Jahr besonders intensiv geführt, berichtet Susanna Zdrzalek (@susannazdrzalek) für den WDR.

Große Wahlkampfveranstaltungen ausländischer Politiker in Deutschland sind inzwischen verboten. Es ist eine Lehre aus Erdogans aggressivem Wahlkampf hierzulande vor dem türkischen Verfassungsreferendum 2017. Und doch, sagt Eren Güvercin, Autor und Gründungsmitglied der Alhambra-Gesellschaft, einem Zusammenschluss europäischer Musliminnen und Muslimen, waren seit September 2022 über 120 AKP-Abgeordnete, Minister und Bürgermeister in Deutschland unterwegs, um Wahlkampf zu machen.

„Trotz der gesetzlichen Regelung, dass Amts- und Mandatsträger drei Monate vor der Wahl keine Wahlkampfveranstaltungen abhalten dürfen, sind in den vergangenen Wochen AKP-Abgeordnete auf Veranstaltungen der AKP-Lobbyorganisationen aufgetreten“, sagt Güvercin. Neu sei, dass sich in vielen Regionen Deutschlands AKP-Wahlkampfteams gebildet hätten, die einen intensiven Haustürwahlkampf führen. „Das ist eine neue Qualität und zeigt, wie wichtig die Mobilisierung der AKP-Wähler in Deutschland für Erdogan ist“, sagt Güvercin.

Statt mit Massenkundgebungen mit Erdoğan oder anderen AKP-Spitzenpolitikern suchen AKP-Aktivisten an den Haustüren Zugang zu Wähler:innen und weiterhin auch in Moscheegemeinden. Erkan Pehlivan (@erkanpehl) berichtet in der Frankfurter Rundschau, der Schwerpunkt der Aktivitäten sei in Moscheevereinen zu finden, die sich der DITIB und der IGMG („Milli Görüs“) zurechnen.

Die DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) untersteht der direkten Aufsicht der türkischen Religionsbehörde Diyanet. DITIB und die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş gehören zu den größten muslimischen Verbänden in Deutschland, sie nehmen auch – z.B. in Nordrhein-Westfalen – an der Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts teil und werden zum Teil vom Verfassungsschutz beobachtet.

Wahlkampf in religiösen Vereinen und auch in Kirchen ist nicht ungewöhnlich in Deutschland. Parteienvertreter:innen treten auch auf Podiumsdiskussionen und in Gesprächsveranstaltungen auf, die in den Gemeinden der beiden großen Kirchen in Deutschland stattfinden. Natürlich auch kurz vor Wahlterminen. Gelegentlich werden Kirchen sogar als unabhängiger, „neutraler“ Boden wertgeschätzt, auf dem man sich treffen kann, um gesellschaftlich umstrittene Themen auszudiskutieren. Was also ist überhaupt problematisch am Wahlkampf in Moscheen?

Man kommt wohl nicht umhin, auf Zweck und Intention solcher AKP-Werbung hinzuweisen: Erstens, weil dabei regelmäßig gegen Minderheiten und politische Gegner gehetzt wird. Zweitens, weil die Nähe zu einer nationalistischen, autokratisch-rechten Partei der Außendarstellung der beteiligten Verbände als politisch unabhängige Moscheegemeinden widerspricht. Die AKP-Nähe ist recht eigentlich ein Hemmschuh der Anerkennung als originäre Religionsgemeinschaften, die – Stichwort: Körperschaftsrecht – für das Zusammenspiel von Religionen, Staat und Politik in Deutschland so wichtig wäre.

Hendrik Wüst feiert mit den falschen Muslimen – Till-Reimer Stoldt (WELT)

Auch in diesem Jahr haben Politiker:innen aller Parteien den Ramadan genutzt, um die Türen für Muslime und Vertreter:innen von Moscheevereinen und muslimischen Verbänden zu öffnen. Leider, betont Till-Reimer Stoldt (@TillStoldt) in der WELT, auch solchen Vereinen, die wie DITIB, IGMG oder ATIB („Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V., „Graue Wölfe“) gefährlich für die Demokratie in Deutschland seien.

