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Opferkonkurrenz – Die #LaTdH vom 5. Februar

Die Kirche weitet am Holocaust-Gedenktag das Erinnern an die Opfer des nationalsozialistischen Deutschlands aus – und will Verantwortung übernehmen. Außerdem: UKA-Zahlen und ein Menetekel.

Herzlich Willkommen!

Manchmal werden die Kirchennachrichten-Wochen lang. In der heutigen Ausgabe der #LaTdH greife ich darum auf den Freitag der vergangenen Woche zurück, nicht nur was das Interview des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing (Limburg), zum Synodalen Weg angeht (s. nachgefasst).

Der 27. Januar ist in Deutschland seit 1996 offiziell der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Dass in diesem Jahr am Jahrestag der Befreiuung von Auschwitz durch die Rote Armee der Fokus des offiziellen Erinnerns auf andere Opfergruppen außer den Juden geweitet wurde, gibt Anlass zu Diskussionen, die im besten Falle dazu führen, das Wissen um die deutschen Verbrechen während der Zeit des Nationalsozialismus zu vertiefen und den Opfern angemessen zu gedenken.

Die Kirchen sind wegen ihrer eigenen Verstrickung in den NS-Staat und aus christlicher Verantwortung heraus als Akteurinnen sowohl beim offiziellen staatlichen Gedenken präsent – Teil des nicht zu Unrecht vor allem von Juden kritisierten „Gedächtnistheaters“ – als auch mit eigene Initiativen bemüht, sich ihrer Schuldgeschichte zu stellen. Andere Opfergruppen nicht aus dem Blick zu verlieren, sie sogar vermehrt und intensiver wahrzunehmen, bedeutet nicht, die Schuld an der Shoah und die Verantwortung gegenüber den Juden zu verdrängen. Christsein heute geht nur im Angesicht des Judentums.

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

„Es ist gefährlich zu glauben, wir hätten ausgelernt“, erklärte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) während der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag (YouTube) am vergangenen Freitag. Erstmals wurde besonders an die Verfolgung von queeren Menschen in der NS-Zeit erinnert.

Denn das Ende des Nationalsozialismus sei noch kein Ende der staatlichen Verfolgung für diese Opfergruppe gewesen. Vor allem schwule Männer waren auch nach dem Ende der NS-Diktatur massiv bedroht durch den Paragrafen 175 Strafgesetzbuch.

Der sogenannte „Schwulen-Paragraf“ wurde im Deutschen Kaiserreich eingeführt und stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Die Verschärfung des Gesetzes erfolgte 1935 unter dem Nazi-Regime. Nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurden während der NS-Diktatur aufgrund des Paragrafen 175 bis zu 50.000 Männer inhaftiert, etwa 15.000 kamen in Konzentrationslager. Viele von ihnen starben infolge von Zwangsarbeit und den unmenschlichen Bedingungen in den Lagern.

Es sprach die Holocaust-Überlebende Rozette Kats, die „1942 in einer jüdischen Familie geboren, bei einem Ehepaar in Amsterdam überlebte, das sie als ihr eigenes Kind ausgab“. Ihre leiblichen Eltern wurden in Auschwitz ermordet. „Erst später im Leben nahm sie ihre wahre jüdische Identität an. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Biographie setzt sie sich auch für sexuelle Minderheiten ein.“

Weil die Opfer der Verfolgung von Homosexuellen während des Nationalsozialismus bereits vielfach verstorben sind, erinnert der Bundestag mit einem ungewöhnlichen Programm an deren Leiden:

Im weiteren Verlauf der Gedenkstunde wird die nationalsozialistische Verfolgung sexueller Minderheiten anhand zweier Lebensgeschichten vorgestellt. Der Schauspieler Jannik Schümann wird einen Text über Karl Gorath (1912-2003) lesen. […] Die Schauspielerin Maren Kroymann wird einen biographischen Text zu Mary Pünjer (1904-1942) vortragen. […] Im letzten Teil der Gedenkstunde wird Klaus Schirdewahn als Vertreter der queeren Community das Wort ergreifen. Er wird – vor dem Hintergrund seiner Verhaftung 1964 nach dem §175 – über die Bedeutung des Gedenkens an die im Nationalsozialismus verfolgten sexuellen Minderheiten sprechen.

