Oft genug gesehn – Die #LaTdH vm 25. Juni

Haben wir uns an die Toten auf dem Mittelmeer gewöhnt? Wie bekämpfen wir die Abstumpfung? Außerdem: Streit ums römisch-katholische Geld, politische Gottesdienste und der Lambaréné-Mythos.

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Eine wilde Nachrichtenwoche liegt hinter uns. Wer kann sich nach dem russischen Putsch-Chaos gestern noch an die mit viel medialem Aufwand begleitete Rettungsaktion im Nordatlantik erinnern? Das Schicksal der verunglückten Tiefseetouristen in der „Titan“ bewegte Journalist:innen und Medienkonsument:innen und gibt Anlass, über unser Verhältnis zu (vermeintlich) tragischen Katastrophen nachzudenken. Denn das tausendfache Sterben auf dem Mittelmeer lässt uns vergleichsweise kalt. Lisa Kräher (@lkraeher) fasst die Medienfragen zu unserem Umgang mit Schiffsunglücken im Übermedien-Newsletter zusammen und auch Nils Husmann stellt in der Chrismon fest:

„[D]er Journalismus hat bei Themenwahl und Einordnung eine riesige Verantwortung. Mit Blick aufs Mittelmeer und den Nordatlantik ist es sehr fragwürdig, ob wir Medienschaffenden diesem Auftrag zurzeit nachkommen.“

Bei aller notwendigen (Selbst-)Kritik der Medien sollten wir den Anteil nicht geringschätzen, den wir als Medienkonsument:innen an diesem Aufmerksamkeitstheater, ja, an dieser Diskursverschiebung haben. Drama und Tragödien, die unserer eigenen Verantwortung entrückt sind, klicken gut. Systemische Krisen und Probleme, politische Dauerbrenner und abwendbares Leid machen uns depressiv, lassen uns verstummen und abweisend werden.

Im Eule-Interview hat der Migrationsrechtler Maximilian Pichl erst vor wenigen Tagen darauf hingewiesen, dass die „Abschottung an den Außengrenzen und Entrechtung von Geflüchteten auch unsere Gesellschaften intoleranter und illiberaler werden“ lässt, „weil wir dieses Leid als normal akzeptieren“. Wir sind, meine ich, mitten drin in dieser Dynamik. Katharina Menne (@KaetheRina16) beschreibt das in ihrem Kommentar im Magazin Spektrum der Wissenschaft so:

Überfordert uns die Anteilnahme am Schicksal anderer, blenden wir deren Pein oft kurzerhand aus und fühlen uns nicht mehr verantwortlich. Im Falle der Flüchtlinge könnte man fast schon von einem emotionalen Abstumpfungsprozess sprechen.

Die Abstumpfung zeitigt konkrete Konsequenzen: Die EU-Regierungen haben sich auf eine weitere Verschärfung und Verhärtung des Flüchtlingselends an unseren Grenzen verständigt. Ob die Abgeordneten des EU-Parlaments daran noch etwas ändern können? Auch die Spendenbereitschaft für die Seenotrettung auf dem Mittelmeer geht zurück, berichtet Pastorin Sandra Bils (@PastorSandy) von United4Rescue im Deutschlandfunk.

Sandra Bils stellt im DLF-Interview fest: „Wir haben uns an die Toten im Mittelmeer gewöhnt“. Das anzuerkennen, bedeutet den ersten Schritt zu erneuerter Verantwortungsübernahme. Ohne diese wird jede Medien- und Regierungskritik hohl. Von ihrem ehrenamtlichen Engagement für die Unterstützung der Seenotrettung auf dem Mittelmeer erzählte Bils im März diesen Jahres auch in unserem „EHRENSACHE“-Podcast. Und mir kommen Worte aus Gerhard Schönes Lied „Mann o Mann“ (Spotify) in den Sinn:

Gestern musstest du erbrechen
Als im Fernsehen einer starb
Weil er nichts zu essen hatte
Was dir den Appetit verdarb
Heute kannst du weiterlöffeln
Und gesättigt schlafen gehn
Denn du hast das fremde Elend
Ja nun oft genug gesehn

