Kontrollverlust synodal – Die #LaTdH vom 12. November
Die EKD-Synode trifft sich zu ihrer jährlichen Tagung und auch die Katholik:innen sind weiter auf synodalen Wegen unterwegs. Außerdem: Ein unverkäufliches Buch und Catholica.
Herzlich Willkommen!
Diese Ausgabe der #LaTdH wird aus Ulm von der Tagung der EKD-Synode versendet, die ich für Die Eule beobachte. Beiträge zur Synode finden sich in diesem Jahr hoffentlich einige im Magazin, trotzdem wir zum ersten Mal seit 2019 auf einen Live-Blog von der Tagung verzichten. Schauen Sie sich gerne um!
Mit der Tagung der EKD-Synode und der Konstituierung des Synodalen Ausschusses in der römisch-katholischen Kirche in Essen ist das Thema der Woche vorgegeben: Synodalität. Bei den Katholiken sind bei der Fortsetzung des Synodalen Weges mit anderen Mitteln nicht mehr alle Bischöfe aus den deutschen (Erz-)Bistümern dabei, wie u.a. der Bayerische Rundfunk berichtet. Die (Erz-)Bischöfe Rainer Maria Woelki (Köln), Stefan Oster (Passau), Rudolf Voderholzer (Regensburg) und Gregor Maria Hanke (Eichstätt) wollen mit dem Ausschuss nichts zu tun haben, Bischof Betram Meier (Augsburg) pilgert lieber nach Sankt Peter-Ording. Was die Synodalität angeht, ist die römisch-katholische Kirche in Deutschland spätestens seit diesem Wochenende „eine Kirche der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“.
Aber das ist sie eigentlich schon länger: In manchen Bistümern wird die Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges recht beherzt angegangen, anderswo will man bei allen Vorhaben lieber auf Anweisungen aus Rom warten. Und im emphatischen Sinne ist die Kirche sowieso in unterschiedlichem Tempo synodal unterwegs: Denn die Evangelische Kirche ist eine synodale Kirche, auch wenn sie den Katholik:innen – horribile dictu – natürlich nicht als Vorbild dient.
„Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche“ ist ein durch Papst Franziskus autorisiertes Dokument der Internationalen Theologischen Kommission von 2018 überschrieben, das in vielerlei Hinsicht den Weg der Katholischen Kirche seitdem vorzeichnet. Auf der Website der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) kann man es kostenlos als PDF herunterladen oder für 0,42 € pro Druckexemplar bestellen. Aber richtige Synodalität ist eben ganz und gar nicht billig. Und damit meine ich nicht die gute halbe Million Euro, die eine Tagung der EKD-Synode kostet.
Richtige Synodalität bedeutet eine Art Kontrollverlust für diejenigen, die qua Amt oder Machtvorsprung in der Kirche bisher den Ton angeben und zu ihrem Recht kommen. Synodalität ist evangeliumsgemäße Kirchenleitung. Es geht nicht darum, Macht als Faktor in der Kirche zu negieren oder so zu tun, als ob Synodale irgendwie bessere Leute wären, sondern darum Macht fair zu teilen und aufeinander acht zu geben. Deshalb weiß man bei Synoden nie so recht, was bei ihnen rauskommt.
Eine gute (Synoden-)Woche wünscht
Philipp Greifenstein
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Debatte
Synodaler Ausschuss konstituiert: Neuer Schwung für Kirchenreformen? – Karin Wollschläger und Joachim Heinz (KNA, katholisch.de)
Der Synodale Ausschuss, das Anschlussformat nach dem Synodalen Weg der römisch-katholischen Kirche in Deutschland, der wiederum den Synodalen Rat vorbereiten soll, hat sich am Freitag und Samstag dieser Woche in Essen konstituiert. Die Ergebnisse der Tagung fassen Karin Wollschläger und Joachim Hein zusammen: Geklärt ist nun, dass die Beteiligten die vom Synodalen Weg schmerzlich erinnerte Extra-Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe ad acta legen. Es gilt fortan, was zwei Drittel aller Anwesenden unterstützen. Das ist insofern relevant, als dass sich der Ausschuss auch mit jenen Dokumenten befassen soll, die beim Synodalen Weg noch nicht abschließend beraten werden konnten.