Stoldts Kritik am „Networking“ mit nachgewiesenermaßen rechtsradikalen Aktivisten kann ich teilen, nicht jedoch seine Unterscheidung von „falschen“ und „richtigen“ Muslimen. Was soll das sein? Hier gehen Stoldt und seine begeisterten Leser:innen aus dem sog. „liberal-konservativem“ Spektrum nicht zuletzt der AKP-Propaganda auf den Leim, die Treue zur Heimat mit Treue zu Erdoğan und Treue zum Islam gleichsetzt. Vor allem aber negiert die erzieherische Sprache von „richtigen“ und „falschen“ Muslimen ihre Agency als Mitbürger:innen. Die ist aber zwingend notwendig, will man Rechtsextreme muslimischen Glaubens genauso konsequent bekämpfen wie christliche oder jüdische Rechtsextreme. (Ich bin mir sicher, der Kollege vom Springer-Konzern stimmt mir da aus voller Überzeugung zu.)

Ramadan medial: mehr Perspektiven bitte – Fabian Goldmann bei Nils Minkmar (quoted. der medienpodcast, 32 Minuten)

Im Medienpodcast „quoted.“, einer Kooperation der Civis-Medienstiftung für Integration und kulturelle Vielfalt in Europa und der Süddeutschen Zeitung, die von der Stiftung Mercator gefördert wird, sprach Nils Minkmar (@nminkmar) bereits Ende März mit dem Islamwissenschaftler und Journalisten Fabian Goldmann (@goldi, Eule-Beiträge hier) über die mediale Wahrnehmung des Ramadans und von Muslimen in Deutschland. Hörenswert!

Bemerkenswert an vielen Artikeln zum Ramadan und Berichten zum türkischen Wahlkampf finde ich, dass zunehmend auch Vertreter:innen liberaler Muslime und säkularer Migrantenverbände zu Wort kommen, wie z.B. Eren Güvercin (@erenguevercin) von der Alhambra Gesellschaft (@Alhambra_eV). Sie geen mit dem nationalkonservativen und rechten Spektrum innerhalb des Islams in Deutschland zum Teil viel schärfer ins Gericht, als das vielen gelegentlichen Beobachter:innen möglich ist oder zustünde. Da ist durchaus ein Fortschritt zu vergangenen Jahren zu erkennen.

Nichtsdestotrotz bleibt Goldmanns Forderung nach einer differenzierten und fairen Berichterstattung über die zweitgrößte Religion in Deutschland gültig: Vor allem seine Frage danach, wer überhaupt zur Sprache kommt und das Wort erhält, die er Anfang März knackig und mit vielen Daten gestützt bei Übermedien (@uebermedien) am Beispiel der „Muezzin-Debatte“ dargestellt hat:

Wer führt eigentlich hierzulande Islamdebatten? Wer kommt zu Wort, wer nicht? Wird nur über Muslime diskutiert oder auch mit ihnen? Welchen Einfluss haben die großen Verbände und welchen die sogenannten Islamkritiker? Um das herauszufinden, haben wir uns die Berichterstattung zur Muezzin-Debatte angeschaut.

Mehr als Fastenbrechen

Die Islam-Debatten des Landes, vor allem aber das friedliche Mit- und Nebeneinander in unserer pluralen Gesellschaft bedürfen des Dialogs auch unter und mit den verschiedenen Religionsgemeinschaften. Wechselseitige Einladungen zu Festen und auch zum Fastenbrechen bei Politiker:innen sind darum ohne Einschränkung zu begrüßen. Es braucht weiterhin vertrauensbildende Maßnahmen, damit man dann auch ehrlich miteinander sein kann. Den Reformbedarf in ihren Verbänden und Moscheegemeinden sehen viele Muslime in Deutschland selbst. Er ist nicht zuletzt eine Generationen- und damit Zukunftsfrage.

nachgefasst

In der vergangenen Woche wurde in der Erzdiözese Freiburg ein Bericht zum Umgang mit sexuellem Missbrauch veröffentlicht (s. #LaTdH von vergangener Woche). Was der Bericht und die darin enthaltenen Erkenntnisse für die Betroffenen bedeuten, schildert die Vorsitzende des Freiburger Betroffenenbeirats, Sabine Vollmer, im Interview bei Volker Hasenauer von der @KNA_Redaktion.