Mann oh Mann, irgendwann
Gewöhntest du dich dran

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

„Told ya‘ so!“„Das hab ich Dir doch gesagt!“ könnte man angesichts des Kuddelmuddels um die Finanzierung des Synodalen Ausschusses in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland ausrufen. Erst vor wenigen Wochen sind wir hier in den #LaTdH auf den damals noch dräuenden Konflikt zwischen einigen „Oberhirten“ und dem Rest der Bischofskonferenz ums liebe Geld eingegangen. Wie schon seit einer Weile bekannt, haben vor allem die (Erz-)Bischöfe Rainer Maria Woelki (Köln), Rudolf Voderholzer (Regensburg), Stefan Oster (Passau), Gregor Maria Hanke (Eichstätt) und Bertram Meier (Augsburg) große Vorbehalte gegenüber dem Syndodalen Ausschuss (und Rat). Sie hatten bereits in Rom nachgefragt, ob sie da überhaupt mitmachen müssen. Daraufhin hatte es aus Rom eine Klarstellung darüber gegeben, dass auf dem Synodalen Weg niemand die Befugnis habe, neue kirchenleitende, tatsächlich mitbestimmende Organe zu schaffen.

Woelki, Voderholzer, Oster und Hanke haben nun, wie Anfang des Monats bereits geunkt wurde, ihre Zustimmung zur gemeinschaftlichen Finanzierung des Synodalen Ausschusses aus Mitteln des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) verweigert. Die KNA (@KNA_Redaktion) berichtet:

Weil die Mittelvergabe über den VDD einstimmig erfolgen muss, werde nun nach alternativen Finanzierungsmodellen gesucht, erklärte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) nach einer Sitzung des Ständigen Rates der Bischöfe in Berlin. Die erste Sitzung des Synodalen Ausschusses solle aber wie vorgesehen am 10. und 11. November stattfinden.

Die vier Bischöfe, die nicht mitmachen, wollen zunächst die Ergebnisse der Weltsynode im Oktober 2023 und Oktober 2024 im Vatikan abwarten. Die bereits beschlossenen Texte des deutschen Synodalen Weges sollten ins Gespräch mit Rom und in den vom Papst initiierten synodalen Prozess der Weltkirche eingebracht werden.

Zur Erinnerung: Es geht um eine „höhere sechsstellige Summe“, die für den Synodalen Ausschuss in den VDD-Haushalt eingestellt werden sollte. Für zwei Tagungen eines 74-Personen-Kreises plus Gefolge. Wie teuer der Synodale Weg bisher tatsächlich war, teilt die Bischofskonferenz übrigens anhaltend nicht mit: Im VDD-Haushalt sind die Kosten nämlich unter dem Posten „Nachwirkungen der MHG-Studie“ verstaut, wie auch Anerkennungsleistungen an Missbrauchsbetroffene und weitere der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals geschuldete Summen.

Warum die Bischöfe nicht mitziehen

Neben dem Synodalen Prozess der Weltkirche, der im Herbst mit dem ersten Teil der „Weltbischofssynode“ im Vatikan fortgesetzt wird (das Arbeitsdokument wurde diese Woche veröffentlicht) wird von den abstinenten Bischöfen auch die mangelnde Verfasstheit des zukünftigen Synodalen Ausschusses zur Begründung ihrer Entscheidung angeführt:

„Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt mit viel Geld und Aufwand ein weiteres Gremium einrichten würden, dessen Kompetenzen alles andere als klar sind – um am Ende festzustellen, dass wir es so nicht machen können.“

Die Problematik dieser „Offenheit in die Zukunft“ hinein, habe ich in den #LaTdH vom 4. Juni bereits diskutiert. Ihre Entscheidung zur Nicht-Finanzierung begründen die Bischöfe Oster, in einem „Interview“ auf der Bistums-Website, und Voderholzers Bistum Regensburg, mit einem Text von Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml, auch jenseits der üblichen Medienkanäle.

Oster erklärte, sein „Nein“ sei eine „Gewissensentscheidung“ gewesen, eine Formulierung, die vom Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller (@tschueller61) als „schändlich“ zurückgewiesen wurde. Mit seiner emphatischen Berufung auf Papst Franziskus allerdings könnte Oster wohl doch stärker auf Linie des Kirchenvolkes liegen, als den Reformer:innen lieb sein wird. In der Eule erinnerte der (damals noch nicht emeritierte) Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke bereits 2020: „Auch die Gläubigen können sich ihre Kirche ohne Papst nicht vorstellen“.

