Newsletter #LaTdH

Neue Wege – Die #LaTdH vom 6. Oktober

Heute startet endlich die Amazonas-Synode in Rom, an die sich unterschiedliche Erwartungen knüpfen. Außerdem: #digitaleKirche-Werkstattberichte, Dorothee Sölle und andere mutige Frauen.

Debatte

Am heutigen Sonntag beginnt die Amazonas-Synode in Rom. Nach Auskunft des Vatikan nehmen an den dreiwöchigen Beratungen insgesamt 283 Bischöfe, Sachverständige, Sondergesandte und Beobachter teil. Das Treffen vom 6. bis 27. Oktober steht unter dem Motto „Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“.

Lernerfahrungen auf dem synodalen Weg: Erwartungen und Herausforderungen für die Amazoniensynode – Birgit Weiler (feinschwarz.net)

Birgit Weiler gehört dem Orden der Missionsärztlichen Schwestern an, lehrt systematische Theologie an der Jesuiten-Universität in Lima (Peru) und nimmt als vom Papst ernannte Expertin an der Amazoniensynode teil. Im Theologischen Feuilleton @feinschwarz_net berichtet sie in den nächsten Wochen direkt aus Rom.

Ihre Einschätzung vor Beginn der Synode zieht auch eine Bilanz des Vorbereitungsprozesses:

Der synodale Weg in Amazonien war geprägt von der Praxis eines „Dialogs von unten nach oben“, der im Licht der Option für die Armen eben diese Armen als Subjekte ernst nimmt. Von dieser Erfahrung bestärkt, erhofft sich die Kirche Amazoniens Lernbereitschaft aller, insbesondere aber von Seiten der Bischöfe und Priester, um gemeinsam den Klerikalismus zu überwinden. […]

Daher besteht die starke Hoffnung und Erwartung, dass die Synode in Rom mit großer Dialogbereitschaft und Offenheit für Gottes Geist mutig neue Wege beschreiten wird, die Einheit in der nötigen Vielfalt ermöglichen. Darin könnte sie dann eine Ermutigung für Kirche an anderen Orten sein, neue Wege in ihrem jeweiligen Kontext zu erkunden, […].

Die Amazonas-Synode ächzt unter ihrer Erwartungslast – Andreas G. Weiß (katholisch.de)

Die Synode werde mit Erwartungen überhäuft, meint Andreas G. Weiß (@A_G_White): Die einen fürchten einen häretischen Bruch mit der Tradition, die anderen setzen all ihre Kirchenreform-Hoffnungen auf das regionale Bischofstreffen (vgl. etwa die Ausführungen des Kirchenhistorikers Hubert Wolf oder das Interview mit dem Sozialethiker Gerhard Kruip).

Damit die Synode ein Erfolg werden kann, müssten beide Seiten kirchenpolitisch aufgeladene Emotionen herunterfahren:

Nicht, weil Emotionen an sich schlecht sind, sondern weil die gegenwärtige kirchliche Lage auch einen kühlen Kopf erfordert. Enorm viel wird davon abhängen, wie handlungs- und entscheidungsfähig sich die Synode auch angesichts der weltkirchlichen Erwartungen zeigen wird.

Sollte der Druck weiter zunehmen, so ist auch die Gefahr höchst real, dass alle Inspirationen, die von der Amazonas-Synode ausgehen können, schon im Keim erstickt und jegliche Dynamik im bischöflich-brüderlichen Entscheidungsweg unterbunden werden.

Nach den umfangreichen Hinweisen in den #LaTdH vom 15.22. und 29. September zu dem als „synodalen Weg“ angekündigten Dialog von DBK und ZdK in Deutschland hier nur noch zwei Nachmeldungen:

Der Synodale Weg und die Frauen oder wer kocht denn jetzt den Kaffee? – Claudia Lücking-Michel (feinschwarz.net)

Wird sich die römisch-katholische Kirche zu einer größeren Gleichbereichtigung zwischen Männern und Frauen, Laien und Geweihten entscheiden können? An der „Frauenfrage“ hänge der Erfolg des Synodalen Weges, kommentiert Claudia Lücking-Michel, Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK):

Ein gerechter offener Zugang aller Getauften und Gefirmten zu allen Dienstformen und Ämtern, die die Kirche bereithält, ist theologisch möglich und strukturell nicht nur wünschenswert, sondern zwingend. Das gilt auch und besonders unter kritischer Würdigung der biblischen Befunde, der historischen Beispiele und einer überzeugenden theologischen Argumentation. […]

Der (Synodale) Weg wird lang und anstrengend und hinter jeder Wegkurve tauchen weitere Herausforderungen auf. Für so einen Marsch braucht man gute Schuhe, ausreichend Verpflegung und ein klares Ziel vor Augen. Das heißt nicht Evangelisierung oder Reform, sondern Reform um der Evangelisierung willen.