Jenseits dieser verbliebenen inhaltlichen Arbeiten steht der Ausschuss aber vor allem als Zeichen für das „Weiter so“ der Synodalität in der katholischen Kirche in Deutschland jetzt im Raum. Dass es trotz des Neins aus Rom zum Synodalen Rat soweit gekommen ist, bringt Kritiker:innen auf die Palme, zeugt aber von der Hartnäckigkeit des Reformer:innenlagers. Selten genug: Mit den Ergebnissen von Essen sind sowohl die Mehrheit der Bischöfe als auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) zufrieden.
Die Ausgangsbedingungen waren eher speziell. Der Vatikan hat sich mehrfach gegen die Gründung eines Synodalen Rats als Leitungsgremium von Bischöfen und Laien ausgesprochen. Es bestehe die Gefahr, dass die Autorität der Bischöfe dadurch unzulässig eingeschränkt würde. Vier Bischöfe wollen nicht zuletzt deswegen dem Synodalen Ausschuss ganz fernbleiben […]. Das hat auch Konsequenzen für die Finanzierung des Ausschusses. Die übrigen 23 Ortsbischöfe haben sich zwar dazu bekannt. Aber immer noch fehlt es an Strukturen, über die das Geld fließen kann. Ein Verein ist in Gründung. Bis es soweit ist, klafft im Werkzeugkasten für das „Arbeitsinstrument“ Synodaler Ausschuss noch eine Lücke.
Der Synodale Ausschuss soll grundsätzlich presseöffentlich tagen und nicht wie in Essen hinter verschlossenen Türen. Wie auch die Entscheidung gegen eine extra Bischofsquorum, …
… „lässt sich [das] durchaus als eine Frucht der Debatten über die Verteilung von Macht in der Kirche lesen – und als Signal der Bischöfe an die Laien, diese Macht künftig zumindest hier und da anders verteilen zu wollen.
Im Interview bei Joachim Heinz (KNA) und Roland Müller (katholisch.de) zeigte sich ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp begeistert von den Ergebnissen der Tagung und bemühte sogar den alten Barack Obama-Slogan „Yes, we can!“:
Wir haben spätestens mit dieser Sitzung ordentlich an Fahrt aufgenommen. Bischof Bätzing sagte am Ende der Sitzung: „Alle, wirklich alle wollen jetzt an dem arbeiten, was uns aufgetragen ist.“ Diesen Satz kann ich bestätigen. Ich nehme es genauso wahr. Wir als ZdK hätte uns nach dem Ende der fünften Synodalversammlung im März sehr gewünscht, dass der Tanker katholische Kirche schneller Fahrt aufnimmt. Aber ewig in die Vergangenheit zu schauen, ist jetzt nicht hilfreich. Nach vorn denken. Handeln. Und die Herausforderungen annehmen. Darum geht es jetzt.
EKD-Synode 2023: Die Papphocker-Kirche – Philipp Greifenstein (Die Eule)
Ins Handeln kommen und ganz im Heute ankommen, will auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Mit dem Thema „Sprach- und Handlungsfähigkeit im Glauben“ wollen sich die EKD-Synodalen bis Mittwoch schwerpunktmäßig befassen. Aber die Krisen der Welt machen auch vor den Türen der Synode im Ulm nicht kehrt, sondern ziehen mit den Synodalen in das Plenum und die Ausschüsse ein. In meinem Vorbericht hier in der Eule habe ich die (vermutlich) wichtigen Themen der Tagung bereits vorgestellt.
Aller Introperspektivität zum Trotz werden die Krisen dieser Tage und damit auch die Politik Einzug halten auf der Synodentagung. Die Synode neigt ohnehin dazu, sich zu zahlreichen Weltproblemen mittels Diskussionen und Entschließungen zu äußern. Nichts deutet darauf hin, dass an dieser Praxis gerade in Ulm etwas geändert werden wird. Dass die evangelischen Ein- und Zusprüche jenseits enger EKD-Kreise kaum jemanden interessieren, wird beklagt, aber nur selten handlungsleitend reflektiert: Könnte es gar am Ende etwas mit einer Sprachlosigkeit in Glaubensfragen zusammenhängen?
Am gestrigen Abend fand ein großer Empfang der beiden gastgebenden Landeskirchen aus Baden und Württemberg statt: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hielt eine lange Rede, in der den Wert von Glaube und Kirche für die Gesellschaft betonte. Welche gesellschaftlichen Themen werden in Ulm im Vordergrund stehen? Wird es der Gaza-Krieg sein? Die Solidarität mit Israel wird von allen Akteur:innen betont, aber im Hintergrund wird auch an das Engagement für die palästinensischen Christen erinnert und an so manche liebgewonnene Tradition der evangelischen Friedensethik. Wird die Synode sich wie im vergangenen Jahr (Soli-Foto-Aktion für die Frauenrevolution im Iran, wir berichteten) mit einem Zeichen in aktuelle Debatten einmischen?