Überhaupt ist Lüdecke in diesen Tagen ein wertvoller Stichwortgeber. In seinem Buch „Die Täuschung“ von 2021 (Eule-Interview zum Buch hier) beschreibt er nämlich die (zeit-)geschichtlichen Hintergründe des komplizierten Miteinanders von Bischöfen und Laien, Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die im VDD auf so eigentümliche Weise verbunden sind. Auch das ZdK selbst steht in direkter finanzieller Abhängigkeit von den Bischöfen. Die Zuschüsse des VDD von 2,45 Millionen Euro bildeten 2022 94 % der Einnahmen des ZdK.

„Die Kirchensteuermittel sind nicht das Geld der Bischöfe“ (ZdK)

Der Hauptausschuss des ZdK äußerte am Freitag scharfe Kritik an der Nicht-Freigabe der Mittel für den Synodalen Ausschuss durch den Ständigen Rat der Bischofskonferenz:

Der Hauptausschuss stellt klar, dass die Kirchensteuermittel nicht das Geld der Bischöfe sind. Das Entscheidungsmonopol der Bischöfe über die Kirchensteuer muss beendet werden. Bischöfe haben die Machtkarte ausgespielt. Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden.

Die so entschieden wirkenden Worte machen zunächst einmal die Ohnmacht der Laien in dieser Frage transparent. Auf Ebene der Diözesen nehmen Lai:innen zwar in den Diözesankirchensteuerräten an Entscheidungen über die Verwendung von Kirchensteuermitteln teil, auf Ebene des VDD fehlt ein solches Mitwirkungsgremium hingegen. Man möchte meinen, das wäre dereinst einmal eine Aufgabe für einen Synodalen Rat der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. Ein solches Budgetrecht aber ist den Katholiken womöglich zu parlamentarisch oder – horribile dictu – zu evangelisch.

Warum haben die Schweizer KatholikInnen und Katholiken selbstverständlich das vorrangige Recht auf Verteilung der überwiegenden Kirchensteuermittel – und in Deutschland liegt es wie gottgegeben bei den Ortsbischöfen?

… fragt darum Christoph Strack (@Strack_C) von der Deutschen Welle auf Twitter. Ohne die Debatte direkt auf das Körperschaftsrecht, die Konkordate oder weltkirchliche Gepflogenheiten abzulenken, könnte gefragt werden, welche Form der Entscheidung über die Kirchensteuerverwendung eigentlich einer Kirche entspräche, die Papst Franziskus zufolge Synodalität zur zentralen Lebensäußerung haben soll.

Der Weg zu mehr Synodalität stellt neben der bischöflichen Macht auch die bisherigen Strukturen der Laien-Bewegung und -Mitwirkung in Deutschland in Frage. Das scheint mir in der öffentlichen Debatte von den Reformer:innen noch nicht ausreichend genug antizipiert worden zu sein. Weder die Mitglieder der Diözesankirchensteuerräte noch die des ZdK können von allen Kirchenmitgliedern gewählt werden. Das ZdK ist, wie auch die Versammlungen von Synodaler Weg und Synodaler Ausschuss, keine Synode.

Vielleicht könnte man sich also vom Playbook des Deutschen Bundestages oder der „Letzten Generation“ inspirieren lassen: Ein Bürger:innenrat zur Klärung der Frage, für welche Zwecke und auf welchem Wege die Kirchensteuern der römisch-katholischen Gläubigen in Zukunft eingesetzt werden sollen, könnte eine deutlich breitere Basis schaffen, als es Bischofskonferenz und ZdK möglich ist. An dessen Empfehlungen können sich die Bischöfe dann ja wieder nach eigenem Gutdünken („Gewissensentscheidung“) selbst binden.

Oder aber man nimmt sich zu Herzen, was der katholische Soziologe und Mitgründer der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld, Franz-Xaver Kaufmann, aus Norbert Lüdeckes „Die Täuschung“ hier in der Eule herausgelesen hat:

Wenn ihr eine für unsere Zeit glaubwürdige Kirche wollt, müsst ihr dickere Bretter bohren, als sich den Forderungen anzuschließen, die die gängige Theologie zu bieten hat. […] Historisch betrachtet ist die Struktur der römisch-katholischen Kirche nicht von biblischem Geist, sondern vom vorchristlichen römischen Rechtsdenken und Hierarchieverständnis geprägt.

nachgefasst

Zehn Überzeugungen zu Flucht und Integration – Aus evangelischer Sicht (EKD)

Zurück zur Flucht- und Migrationspolitik: In diesen Tagen hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine aktualisierte Neuauflage ihrer „Zehn Überzeugungen zu Flucht und Integration“ (PDF) veröffentlicht. Mit diesen Überzeugungen unter dem Arm versuchen evangelische Akteur:innen in Brüssel und Berlin Einfluss auf die Politik zu nehmen. Bisher in dieser Frage wenig erfolgreich. Die kurze Handreichung aber ist auch zur Orientierung von Christ:innen und Gemeinden gedacht – und vielleicht auch ein Hilfsmittel für schwierige Diskussionen im Bekannten- und Gemeindekreis.