Erinnerung und Opferkonkurrenz – Klaus Hillenbrand, Charlotte Wiedemann und Stefan Reinecke („Bundestalk“, taz, 65 Minuten)

Im taz-Podcast „Bundestalk“ sprechen die JournalistInnen Klaus Hillenbrand und Charlotte Wiedemann (@chawichawi) bei Stefan Reinecke anlässlich des Gedenkens über die Ambivalenzen, die das Gedenken an weitere Opfergruppen mit sich bringt. Es ist ein nachdenkliches Gespräch, das sowohl auf verschiedene NS-Opfergruppen eingeht als auch den Blick auf post-kolonialistische Debatten weitet.

Dass es sehr wohl möglich ist und angesichts neuer Gefährdungslagen auch angeraten, allen Opfern des nationalsozialistischen Deutschlands zu gedenken und damit vor einer Wiederholung der Schrecken zu warnen, hat die Rede von Rozette Kats bewiesen. Auch sie wies, wie auch die taz-Gesprächsrunde, auf das Schicksal der Menschen hin, die als sog. „Asoziale“ verfolgt wurden. Deren Stigmatisierung setzte sich – wie die von Homosexuellen – nach dem Ende des Nationalsozialismus fort. „Für die sogenannten Asozialen gibt es kein Denkmal“, berichtete 2015 Ann-Kathrin Büüsker (@uedio) im DLF, die meisten Opfer wurden nie entschädigt.

Angesichts dessen, dass viele Menschen als „Mehrfach-Verfolgte“ ins Visier der Nazis gerieten, dürften „Opferkonkurrenzen“ eigentlich überflüssig sein. Erst recht steht es den Nachkommenen der Täter, also der deutschen Mehrheitsgesellschaft, nicht zu, über den Wert von Opfern zu befinden. Von einer „Täterkonkurrenz“ habe ich jedenfalls noch nicht gehört. Im Blick auf andere Genozide bedeutet das für mich: Die Singularität der Shoah zeigt sich auch in dem Ausmaß, in dem das deutsche Volk und signifikante Teile der Bevölkerungen der von den Deutschen besetzten Länder Osteuropas am Morden beteiligt waren. Das verpflichtet uns als Nachfahren.

Queeres Gedenken im Bundestag: Mitinitiator Lutz van Dijk im Gespräch (NDR Kultur, ARD-Audiothek, 26 Minuten)

Im Gespräch bei NDR Kultur erklärt Lutz van Dijk, auf dessen Engagement das offizielle Gedenken in diesem Jahr zurückgeht, weitere Hintergründe. Und queer.de (@queer_de) weist noch einmal darauf hin, dass ein Gedenken an die homosexuellen Opfer des NS in dieser Form lange verhindert wurde.

Kälte und Schweigen – Philipp Gessler (zeitzeichen)

Mit einem eigenen Gedenkgottesdienst und einer Gedenkfeier am vergangenen Sonntag im Berliner Dom erinnerte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Kooperation mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma an das Schicksal der im NS verfolgten Sinti und Roma. Von der Veranstaltung berichtet Philipp Gessler für die zeitzeichen (@zeitzeichenNET):

„Es ist sicherlich nicht zu hoch gegriffen, wenn ich es als ‚historisch‘ bezeichne, dass der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland heute anlässlich des Internationalen Holocaust Gedenktages diese Erklärung zur Ächtung von Antiziganismus und zur Zusammenarbeit mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma abgibt“,

erklärte Zentralratspräsident Romani Rose im Anschluss an die Predigt (Volltext) der Bevollmächtigten der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Anne Gidion. Sie hatte zuvor die Schuldgeschichte der Kirche auf den paradigmatischen Satz gebracht: „Die Kirche war keine Schwester für die Verfolgten und Gedemütigten, keine Hüterin.“

Mit der Gemeinsamen Erklärung stellt sich die Evangelische Kirche einem Teil ihrer Geschichte, die Romani Rose prägnant so zusammenfasst:

„Auch unsere Kirchen stehen mit ihrer Geschichte in einer besonderen Verantwortung. Der Beitrag der protestantischen wie auch der katholischen Kirche zu den Maßnahmen des NS-Regimes, nämlich der Ausgrenzung, Erfassung und Deportation bis hin zur Vernichtung unserer Menschen, muss weiter erforscht werden.“ […]

„Wir Sinti und Roma in Deutschland waren schon immer Christen, aber unsere christlichen Kirchen haben uns im Stich gelassen und jeglichen Schutz verweigert, als SS und Gestapo Sinti und Roma abholten und in die Vernichtungslager deportierten.“