Das Ziel des „synodalen Weges“ bleibt unklar – Christiane Florin (DLF)

Der synodale Weg sei kein Weg zur Erneuerung der röm.-kath. Kirche, meint hingegen Christiane Florin (@ChristianeFlori). Die treffende Übersetzung sei vielmehr: Weiter so! Denn bescheidene Reformankündigungen würden die Würdenträger als große Abenteuer verkaufen:

Bischöfe, die noch kürzlich die Existenz von Macht bestritten haben, schwingen sich zum Klerikalismus-Kritiker auf. Bischöfe, die das Missbrauchs-Thema für aufgebauscht hielten, sind nun zu hohen Entschädigungssummen bereit. Und Bischöfe, die erkennbar überfordert sind, kleben am Amt. […] Opportunismus wird zum Lernprozess verklärt. Und wer nicht mitgeht, bekommt zu hören: Es gibt keine Alternative.

nachgefasst: Missbrauch & Entschädigung

Seelsorge zwischen Glaube, Gewalt, Abgründen und Aufarbeitung – Interview mit Aurica Jax (frau und mutter)

Die Verantwortlichen der röm.-katholischen Kirche, insbesondere die deutschen Bischöfe, stehen seit der Veröffentlichung der MHG-Missbrauchsstudie vor genau einem Jahr massiv unter Druck. Das Ausmaß der Gewalt gegen erwachsene Frauen ist dabei bislang kaum ins Blickfeld gerückt (s. „Die vergessenen Opfer“ in der Eule von Januar 2019!).

Ende September hat im Katholisch-Sozialen Institut (KSI) in Siegburg erstmals eine Tagung stattgefunden, die sich ausdrücklich mit dem Thema Gewalt gegen Frauen in Orden und Kirche“ befasste. Schwerpunkte waren die verschiedenen Formen psychischer, geistlicher und sexueller Gewalt gegen Frauen in Kirche und Orden sowie das bislang weitgehend verdeckte Phänomen von Frauen als (Mit-)Täterinnen und -Wisserinnen.

Diese Themen müssen dringend aufgearbeitet werden, betont die Leiterin der DBK-Arbeitsstelle Frauenseelsorge, Aurica Jax, im Interview mit frau und mutter, der Zeitschrift der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (@kfd_BV):

Was mich empört, ist, dass erwachsenen Frauen immer noch unterstellt wird, sie würden schon einen gewissen eigenen Anteil an dem Erlebten haben. Das ist ein gesamt-gesellschaftliches Phänomen, in diesem Fall aber ist es besonders unchristlich. […]

Vieles gleicht dem Umgang mit der Gewalt, die Kinder und Jugendliche erleben mussten. Wichtig ist, den Opfern zu glauben! Sie brauchen unabhängige Anlaufstellen. Es muss eine strafrechtliche Verfolgung der Täterinnen und Täter geben sowie eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung. Diese beinhaltet nicht ausschließlich Zahlen- und Datenmaterial, sondern auch eine Analyse der systemischen Ursachen.

Am Geld hängt’s – Raoul Löbbert (Christ & Welt)

Die deutschen Bischöfe wollen die Opfer sexuellen Missbrauchs angeblich mit einer Milliardensumme entschädigen. Doch warum tun sie es dann nicht einfach? – fragt Raoul Löbbert (@RaoulLoebbert) in seinem Beitrag für die ZEIT-Beilage Christ & Welt (@christundwelt):

Gleichwohl der gordische Knoten sich also zu lösen scheint, braucht es doch irgendwann einen Alexander den Großen, der ihn in der Mitte mit dem Schwert durchschlägt. Eine solche Führungsfigur gibt es allerdings in der Deutschen Bischofskonferenz nicht und kann es nicht geben.

Wie alle nationalen Bischofskonferenzen besteht auch sie aus Duodezfürsten, die sich untereinander hassen und befehden. Eine Instanz, die sie zur Räson bringen könnte, ist nur in Rom vorhanden. Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ist deshalb nur ein Fürst unter vielen. Seinen Mitbrüdern kann er nichts befehlen, umgekehrt können diese ihn leicht alt aussehen lassen in der Öffentlichkeit – was sie nur allzu gerne tun.