Vollmer: Die meisten Betroffenen berichten uns davon, wie sehr sie der Bericht retraumatisiert. Sie erleiden Flashbacks, fühlen unvermittelt wieder Angst, Hilflosigkeit und tiefen seelischen Schmerz. Viele haben Alpträume, können nicht schlafen oder sind im schlimmsten Fall sogar suizidal. Es tut mir richtig weh, dass so viele Betroffene gerade so sehr leiden müssen.

Und dennoch gibt es keine Debatte darüber, was der Bericht mit Betroffenen macht, welche Unterstützung sie jetzt bräuchten. Ich muss leider feststellen, dass dies niemanden interessiert. Es ist wie immer: Für wenige Tage sind alle erschüttert und für die Mehrheit dreht sich die Welt weiter – während die Betroffenen weiter ums Überleben kämpfen.

Derweil liegt inzwischen eine Anzeige gegen den ehemaligen Erzbischof von Freiburg und DBK-Vorsitzenden Robert Zollitsch vor. Die Staatsanwaltschaft will prüfen, ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt. In der Herder Korrespondenz (@HK_Aktuell) fragt Benjamin Leven (@levenbj) angesichts des Freiburger Befundes zu Recht, warum es immer erst infolge von Studien und juristischen Gutachten zu Schuldeingeständnissen von Bischöfen komme – sie wüssten doch, was sie getan hätten.

Eine wichtige Frage stellt auch Christiane Florin (@christianeflori) im DLF: Warum gab es bisher kaum Strafverfahren gegen Geistliche? Die Kirche habe ihre Macht genutzt, um Priester vor Strafverfolgung zu schützen. Die Vermutung liegt nahe, dass an der Vertuschung auch übervorsichtige und parteiische Richter und Staatsanwälte teilgenommen haben. Ein Kapitel deutscher Rechts- und Milieugeschichte, das der Aufarbeitung harrt.

Was wir über den Missbrauchskomplex Dillinger wissen (s. „nachgefasst“ der #LaTdH von vergangener Woche), fasst Anna Fries (@graukauz) von der KNA beim Kölner Domradio zusammen. Konsequenzen aus dem mangelnden Umgang mit dem Fall des Limburger Ex-Regens Christof May (s. #LaTdH vom 12. Juni & 19. Juni 2022) hat der Limburger Generalvikar Wolfgang Rösch gezogen und ist von seinem Amt mit Zustimmung seines Bischofs Georg Bätzing (auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz) zurückgetreten. Warum der neuerliche Erfolg gegen die BILD vor Gericht für Rainer Maria Woelki sehr gefährlich werden kann, kommentiert in der WELT Lucas Wiegelmann (@wiegelmann):

Ein Kardinal, der sich an die entscheidenden Details nicht erinnern kann, der womöglich nicht einmal von ihm eigenhändig unterzeichnete Briefe gelesen hat, der aber definitiv weiß, nichts gewusst zu haben – wie glaubwürdig diese Erzählung ist, dazu ist juristisch noch nicht das letzte Wort gesprochen. Von der Öffentlichkeit einmal ganz abgesehen, die sich ohnehin ihr eigenes Urteil bilden wird.

Buntes

Ungarn: Papst trifft Ex-Außenamtschef des Moskauer Patriarchats (kathpress)

Im Rahmen seiner Ungarnreise hat Papst Franziskus den russisch-orthodoxen Metropoliten von Ungarn, Metropolit Hilarion Alfejew, getroffen. Alfejew war lange Zeit Leiter des Außenamtes der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) unter Patriarch Kyrill, der zu den Unterstützern des russischen Krieges gegen die Ukraine gehört. Von diesem Posten wurde er im vergangene Jahr nach Ungarn „abgeschoben“. Das Gespräch mit Metropolit Hilarion sei „herzlich“ gewesen und es sei vor allem um die orthodox-katholische Ökumene in Ungarn gegangen. Vielleicht wurden Teile des 20-minütigen Treffens mit dem Vatikankenner Alfejew aber auch der Analyse der Kriegsfolgen für die Diplomatie zwischen Rom und Moskau gewidmet.

