Schweigen ist Mist, Bloggen ist Gold – Die #LaTdH vom 26. Januar
Wie sollen die Kirchen mit der AfD umgehen? Außerdem: Influencerpreise influencen, Kritik am „Synodalen Weg“ und Verheutigung mit reichlich Glitzer:
Debatte
Kirche, Theologie und AfD – Thomas Klatt (evangelisch.de)
Spätestens seitdem die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ seit September 2017 die stärkste Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag bildet, ist die Partei fester Bestandteil der politischen Landschaft geworden. Für Kirchenverantwortliche stellt sich – nicht nur prominent bei Podien auf Kirchentagen – die Frage nach dem Umgang mit der AfD, ihren Anhängern und Funktionären im Alltag.
Eine „sozialwissenschaftliche und theologische Reflexion der rechten Normalisierung“ hatte sich die Tagung „Kirche, Theologie und AfD“ am vergangenen Wochenende im Frankfurter Haus am Dom (@HausamDom) vorgenommen. Neben der Zusammenfassung bei @evangelisch_de ist auch die Dokumentation der Beiträge und Diskussionen auf dem Twitter-Account des AK Politische Theologie (@AkTheologie) zu empfehlen.
Kirche, Theologie und AfD – der rechten Normalisierung widerstehen – Jan Niklas Collet (feinschwarz.net)
Einer erkennbaren Strategie der sprachlichen Verharmlosung geht Jan-Niklas Collet (@ColletNiklas) im Blick auf Strategien der Formierung eines rechten Projektes nach. In seinem vorab im Theologischen Feuilleton @feinschwarz_net veröffentlichten Beitrag zur Frankfurter Tagung warnt er vor falschen Gewöhnungen. Bisweilen empfohlene Programme einer „Rückgewinnung“ sogenannter „normaler Menschen“ stellten eine reale Gefahr für Menschen dar, die in einer imaginierten „Mitte“ keinen Platz haben:
Ein offener Dialog mit Akteur*innen der rechten Normalisierung in der politischen Öffentlichkeit schließt diese Menschen von Beginn an aus. Wenn aber ein Dialog nicht offen ist, wozu führt man ihn dann? Auf welcher Basis soll dann ein demokratischer Diskurs geführt werden – zumal angesichts der unverhohlenen Strategie der Verschiebung der Grenzen des Sagbaren durch die Bildung eines „neurechten Kontinuums“? Diese Fragen sollte berücksichtigen, wer meint zur „sachlichen Diskussion“ mit Akteur*innen der rechten Normalisierung gebe es spätestens seit dem Einzug der AfD in den Bundestag keine Alternative mehr.
Die rechte Normalisierung ist wie eine überlaufende Kanalisation. Die Einstellungen gab’s schon immer, man hat’s ab und an gerochen, wenn man an einem Kanaldeckel vorbeikam, aber jetzt läuft‘s halt grad über und wir stehen mitten drin. Frage ist halt: wie tief schon?
— Jan Niklas Collet (@ColletNiklas) January 25, 2020
From HateSpeech to HopeSpeech (Evangelische Akademie zu Berlin)
Wie soll man umgehen mit Hass und diskriminierender Sprache im Netz, die christlichen Hintergrund haben? Diese Frage war Ausgangspunkt des Projekts „Der Teufel auch im Netz“, das bis Ende vergangenen Jahres an der Evangelischen Akademie zu Berlin (@EvAkad_Berlin) beheimatet war.
„From HateSpeech to Hopespeech“ heißt die zum Abschluss erstellte Publikation. Sie beinhaltet Thesen und Grundsätze der @Netz_Teufel-Projektarbeit, identifiziert „toxische Narrative“, die in Sozialen Medien im christlichen Bereich gängig sind, und macht Vorschläge, wie solche Einstellungen in Frage gestellt werden können. (Mehr zum Projekt im Internview mit Timo Versemann in der Eule.)
nachgefasst
In den #LaTdH vom 12. Januar hatte Philipp Greifenstein (@rockToamna) alle #digitaleKirche-Verrückten aufgerufen, ihre Favoriten für den „Goldenen Blogger“-Preis vorzuschlagen. In der Kategorie „Beste Flauscherin“ hat es die evangelische Pfarrerin Theresa Brückner (@theresaliebt) mit ihrem Instagram-Account tatsächlich auf die Liste der Nominierten geschafft!
Ich kann es gar nicht glauben – ich wurde für @goldeneblogger nominiert. 😱 https://t.co/p016NL1qoU
— Theresa Brückner (@theresaliebt) January 21, 2020
Die Goldenen Blogger (@goldeneblogger) sind der älteste und bekannteste Influencer-Preis in Deutschland. Die Verleihung findet im Rahmen einer Gala am 9. März 2020 vor 300 Zuschauern – und Tausenden am Livestream – in Berlin statt.
Wie sieht der Alltag einer #Pfarrerin aus? Auf Twitter, Instagram und YouTube gibt Theresa Brückner, Pfarrerin im digitalen Raum, Einblick in ihre Arbeit in #Tempelhof–#Schöneberg. @theresaliebt #digitalekirche pic.twitter.com/vd4p0eFEAb
— rbb Abendschau (@rbbabendschau) January 23, 2020
Wie SocialMedia und Religion zusammengehen, erläuterte „Sinnfluencerin“ Brückner in dieser Woche auch im SAT1-Frühstücksfernsehen. Dass ihr „Posten im Namen des Herrn“ nicht in allen kirchlichen Kreisen auf Begeisterung stößt, kontert sie gelassen:
Nachrichten die „laut Ulrich Parzanys super genauer Bibelauslegung“ beinhalten haben fast immer zum Inhalt, dass mir wieder jemand erklären möchte, wie falsch ich mit meinen christlichen Ansichten und meinem Glauben liege.