„Kein Freikaufen“ – Interview mit P. Klaus Mertes SJ (Kölner Stadt-Anzeiger)

Pater Klaus Mertes SJ kritisiert die von der Deutschen Bischofskonferenz geplante Entschädigung für Opfer von Missbrauch durch Geistliche. Zwar täte die im Raum stehende mögliche Gesamtsumme von bis zu drei Milliarden Euro weh, die Frage sei aber: Wem?

Die Gläubigen, die keine Schuld an Missbrauch und Leitungsversagen haben, würden so zu sekundär Betroffenen des Missbrauchs. Die allermeisten tragen seit Jahren das Stigma solidarisch mit, einer fälschlich so genannten „Täterinstitution“ anzugehören. Aber hier ist eine Grenze erreicht. Zudem könnte der fatale Eindruck entstehen, die Kirchenleitung kaufe sich auf Kosten des Kirchenvolkes frei.

Hoffnung auf Entschädigung – Philipp Kessler (zeitzeichen)

Auch wenn die Details noch unklar sind: Die Opfer sexualisierter Gewalt sollen Geld bekommen. Das könnte auch für die evangelischen Landeskirchen relevant werden, schreibt Philipp Gessler (@PhilippGessler) in der zeitzeichen (@zeitzeichenNET):

Wenn es richtig ist, wie manche Fachleute vermuten, dass die Opferzahlen im Raum der EKD bei etwa einem Drittel der katholischen Zahlen liegen, müssten rund 1.000 Betroffene entschädigt werden. Auch wenn das eine sehr wackelige Schätzung ist, könnten auf die deutschen Landeskirchen ebenfalls hohe dreistellige Millionenzahlungen zukommen, sollten die voraussichtlichen katholischen Summen so hoch werden, […]. Und damit ist zugleich jetzt schon klar: Das Missbrauchsthema wird beide Volkskirchen noch Jahre beschäftigen.

Buntes: #DigitaleKirche

Zwei aktuelle Werkstatt-Berichte von Ralf Peter Reimann (@ralpe) seien hier empfohlen, zum einen vom Klausurtag „Digitalisierung“ in einer Kirchengemeinde, zum anderen von einem Skype-Gottesdienst zum 80. Jahrestag des Zweiten Weltkriegs (vgl. dazu auch die #LaTdH vom 1. September) – ganz praxisorientiert beantwortet der Internetbeauftragte der Evangelischen Kirche im Rheinland (@ekir_de) die Frage: Wie macht man es und lohnt sich der Aufwand?

Der römisch-katholische „Jugendbischof“ und Passauer Oberhirte Stefan Oster (@BischofOster) ist aktuell dabei, seine Vorbehalte für den Kurznachrichtendienst Twitter aufzugeben. Er hat bereits einen eigenen Blog und ist schon seit einiger Zeit auf Facebook und Instagram in den Sozialen Medien vertreten. Dort wird er von einem Team unterstützt, das er extra dafür aus der Bistumspressestelle rekrutiert hat (s. #LaTdH vom 7. April) .

Wie geht die Kirche mit Social Media um? – Interview mit Alexander Filipović (DOMRADIO)

Sie bringen neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen: Die sozialen Medien sind überall präsent. Auch die Kirchen nutzen sie. Und sie könnten sie noch viel mehr nutzen und sich einbringen, sagt der Medienethiker Alexander Filipović (@afilipovic) im Interview mit dem Kölner @domradio:

Ich könnte mir vorstellen, dass es unangenehm ist für die Kirchen, dass plötzlich andere Akteure – wie zum Beispiel Unternehmen oder Marken – Geschichten vom glückenden Leben, vom gelingenden Leben, von der Suche nach Sinn erzählen und uns dort Angebote machen. Das ist doch das ureigene Feld der Kirchen.

Ein Roboter, der Menschen segnet, der Auto fährt, der im OP das Skalpell führt oder in der Pflege zur Hand geht. Predigt und Seelsorge über soziale Netzwerke. Was bedeutet das alles für den Menschen? Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und „Medienbischof“ der EKD, spricht im Interview über die „Möglichkeiten und Grenzen“ der neuen Technologien in Kirche und Gesellschaft.

Die EKHN (@ekhn_de) bietet sogenannte „Sublan-Gottesdienste“ an. Sie werden live im Internet übertragen, sodass sie Menschen an unterschiedlichen Orten mitfeiern und interaktiv mitgestalten können. Eine gute Idee? Mehr dazu erfährt man im Interview mit Rasmus Bertram.