Bei evangelisch.de, der Online-Sammelstelle des Gemeinschaftswerks der evangelischen Publizistik (GEP), dem Medienwerk der Evangelischen Kirche, hat der Theologe Alexander Maßmann die gegenwärtige Diskussion um das europäische Asylsystem noch einmal zusammengefasst. Auch dieser Text ist als Grundlage einer versachlichten Debatte unter Christ:innen geeignet. Im Eule-Interview von vor zwei Wochen hat der Rechts- und Politikwissenschaftler Maximilian Pichl (s.o.) die Problematik bereits pointiert dargestellt.

Missbrauch im Bistum Aachen: Im Beichtstuhl, in der Sakristei, beim Ausflug nachts im Zelt – Oliver Schmetz und Marlon Gego (Aachener Zeitung)

Immer wieder berichtet die Aachener Zeitung (@aachenerzeitung) ausführlich und detailliert über den Skandal des Missbrauchs und der sexualisierten Gewalt im Bistum Aachen. Das ist vorbildlich, auch im Blick auf andere Regionen und deren Medien. Die Aachener Zeitung nennt dabei auch die Namen von Missbrauchstätern. Hintergrund dessen ist, dass sich bei Bekanntwerden von Missbrauchsfällen und -Tätern regelmäßig weitere Betroffene melden. Im aktuellen Artikel geht es vor allem um den 2005 verstorbenen Pfarrer Hans Peter Menke. Wie Oliver Schmetz und Marlon Gego präzise zeigen, reicht der Schatten seiner Verbrechen bis in unsere Tage.

Buntes

Mit dem 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag sind wir hier in der Eule und womöglich auch die Kirchen in Deutschland noch nicht fertig. Die Schlusspredigt von Pastor Quinton Ceasar hat ja den Christ:innen einige Aufgaben und Stärkung für den Streit um mehr Diversität mitgegeben. Eine Debatte, die wir in der Eule sicher erneut aufnehmen werden. Der „Debatte“ der #LaTdH von vergangener Woche zur Predigt von Ceasar füge ich hier nur den Hinweis auf Horst Gorskis zeitzeichen-Analyse der Predigt aus „system- und kommunikationstheoretische“ Perspektive hinzu:

Klima, Kriege, Flüchtlinge, globale Wirtschaft, Digitalisierung. Kein Metathema ohne die Furcht vor Kontrollverlust beziehungsweise Kontrollüberschuss. Noch weiß vermutlich niemand, wie die Institutionen der evangelischen Kirchen darauf reagieren und sich verändern werden. Sicher ist nur, dass sie reagieren und sich verändern müssen. Kaskadenartige Leitungsstrukturen top-down werden von Netzwerklogiken unterlaufen. Auch dies ist möglicherweise ein Element, dass diese Predigt zum popkulturellen Phänomen macht: Sie wirkt wie ein Wetterleuchten des Kommenden am Horizont, bedrohlich und verheißungsvoll.

WTF?! (23): Rückblick auf den Kirchentag 2023 – Michael Greder (Die Eule)

Bei Podcast-Host Michael Greder (@HerrPfarrerin) habe ich am Freitag einen Rückblick auf den Kirchentag in Nürnberg gewagt. Wir haben über die thematischen und spirituellen Schwerpunkte des Kirchentages, Kritik an den Podien und der Politprominenz, und am Ende natürlich auch über Ceasars Predigt gesprochen. Alle weiteren Eule-Beiträge zum Kirchentag finden sich hier.

Als Katholik auf dem Kirchentag – Louis Berger (Die Eule)

Als Mitarbeiter der Multimedia-Redaktion des Kirchentages hat Louis Berger (@ajournomento) am Evangelischen Kirchentag trotz römisch-katholischen Bekenntnisses teilgenommen. Was Kirchen- und Katholikentage für die Zukunft vom 38. DEKT in Nürnberg und Fürth lernen können, hat er in dieser Woche hier in der Eule aufgeschrieben:

Wenn der Kirchentag nicht wie die „Legio Mariae“ als anachronistische Attraktion enden will, muss er den Mut aufbringen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das kann sowohl bedeuten die eigene Blase zu verlassen als auch wieder mehr Selbstbeschäftigung im Modus der Selbstkritik zuzulassen.