Jüdisches Leben schützen und unterstützen (Bundesregierung)

Die Bundesregierung hat die jährlichen Leistungen an den Zentralrat der Juden von aktuell 13 Millionen Euro auf künftig 22 Millionen Euro erhöht. Das zusätzliche Geld soll u.a. für „ein bundesweites Ausbildungsprogramm für Sicherheitspersonal an jüdischen Einrichtungen“ und Bildungsprogramme gegen Antisemitismus an Schulen verwendet werden.

Wegen „Judensau“: Forderung nach Aberkennung von Unesco-Status (KNA, katholisch.de)

Im Streit um die Schmähplastik an der der Stadtkirche in Wittenberg (s. #LaTdH von letzter Woche & Ortsbegehung vom Sommer ’22 hier in der Eule) hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, die Aberkennung des Unesco-Welterbestatus‘ der Kirche gefordert. Die „aktualisierte Infotafel und drei Roll-Ups in der Kirche“ reichen ihm nicht aus.

Der Text auf der Infotafel wurde demnach um die Bitte um Vergebung an „Gott und das jüdische Volk“ ergänzt. Ferner heißt es: „Die Evangelische Kirche sieht sich in der Verantwortung, ihren Anteil zur jahrhundertelangen Gewaltgeschichte gegen Juden kritisch aufzuarbeiten und gegen Antijudaismus und Antisemitismus aktiv einzutreten.“

Die Weltsynode verkommt zur Mogelpackung – Annalena Müller (kath.ch)

Auf kath.ch (@kathch), der schweizerischen Online-Nachrichtenplattform der römisch-katholischen Kirche, kommentiert Annalena Müller (@docmunier) die Nachricht von der „Mitbestimmung“ von Frauen und nicht-geweihten Männern auf der im Herbst im Vatikan stattfindenden Bischofssynode, der nächsten Stufe von Papst Franziskus‘ weltweitem „Synodalen Prozess zur Synodalität“. Müller kritisiert einige Medien, die die vatikanischen Ankündigungen „euphorisch feiern“. Denn:

80 der 370 Synodenteilnehmenden werden Nicht-Geweihte sein. 70 Personen aus den Ortskirchen und zehn aus klösterlichen Orden. In Prozent ausgedrückt: 21,6 Prozent der Stimmberechtigten sind keine Bischöfe. Umgekehrt heisst das: 78,4 Prozent sind es. Fun Fact: Auf Bischofssynoden werden Beschlüsse mit Zweidrittelmehrheit gefällt. Also mit 66 Prozent der Stimmen.

Die römische Konzession gegenüber Frauen und Laien, von der Kardinal Jean-Claude Hollerich, der Generalrelator der Bischofssynode, „begeistert“ ist, sei eine „Mogelpackung“, erklärt Annalena Müller. Natürlich könne man einwenden, es handele sich dabei um „einen ersten Schritt“, aber …

Ein wirkliches Zeichen Richtung Synodalität wäre ein 50/50-Verhältnis gewesen. Ein solches Verhältnis würde zu Dialog zwingen. Und es ist das Mindeste, das man von einer reformwilligen Kirche, einer «ecclesia semper reformanda», erwarten darf: Einen Dialog, in dem nicht von vornerein klar ist, wer ihn dominiert.