Oder wird die Synodentagung doch wirklich vor allem eine Selbstbeschauung werden? Bei zwei Themen scheint das besonders angeraten zu sein: Bei der Rolle von rechten Christen innerhalb der evangelischen Kirchen (s. „nachgefasst“) und beim Umgang mit dem Skandal des Missbrauchs. Dass ausgerechnet pünktlich zur Synodentagung Missbrauchsfälle in der Heimatkirche der EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus öffentlich werden, auch noch in dem Kirchenkreis, dem sie selbst vor ihrer Amtszeit als Präses der Westfälischen Landeskirche als Superintendentin vorstand, zeigt überdeutlich: Das Thema lässt auch die evangelische Kirche nicht los. Mehr dazu im Synoden-Vorbericht.
Vor die Zeit kommen, heißt womöglich, es sich richtig unbequem zu machen. Bei alledem ist es gut, wenn man weiß, woher man kommt. Am Samstagvormittag haben die VELKD-Synodalen einen Vortrag des Leipziger Systematikers Roderich Barth über lutherische Identität gehört. Dessen Vater Friedrich Barth ist übrigens „Erfinder“ des Kirchentagshockers aus Pappe: leicht, mobil, flexibel einsetz- und wiederverwertbar, nachhaltig und inzwischen auch schon traditionell. Gibt es ein besseres Bild für die Evangelische Kirche?
nachgefasst I
Nicht salonfähig! – Kristin Merle, Hans-Ulrich Probst (zeitzeichen)
Im evangelischen Magazin zeitzeichen haben die Hamburger Professorin für Praktische Theologin Kristin Merle und der württembergische Landessynodale und wissenschaftliche Mitarbeiter für Praktische Theologie Hans-Ulrich Probst (Eule-Interview von 2020 hier) über ein in der Tat problematisches Buch unter dem Titel „Angst, Politik, Zivilcourage“ aus der Evangelischen Verlagsanstalt (EVA) geschrieben. Sie legen in ihrer Analyse die „demokratiefeindlichen Positionen“ einiger der Autoren des Bandes dar.
Wer wissen will, wie es funktioniert, kulturelle Hegemonie im vorpolitischen Bereich zu erlangen und Diskursverschiebungen ‚nach rechts‘ zu provozieren, muss sich nur das von Thomas A. Seidel und Sebastian Kleinschmidt im Auftrag der Evangelischen Bruderschaft St. Georgs-Orden herausgegebene Buch anschauen.
Es ist kürzlich im angesehenen theologischen Medienunternehmen erschienen, dessen Gesellschafter die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik [GEP] sind, und bei dem zahlreiche theologische Fachbücher erscheinen. Die EVA ist einer der größten konfessionellen Verlage im deutschsprachigen Raum (vgl. Beyreuther 2021). Kurzum: Mehr Mainstream geht kaum.
Einer der Autoren des Buches, der Leipziger Systematiker Rochus Leonhardt, hat sich – ebenfalls in den zeitzeichen – gegen die Kritik verwehrt. Am Freitag aber wurde eine weitergehende Debatte um das Buch dadurch abgewürgt, dass es von GEP und EVA vom Markt genommen wurde. Die Entscheidung, das Buch aus dem Handel zu nehmen, sei in Abstimmung mit der EKM getroffen worden. Gelegenheitsbeobachter:innen fragen sich allerdings, wie so ein Buch überhaupt erscheinen konnte.
Die Debatte geht also trotz oder gerade wegen der Depublikation – wann hat es so etwas schon einmal gegeben? – weiter. Sie bedarf dringend der Weitung, denn so bedenklich Passagen des Buches tatsächlich sind, die Problematik lässt sich auch in der evangelischen Kirche nicht zwischen zwei Buchdeckel pressen.
Weltgebetstag der Frauen: Deutsches Komitee verwirft Liturgievorlage (KNA, katholisch.de)
Eigentlich feiern überall auf der Welt Frauen und ihre Gäst:innen zum Weltgebetstag eine gemeinsame Liturgie, die jeweils im Gastgeberinnenland vorbereitet wird. 2024 wird dies Palästina sein. Die Vorlagen von dort und aus der internationalen Weltgebetstagsorganisation aber will das deutsche Komitee nun gründlich überarbeiten.