Als „Armutszeugnis“ wertet Benjamin Lassiwe (@lassiwe) hingegen in der Glaube + Heimat (@glaubeundheimat), dass keines der 15 Mitglieder des Rates der EKD, der die „Erklärung des Rates der EKD zur Zusammenarbeit mit Sinti und Roma“ (PDF) ja verabschiedet hatte, beim Gedenken anwesend war:

Letzlich laufen die Ratsmitglieder so Gefahr, die kirchenhistorische Bedeutung des von ihnen beschlossenen Papiers zu verwässern. Und das wäre schade. Denn es war nicht nur gut und wichtig, dass die Erklärung nun endlich kam. Es war auch ein wichtiges Signal dagegen, dass der Völkermord an den Sinti und Roma noch immer aus dem Bewusstsein der Mehrheitsgesellschaft verdrängt ist. Es hätte mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt.

„Kälte und Schweigen“ sind nicht allein Vergangenheit, sondern drohen auch heute die Oberhand zu behalten. Wenn Max Czollek (@rubenmcloop) zu den Diskussionen um den diesjährigen 27. Januar sagen kann „Lasst das mal mit der Opferkonkurrenz bitte. Es ist genug Trauer für alle da“, dann ist damit die Perspektive der Opfer, um die es gehen soll, angesprochen. Aus der Perspektive der Nachfahren der Täter stellt sich die eigentlich noch viel unbequemere Frage, ob auch genug Aufmerksamkeit und Aufklärungswille für alle Opfergruppen da ist.

Darum ist es gut, wenn die Kirchen das offizielle, staatlich ritualisierte Gedenken durch eigene Schwerpunktsetzungen ergänzen und herausfordern: Sei es die Bitte um Vergebung für die Diskriminierung queerer Menschen, wie 2021 durch EKBO-Bischof Christian Stäblein (@chrstaeblein), oder nun die Vertiefung im Erinnern und gemeinsamen Tun mit Sinti und Roma. Ihre Aufgabe könnten die Kirchen beim Gedenken auch weiterhin vor allem darin finden, bisher unterbelichtete Aspekte der Verfolgung während des NS ins Licht der Öffentlichkeit zu stellen. Das bedeutet zunächst, sich der eigenen Schuldgeschichte zu stellen. Nicht nur bei Gedenkfeiern, sondern in der kirchlichen Praxis – in den Gemeinden, im Religionsunterricht und bei der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter:innen.

nachgefasst I: Anerkennungsleistungen in der röm.-kath. Kirche

Am Freitag berichteten VertreterInnen der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) der Deutschen Bischofskonferenz von ihrer Arbeit im vergangenen Jahr (Tätigkeitsbericht als PDF). Der große Berg an Anträgen, der sich im Jahre 2021 aufgetürmt hatte, wurde weitgehend abgearbeitet.

Inzwischen arbeitet die UKA in vier Kammern, 11 Mitarbeiter:innen arbeiten den Kommissionsmitgliedern in einer Geschäftsstelle zu. Ingesamt wurden Betroffenen sexuellen Missbrauchs in der röm.-kath. Kirche inzwischen 40,8 Millionen Euro an Anerkennungsleistungen zugesprochen, 87 % der Anträge erledigt. Im Jahr 2022 wurden 1809 Fälle zum ersten Mal entschieden (insg. 27,22 Millionen Euro) und 50 sog. „Ziffer 12“-Fälle (805 500 Euro). Im April 2022 wurde mit der Bearbeitung dieser Wiederaufnahmen von Verfahren begonnen.

Die Kritik von Betroffenenbeiräten bei der Deutschen Bischofskonferenz wie Johannes Norpoth an der „Intransparenz der Verfahren“ und der „geringen Höhe“ der Einzelleistungen bleibt allerdings bestehen, obwohl durch die Aufstockung der Kommission und beim Widerspruchsverfahren Verbesserungen erzielt werden konnten (s. Kommentierung von letztem Jahr).