Bibel

Die Bibel führt zur Wahrheit – Heiko Kuschel (evangelisch.de)

In Blog „stilvoll glauben“ bei @evangelisch_de berichtet Heiko Kuschel (@citykirche_sw) über die interessante Idee der CSU-Ortsgruppe Karlstein, einen Abweichler in den eigenen Reihen zu finden: Obwohl die CSU 11 von 20 Gemeinderatsmitgliedern stellt, wurde nach dem Ausscheiden des bisherigen Amtsinhabers der SPD-Gegenkandidat gewählt – also mit 10 Gemeinderatsstimmen plus der Stimme des FDP-Bürgermeisters. Wer hatte da gegen die eigene CSU-Fraktion gestimmt?

In einer internen Sitzung holte ein Ortsvorsitzender eine Bibel hervor und ließ alle anwesenden Gemeinderäte auf die Bibel schwören, dass sie ihre eigene Kollegin gewählt hatten und nicht den SPD-Kandidaten. […] Dramatik pur: Tatsächlich hatten zehn der elf schon ihren Schwur geleistet, als der pensionierte Religionslehrer und Zweite Bürgermeister Richard Pfannmüller die Hand auf die Bibel legte – und sprach: „Ich schwöre, dass ich nur nach meinem Gewissen gewählt habe.“

Extra: Kirchen- und Theologiegeschichte

Am 30. September wäre Dorothee Sölle 90 Jahre alt geworden. Auf einer Erinnerungswebsite finden sich Texte u.a. von Margot Käßmann, Karin Pointner, Pierre Stutz, Ursula Baltz-Otto und Bärbel Wartenberg-Potter. Wer eine Zeitreise 50 Jahre zurück machen will, kann sich die Sendung „Zu Protokoll – Günter Gaus im Gespräch mit Dorothee Sölle“, die der SWF im Jahre 1969 ausstrahlte, bei Youtube ansehen.

Eine beeindruckende Frau: Dorothee Sölle – Birgit Mattausch (evangelisch.de)

Sölles Theologie war keine fernab des Schmerzes und der Ungerechtigkeit. Ihre Themen waren die Liebe zu Gott und das unermüdliche Eintreten für eine gerechte Welt, daran erinnert Birgit Mattausch (@FrauAuge):

Von ihr zu lernen heißt, ganz gegenwärtig zu sein – in der mehrfachen Bedeutung dieses Wortes: Gegenwärtig Zeitgenossin sein, politisch und gesellschaftlich engagiert, parteiisch für eine „Kirche für andere“. Dabei die Welt nicht akzeptieren wie sie ist. Stattdessen das für möglich halten: dass Jesu Seligpreisungen heute gelten, genau jetzt – nicht den Etablierten, den Gebildeten, Privilegierten, nicht der Kirche in ihrer verfassten Form, sondern denen am Rand. Und schließlich: im Augenblick gegenwärtig sein und Gott darin finden. Mystikerin werden, verbunden sein mit allem.

„Revolutionen kommen von links, der Putsch kommt von rechts“ – Konstantin Wecker und Anselm Weyer im Gespräch mit Christiane Florin (DLF)

Zu den Politischen Nachtgebeten von Dorothee Sölle und ihren Mitstreitern in Köln kamen Ende der 1960er-Jahre Tausende. Die Theologin verband Mystik mit politischer Aktion. Ein Buch mit dem Titel „Liturgie von links“ erinnert an diese bewegte Zeit.

Und heute? Eine Dorothee Sölle fehle mit ihrer Mischung aus Mystik und Widerstand in der Flüchtlingsdebatte, sagt der Liedermacher Konstantin Wecker im Gespräch mit Christiane Florin (@ChristianeFlori). Buchautor Anselm Weyer hält dagegen; er sieht heutzutage viel Gesinnung, aber wenig Gestaltungswillen – anders als vor 50 Jahren:

Das war eine Idee, dass man selbst als Christ aktiv werden muss. Dass man nicht irgendwo passiv hingeht, ob zu Kabarettveranstaltungen oder zu Gottesdiensten, und dann herzlich lacht oder ganz viel Geld in die Brot-für-die-Welt-Kasse tut, sondern dass man selbst aktiv wird von unten. Wenn man sagt, Dorothee Sölle fehlt heute, dann muss man sagen: Dann muss man selbst Dorothee Sölle werden und so etwas in die Kirche hineinbringen.

Ein guter Satz