Müllers Medienkritik würde ich gerne noch darum erweitern, doch davon abzuraten, die Bischofssynode und ihre Verlängerung im nächsten Jahr als „Weltsynode“ und damit als halbes 3. Vaticanum oder gar Konzil der Christenheit zu bezeichnen. Sie hat eine – trotz aller Reförmchen – klare kirchenrechtliche Verfassung: Es geht um eine Beratung von römisch-katholischen Bischöfen, die dem römisch-katholischen Papst Entscheidungen vorlegen werden. Und nur er und er allein wird durch seine Bestätigung einigem oder garnichts davon Geltung verschaffen.

Journalistenpreise für #OutInChurch-Doku und Enthüllungen zu Woelki (Kirche + Leben)

Die ARD-Doku „Wie Gott uns schuf – Coming Out in der katholischen Kirche“ (Rezension in der Eule) wurde als „Geschichte des Jahres“ mit dem „Stern“-Preis, ehem. Henri-Nannen-Preis, ausgezeichnet. Eine wunderbare Anerkennung für die Produzent:innen und Autor:innen Katharina Kühn, Marc Rosenthal, Hajo Seppelt und Peter Wozny – und mittelbar auch für die mutigen LGBTQI*, die sich im Rahmen des Films und der Aktion #OutInChurch geoutet hatten.

Ebenfalls mit einem „Stern“-Preis wurde Joachim Frank vom Kölner Stadt-Anzeiger geehrt. Frank erhielt die Auszeichnung in der Kategorie „Lokal“ für seine Veröffentlichungen zum Missbrauchsskandal im Erzbistum Köln und zur Rolle von Kardinal Rainer Maria Woelki. Frank ist Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP, @GKPde), als solcher auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), dessen Hauptausschuss er seit 2017 angehört. Beim Synodalen Weg war er als Berater des Synodalforums I „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ engagiert.

Es braucht eine Debatte um das innerkirchliche Solidaritätsverständnis – Thomas Arnold (katholisch.de)

In einem „Standpunkt“ bei katholisch.de erinnert Thomas Arnold (@academy_arnold) an die Ende 2025 auslaufenden Solidaritätsbeiträge der westdeutschen für die ostdeutschen Bistümer. Das stürzt die römisch-katholischen Bistümer im Osten in noch größere finanzielle Schwierigkeiten, zeige aber vor allem, dass die katholische Kirche ein neues Solidaritätsverständnis bedürfe, das den Ansprüchen genügt, die man an andere gesellschaftliche Akteure stelle. Und: „In einem synodalen Gremium [auf nationaler Ebene, Anm. d. Red.] könnten die Ideen Mehrheiten und damit innerkirchliche Akzeptanz finden.“

Theologie

Leidenschaft für Gott und die Menschen: Dorothee Sölle – Dorothee Adrian (SRF, 36 Minuten)

Dorothee Adrian erinnert mit einem ausführlichen Feature im SRF an die Theologin und Aktivistin Dorothee Sölle. Dabei unterstützt wird sie von der Luzerner Theologin Li Hangartner, der zweiten Frau von Fulbert Steffensky, mit dem Sölle bis zu ihrem Tod verheiratet war. Hangartner und Adrian sprechen über das Erbe Dorothee Sölles, außerdem gibt es Eindrücke von der Sölle-Tagung der Neue Wege, der Evangelischen Frauen Schweiz und der Paulusakademie Zürich.

Sich dem Leben staunend in die Arme werfen – Pierre Stutz (Haus am Dom Frankfurt, 43 Minuten)

Auch am „Haus am Dom“ in Frankfurt fand anlässlich des 20. Todestages von Dorothee Sölle eine Gedenkveranstaltung statt, in deren Rahmen der Theologe, Poet und Autor Pierre Stutz einen „tiefgreifenden, persönlichen und unterhaltsamen Vortrag“ über „Fliegen lernen – das Brot der Ermutigung“ hielt, der als Podcast nachgehört werden kann.

Und beim Netzwerk Friedenskooperative lässt sich unter anderem die Rede Sölles gegen den Irak-Krieg auf der Demonstration am 26. Oktober 2002 in Hamburg nachlesen.

Ein guter Satz

„Bitte lasst eure zimmer nicht verkommen“

– Dorothee Sölle an ihre drei Töchter, nachzulesen beim SWR