Die Bischöfe – und mit ihnen die UKA, die sich an deren Vorgaben halten muss – halten an der individuellen Zusprechung von Anerkennungsleistungen und damit an Einzelfallprüfungen fest. Betroffene kritisieren diese Verfahren als intransparent und als systemisches Risiko der Retraumatisierung. Ob eine pauschale „Anerkennung des Leids“ eine bessere Variante, ja „angemessene Entschädigung“ darstellen würde, ist Gegenstand intensiver Diskussionen.

nachgefasst II: Synodalität

Bätzing über Franziskus: Kirchenführung durch Interviews fragwürdig – Felix Neumann (katholisch.de)

Bei katholisch.de (@katholisch_de) fasst Felix Neumann (@fxneumann) die wichtigsten Aussagen von Bischof Georg Bätzing in seinem Interview bei Lucas Wiegelmann (@wiegelmann) in der der WELT (€) vom 27. Januar zusammen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gesteht deutlich den Dissens im Synodalitäts-Verständnis zwischen Papst Franziskus und der Bischofsmehrheit in Deutschland ein. Benedikt Heider (@_DerHeidi_) hatte in die katholische Definitionen von Synodalität hier in der Eule bereits im September 2021 eingeführt (eine kürzere Version davon findet sich seit dieser Woche bei katholisch.de). Hier in der Eule hatte ich einmal grundsätzlich versucht zu erklären, was „Synode“ in den großen Kirchen hierzulande eigentlich meint.

Interessant am Bätzing-Interview ist vor allem, dass er öffentlich eine „Rückfalloption“ ins Spiel bringt für den Fall, dass aus dem „Synodalen Rat“, dem auf Dauer gestellten Nachfolgeformat des Synodalen Weges, nichts wird – so wie es Papst Franziskus und die Kardinäle ja zuletzt angeordnet hatten (s. #LaTdH von vergangener Woche). Dann solle die „Gemeinsame Konferenz“ von DBK und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) mit weiteren Kompetenzen ausgestattet werden, soweit es das Kirchenrecht eben zuließe. Ob nun ausgerechnet diese Kammer, bestehend aus Bischöfen und Mitgliedern der von ihnen finanziell abhängigen organisierten Laienschaft, eine Lösung darstellt, ist wohl einfach eine Frage dessen, welches Problem man denn eigentlich lösen will.

Dem Vorwurf von Papst Franziskus, beim Synodalen Weg handele es ich um eine Elitenveranstaltung, widmet sich in einem „Einwurf“ bei der Herder Korrespondenz (@HK_Aktuell) deren Redakteur Benjamin Leven (@levenbj). Der Synodale Prozess des Papstes stünde im Vergleich nicht besser da, meint er:

Hierzulande soll der Anteil der Katholiken, die sich an den Konsultationen zur Weltsynode beteiligt haben, im „untersten einstelligen Prozentbereich“ liegen – und selbst das dürfte noch eine sehr optimistische Schätzung sein. Es wird sich zeigen, ob bei einem Verfahren, bei dem Versammlungen kirchlicher Funktionseliten im Pingpong-Verfahren Zusammenfassungen von Zusammenfassungen von Zusammenfassungen produzieren, am Ende nicht einfach nur diejenigen Parolen als volonté generale präsentiert werden, die der Papst und seine Hoftheologen vorher ausgegeben hatten.

„Pingpong-Verfahren“ nennt Leven, was Benedikt Heider (s.o.) das „Stille-Post-Spiel guter Katholik:innen“ nennt. Die Methode hat der inzwischen emeritierte katholische Kirchenrechtler Norbert Lüdecke (Eule-Interview) auf die kreativen Begriffe „Beteiligungssimulation“ oder „Dialog-Attrappe“ gebracht. An dieser Stelle weise ich gerne noch einmal auf den Artikel „Was wir von Norbert Lüdecke lernen können“ von Franz-Xaver Kaufmann vom September 2021 hier in der Eule hin.

Buntes

This Controversial German Bishop May Soon Be Vatican’s Doctrinal Head – Jonathan Liedl (NCR, englisch)

Lust auf ein paar vatikanischen Flurgespräche? Der National Catholic Register, das etwas feinere, intellektualisierte Medium im rechtskatholischen ETWN-Medienimperium, spekuliert darüber, dass der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer (@BistumHi) neuer Chef des Dikasteriums für die Glaubenslehre (früher: Glaubenskongregation, noch früher: Heiliges Offizium, noch viel früher: Inquisition) werden soll. Jedenfalls betreibe Papst Franziskus diese Personalie nach dem Tod von Kardinal George Pell jetzt wieder engagierter, ist sich der Register sicher.

Wilmer soll tatsächlich als einer der wenigen deutschen Bischöfe – erst recht unter den sog. liberalen – regelmäßig das Ohr des Papstes haben. Aber ob er sich einen dezidierten Befürworter einer neuen Sexualmoral und theologischer Umbauarbeiten angesichts des Missbrauchs in diesem zentralen Amt der Kurie leisten will und kann, darf doch arg bezweifelt werden. Als ein weiterer Kandidat für die Neubesetzung des Amtes des schon aus Altersgründen wohl bald ausscheidenden Luis Ladaria wird immer wieder der jetzige Generalrelator der Bischofssynode über Synodalität (2023 & 2024, s. nachgefasst II) Erzbischof Jean-Claude Hollerich von Luxemburg genannt.