Göken-Huismann sagte, der Weltgebetstag am 1. März 2024 werde von Trauer und Klage über die „furchtbare Gewaltspirale“ im Nahen Osten geprägt sein. Ziel sei, „möglichst viele“ Bestandteile des vorbereiteten Gottesdienstes zu erhalten. Gerade jetzt sei es auch notwendig, den Erfahrungen palästinensischer Christinnen Gehör zu verschaffen. Dabei gelte es jedoch, „den Blick zu weiten“ und diese Stimmen „anders einzubetten“, so die katholische Theologin.
nachgefasst II: Catholica
Traditioneller Teil der verbundenen Tagung von VELKD-Generalsynode, EKD-Synode und UEK-Versammmlung ist der sog. Catholica-Bericht. Die Synodalen und Beobachter:innen lassen sich in einem – zumeist bisschen zähen – Vortrag oder „dialogischem Gespräch“ auseinandersetzen, was die Katholik:innen im vergangenen Jahr beschäftigt hat. Dabei fallen natürlich viele Sachen unter den Tisch und es geht erstaunlicher Weise sehr viel häufiger um theologische Kammern und Vatikanschreiben als um das Zusammenleben mit Katholik:innen hierzulande. Wer sich heute (noch) für die Rolle der Kirchen in unserer Gesellschaft interessiert, muss eigentlich stets und ständig überkonfessionell denken und handeln, selbst wenn man nicht explizit ökumenisch unterwegs ist. Nun also die aktuellen (!) Catholica:
Ein Schreiben des neuen Chefs des vatikanischen Dikasteriums für die Glaubenslehre (ehem. Glaubenskongregation), Kardinal Víctor Manuel Fernández, stellt auf Nachfrage des brasilianischen Bischofs José Negri klar, dass man auch als schwuler oder lesbische Katholik:in Taufpat:in oder Trauzeug:in werden darf. Ob man jetzt mit dem Brief des Kardinals in der Hand bei andersdenkenden Priestern in konservativen Pfarreien und Bistümern auftauchen kann? Die Initiative #OutInChurch kritisiert eine nicht unwichtige Einschränkung, die Fernández vornimmt:
Sehr schwierig ist nach Ansicht Teubers der Verweis des Schreibens, dass bei der Zulassung von Transpersonen oder Homosexuellen die „Gefahr eines öffentlichen Skandals oder einer Verwirrung der Gläubigen“ zu vermeiden sei. Nicht ein gleichgeschlechtlich lebender Taufpate sei der Skandal, „sondern die Menschen, die daraus den Skandal machen“.
Pax Christi: Eine Friedensbewegung in Kriegszeiten – Jasper Riemann (BR)
Wie alle Vereine der christlichen Friedensbewegungen hierzulande hat es Pax Christi derzeit nicht leicht. In diesen Tagen feiert man zwar das 75. Jubiläum, aber durch den Ukraine-Krieg und das neuerliche Aufflammen des Gaza-Krieges sind die traditionellen, seit den 1980er Jahren hegemoniellen Überzeugungen der christlichen Friedensbewegten herausgefordert. Davon berichtet für den BR Jasper Riemann, der u.a. mit dem Vorsitzenden von Pax Christi im Erzbistum München und Freising. Martin Pilgram. gesprochen hat.
[…] dennoch glaubt Pilgram weiter an das Engagement für den Frieden: „Wenn wir nicht die Vision haben, dass wir irgendwann zu einer gerechteren und friedlicheren Welt kommen, dann braucht es uns nicht mehr. Aber solange wir noch irgendwo einen Funken Hoffnung haben, müssen wir auch dafür kämpfen, dass sich die Welt nicht in eine Richtung entwickelt, wo wir sagen: Wir stopfen die Welt voll mit Waffen und irgendwo knallt es dann.“
Die Entscheidung ist getroffen – Georg Bier (Herder Korrespondenz)
In der Herder Korrespondenz erklärt der Freiburger katholische Kirchenrechtsprofessor Georg Bier, warum das Schweigen des Papstes zum Rücktrittsangebot des Kölner Erzbischofs Kardinal Rainer Maria Woelki als Antwort zu interpretieren ist. All das liest sich sehr schlüssig und es wird sich in der Tat wohl so verhalten, wie Bier es darstellt. Die Gläubigen in Köln, die mit Woelki nicht mehr unter einem Kirchendach leben wollen, dürfen sich vom Papst damit trösten lassen, dass es anderswo in der römischen Weltkirche auch nicht besser oder gar noch schlimmer sei. Kann man noch bessere Werbung für den Kirchenaustritt machen?