Theologie

Wie politisch darf ein Gottesdienst sein?

Im Domradio des Erzbistums Köln wurde in dieser Woche darüber diskutiert, wie personal- und kirchenpolitisch die Liturgie sein sollte. An der Diskussion vordergründig beteiligt: Der Politikwissenschaftler und Publizist Andreas Püttmann (@Puettmann_Bonn) und der Erfurter Professor für Liturgiewissenschaft Benedikt Kranemann. Anlass der Debatte ist die Absage eines Auftritts des Kölner Erzbischofs Kardinal Rainer Maria Woelki bei der Aaachener Heiligtumsfahrt (s. #LaTdH von vergangener Woche).

Aber es spricht nichts dagegen, sie als Impuls in ökumenischer Verbundenheit auch in die evangelische Diskussion um den Schlussgottesdienst des Kirchentages mit der Predigt von Pastor Quinton Ceasar einzubringen. Kranemann hält z.B. fest, dass die Liturgie und die an ihr (nicht-)beteiligten Personen schon immer auch eine politische Botschaft transportieren, die bestehen bleibt, gerade auch wenn konservative Akteure sich gegen neue politische Vereinnahmungen zur Wehr setzen. Hilfreich auch dieser Gedanke von ihm.

Wir haben natürlich ein Problem in vielen Gemeinden, an vielen Orten, dass die Liturgie möglicherweise der einzige Ort ist, wo Gemeinde überhaupt zusammenkommt und über solche Themen diskutiert und streitet. Dann erklärt sich auch, warum solche Dinge im Gottesdienst abgebildet werden. […] Im Gottesdienst ist Schöpfung Thema, im Gottesdienst sind ja letztlich auch Menschenrechte Thema. Dass dann solche Fragen mit in den Gottesdienst hineingebracht werden, das ist etwas ganz Natürliches und irgendwie auch Sinnvolles. […]

Problematisch wird es, wenn politische Auseinandersetzung im Gottesdienst ausgetragen wird und der Gottesdienst ja letztlich auch gar nicht den Ort bietet, um diese Dinge diskutieren zu können, um sie erörtern zu können. Also müsste man vor dem Gottesdienst oder nach dem Gottesdienst den Raum haben, solche Dinge zu diskutieren.

Mit Kranemanns (und Püttmanns) Gedankengängen korrespondiert auch das Gespräch, das ich zu Anfang des Jahres mit Kranemann im Eule-„WTF?!“-Podcast geführt habe. Nachhörenswert!

Der beste deutsche Tropenwald, den es je gab – Andreas Eckert (MERKUR)

Andreas Eckert, Professor für die Geschichte Afrikas an der Humboldt-Universität zu Berlin, schreibt im MERKUR (@redaktionmerkur) über Albert Schweitzer, Lambaréné und den Kolonialismus, über Urwald-Semantik und White-Saviour-Mythen. Seine Kritik des „rassistischen Paternalismus“ Schweitzers dürfte all jenen einen Dämpfer geben, die sich heute auf das wirklich vielfältige Gesamtwerk des Theologen, Arztes und Pazifisten beziehen wollen. An Eckerts Ausführungen zur Funktion Schweitzers im deutschen Gedächtnistheater sollte man nicht vorbeigehen.

Gleichwohl scheint mir Schweitzers Werk, wie auch Eckert feststellt, nach seinem Tod gründlich in Vergessenheit geraten zu sein. Jedenfalls alles jenseits des Lambaréné-Mythos. Vielleicht wollen wir es angesichts von Klimakrise und Flüchtlingselend doch noch einmal mit der „Ehrfurcht vor dem Leben“ versuchen?

Ein guter Satz

„Wenn die Bischöfe aber etwas gegen das Evangelium lehren, festsetzen oder einrichten, haben wir Gottes Befehl, in einem solchen Fall nicht gehorsam zu sein.“

– aus dem 28. Artikel der Confessio Augustana (CA), dem Augsburgischen Bekenntnis, dessen Gedenktag der 25. Juni ist. Das Motto der CA ist wie für unsere Zeit geschrieben: „Ich rede von deinen Zeugnissen vor Königen und schäme mich nicht.“ (Ps 119,46)