„Angriffe auf Franziskus werden zunehmen“ – Interview von Matthias Altmann mit Marco Politi (katholisch.de)

Deutlich weniger reißerisch und für gewöhnlich hervorragend informiert berichtet Marco Politi seit vielen Jahren über den Vatikan. Im katholisch.de-Interview bei Matthias Altmann erklärt er, warum seit dem Tod von Papst emeritus Benedikt XVI. scheinbar so viele Dämme brechen, was die lautstarke Kritik an Franziskus angeht.

Frage: Erwarten Sie jetzt einen entschlosseneren Franziskus – oder einen vorsichtigeren?

Politi: Bestimmt fühlt sich Franziskus in gewisser Hinsicht vom Schatten des „anderen Papstes“ befreit. Das sieht man auch an der entschlossenen Weise, in der er jetzt gesagt hat, dass Homosexualität kein Verbrechen ist und dass in diesem Sinne auch gewisse Bischöfe sich bekehren sollen.

Im Großen und Ganzen wird aber Franziskus in den nächsten Jahren versuchen, dass sich der innerkirchliche Konflikt nicht ausbreitet. Er hat versucht, den Weg zu einem Frauendiakonat zu erleichtern, aber die erste Kommission dazu war total gespalten. Wenn es so einen vertikalen Konflikt gibt, bleibt Franziskus stehen, wie man auch bei der Amazonas-Synode gesehen hat. Deshalb wird sich Franziskus wohl vorsichtig bewegen und schauen, ob er für andere Reformen eine Mehrheit in der Kirche hat. Denn der Papst ist kein autokratischer Alleinherrscher mehr, der alles entscheiden kann. Diese Zeit ist schon längst vorbei.

Theologie

Menetekel – Andreas Mertin (tà katoptrizómena)

In der frischen Februar-Ausgabe des Magazins für Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik tà katoptrizómena schreibt Co-Herausgeber Andreas Mertin über den „Mönch von Lützerath“. Der „Klima-Mönche“ hat hier in der Eule schon Tobias Graßmann (@luthvind) beschäftigt und war Gegenstand eines kleines Austauschs zwischen ihm und Johann Hinrich Claussen, dem EKD-Kulturbeauftragten (s. hier & hier). Darauf spekulierend, dass sich auch Mertin zur Causa äußern würde, habe ich gleich bei Erscheinen in tà katoptrizómena hineingelunst. Das Editorial der Ausgabe zum Thema „Theologisieren“, die sich u.a. mit dem vor kurzem verstorbenen Wilhelm Gräb befasst (inkl. eines Gräb-Textes von 1997), lässt auch sonst auf gewinnbringende Lektüren schließen.

Mertin sieht im Mönch jedenfalls ein Menetekel und die ganze Aktion ganz und gar nicht so humorig wie Tobias Graßmann. Und er hilft, entgegen der Mahnung Claussens, dem Mönch eine ordentliche Portion historisch- und kulturwissenschaftlich informierte Theologie über. Das liest sich nicht nur unterhaltsam, sondern auch argumentativ zwingend:

Wir sollten die Gelegenheit durchaus nutzen. Laut und energisch gegen diesen Missbrauch zu protestieren. Es ist ja etwas anderes, wenn in einer Oper oder einem Theaterstück, also im Bereich des ästhetischen Scheins, religiöse Elemente aufgegriffen werden. Hier aber geht es um die Kontamination aggressiver Handlungen gegen den Staat und seine Repräsentanten mit religiöser Symbolik. Wenn auf den Querdenker-Demonstrationen in Berlin Demonstrierende ein Kruzifix hochhielten, wenn Ukrainer ihre Waffen zu Heiligen stilisieren, tun sie nichts anderes: sie treiben Missbrauch mit religiösen Symbolen zugunsten ihrer vorgetragenen Zwecke. Das eine ist so verwerflich wie das andere. Es liegt kein Segen in der Verbindung von Religion und Gewalt – historisch nicht und auch nicht aktuell.

Ein guter Satz

„Die Kirche kann eine Schwester sein, die den Bruder sieht. Sie soll es sein.“

– Prälatin Anne Gidion in ihrer Predigt am 27. Januar