Der Mann, der Merkel täuschte – Raoul Löbbert und Georg Löwisch (Christ & Welt, €)
In der Christ & Welt haben Raoul Löbbert und Georg Löwisch in einem wirklich umfangreichen Erklärstück den Versuch unternommen, die Täuschung von Politik und Öffentlichkeit zu erklären, die unter maßgeblicher Federführung des damaligen DBK-Vorsitzenden und Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch von der katholischen Kirche versucht wurde – und über viele Jahre hinweg erfolgreich! Bis heute fällt es Bund und Ländern schwer, eine aktive Rolle bei der Aufklärung der Missbrauchsverbrechen in den Kirchen (und anderswo) anzunehmen. Wie viele Jahre haben Betroffene aufgrund dessen verloren?
Allein Zollitsch, gegen den der Vatikan in diesen Tagen eine Voruntersuchung gestartet hat, war damals nicht als Solitär unterwegs. Sein Weg wurde von vielen Mitwissern unter den Bischöfen und auch von Mitarbeitenden in den Bistümern und bei der DBK mitgetragen. Nicht alle von ihnen sitzen wie Zollitsch inzwischen auf dem Altenteil.
Strafen für die Hirten
Bischof Stephan Ackermann (Trier), der ehemalige Missbrauchsbeauftragte der DBK, muss nach einem Urteil des Amtsgerichts seiner Bischofsstadt 20.000 Euro Schmerzensgeld an eine Missbrauchsbetroffene zahlen, deren Klarnamen er in einer (internen, aber was ist das schon?) Sitzung aufdeckte. Das Urteil ist nun rechtskräftig, nachdem Ackermann keine Rechtsmittel eingelegt hatte. Wir wollen wohlwollend davon ausgehen, dass Ackermann den Betrag aus seiner eigenen Schatulle und nicht aus Kirchensteuermitten begleicht.
Und als letzte Catholica-Nachricht: Endlich hat Papst Franziskus den rechtsradikalen Bischof Joseph E. Strickland (Tyler, USA) seines Amtes enthoben. Strickland ist glühender Trumpist und das Wort „Papstkritiker“ ist noch viel zu harmlos für den Hirten, der sich mit Vorliebe auf X (ehem. Twitter) austobt. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Jetzt hat Franziskus doch einmal und endlich die Reißleine gefunden.
Theologie
Judenhass in der Theologie: Gerhard Kittels fatales Erbe – Hans Förster (Die Furche)
Hans Förster, Privatdozent für Neues Testament an der Universität Wien, unternimmt es in der Furche, auf das Wirken Gerhard Kittels während des Nationalsozialismus hinzuweisen. Die Spur des Nazi-Theologen zieht sich auch darum bis heute, weil das von ihm dereinst herausgegebene „Theologische Wörterbuch zum Neuen Testament“ noch immer als „Standardwerk“ gilt. Daran gibt es seit Jahren Kritik, nur so richtig voran will es nicht gehen.
Das Neue Testament war [Kittel] das „judenfeindlichste Buch der Erde“. Es ist nur konsequent, dass Gerhard Kittel noch im Jahr 1943 Adolf Hitler bei einem Vortrag in Wien öffentlich dafür lobte, dass dieser Juden wieder ins Getto verbannt habe. Bei der Judenverfolgung habe, so Kittel, die Kirche versagt, Adolf Hitler vollbringe, was eigentlich Aufgabe der Kirche gewesen wäre.
Förster führt anhand einer konkreten Bibelstelle, deren Auslegung maßgeblich von Kittelscher Exegese beeinflusst ist, den Nachweis, dass eine Überarbeitung und begleitende öffentliche Richtigstellung dringend notwendig sind.
Ein guter Satz
„Der liebe Gott hat mir meine Sprachfähigkeit wiedergegeben.“
– Betroffenensprecher Johannes Norpoth in diesem ausführlichen und stimmigen Bericht über die synodalen Wege der römisch-katholischen Kirche von Stefan Hunglinger in der taz