Spart Euch die Mühe – ich bleibe liberal und offen. ❤️
— Theresa Brückner (@theresaliebt) January 22, 2020
Weitere Kandidatinnen stehen schon bereit: Unter dem Motto „Mehr Glitzer in Kirchtürmen!“ startete das Pastorinnen-Ehepaar Stefanie und Ellen Radtke (@medycki) in dieser Woche das neue YouTube-Format „Anders Amen„.
Es geht um ihren Kinderwunsch, das Leben in Eime bei Hildesheim und die Arbeit als Pastorinnen. Die beiden wollen zeigen, wie bunt und vielfältig die evangelische Kirche ist. Zielgruppe: „queere, junge Menschen, die gerade vor den vielen Möglichkeiten stehen, die das Leben ihnen bietet“.
Hey #digitalekirche,
glaub da kommt was auf uns zu!
Der Teaser is schon mal cool!#andersamenhttps://t.co/1wuVNqChJb— Phillip Balt (@Phillip_Balt) January 20, 2020
Mit „TheoPodcast“ startet die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Münster ein neues Format, um theologische, kirchliche und gesellschaftliche Themen einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen. Das von Initiator Ludger Hiepel als „neuer Theologietransfer in die Gesellschaft“ bezeichnete Angebot hat ebenfalls in dieser Woche begonnen: Bisher sind acht Podcast-Folgen online, unter anderem zum Thema „Nachhaltigkeit in der Bibel“ und zur kirchlichen Situation in der Ukraine.
Buntes
„Viele glauben uns nicht mehr“ – Maximilian Schultes (y-nachten)
Kurz vor der ersten Plenarsitzung Ende Januar skizziert Max Schultes bei @ynachten mit welchen Schwierigkeiten der „Synodale Weg“ (@DerSynodaleWeg) beim Versuch, kirchliche Glaubwürdigkeit wiederherzustellen und dabei „Einheit in Vielfalt“ zu bewahren, konfrontiert sein dürfte:
Trotz einer guten Anlage desselben durch die Miteinbeziehung verschiedener innerkirchlicher Gruppierungen und die breite Abfrage individueller Perspektiven im Vorfeld, die die Mehr-Ebenen-Realität nachzeichnen, muss sich erst noch zeigen, inwiefern widersprüchliche Handlungsorientierungen überhaupt konstruktiv miteinander in Verbindung zu bringen sind.
Nachdem der Synodale Weg ja als Weg der Umkehr und Erneuerung angelegt ist, wird sich letztlich erst im Prozess offenbaren, ob die unterschiedlichen kirchenpolitischen Lager sich überhaupt auf ein inhaltlich breit akzeptiertes Verständnis von „Erneuerung“ und „Umkehr“ verständigen können.
Da die konkrete Umsetzung der Ergebnisse des Synodalen Weges schließlich ohnehin in der Hand der einzelnen Diözesanbischöfe liegen wird, droht eher ein bunter Flickenteppich von Regularien als ein gemeinsames Aufbruchs-Narrativ der Katholischen Kirche in Deutschland zu entstehen.
Synodaler Weg unter schwierigen Bedingungen – Franziska Hein (evangelisch.de)
Viele Gläubige in der römisch-katholischen Kirche setzen ihre Hoffnungen in den Synodalen Weg. Doch schon vor Beginn der Plenartagungen am 31. Januar in Frankfurt sind Kritiker von seiner Wirkungslosigkeit überzeugt, schreibt Franziska Hein (@franzi_hein) und listet die bekannten Kritikpunkte auf: die Zusammensetzung des Gremiums, in dem der Klerus überwiegt, die fehlende Beteiligung von Missbrauchsopfern oder die Satzung als „kirchenrechtliches Nullum“:
Die Findung der Mehrheiten wird ein kommunikativer Prozess, der viel Fingerspitzengefühl und Umsicht erfordern wird. Denn die Mehrheitsverhältnisse sind schwierig: Beschlüsse können nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefasst werden, die am Ende eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe enthalten muss. So reichen die Stimmen von 24 Bischöfen aus, um das Votum von mehr als 200 Delegierten „zu torpedieren“ […].
Sollten Reformbeschlüsse gefasst werden, müssen sie dem Vatikan vorgelegt werden, wenn sie weltkirchliche Themen betreffen. Darunter fallen ungefähr alle strittigen Themen wie der Pflichtzölibat, das Diakonat der Frau oder die Frage einer gemeinsamen Abendmahlspraxis mit den Protestanten.
Es ist offen, ob sich liberale Bischöfe wie der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode oder der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer gegen erklärte Skeptiker wie den Regensburger Bischof Rudolf [Voderholzer] und den Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, durchsetzen.
Moralische Erwartung und eigenes Handeln klaffen bei Kirche auseinander – Thomas Arnold (katholisch.de)
Zehn Jahre ist es jetzt her, dass der Missbrauchsskandal am Berliner Canisius-Kolleg ans Licht kam. Seitdem sei die römisch-katholische Kirche in Deutschland nicht mehr zur Ruhe gekommen, schreibt Thomas Arnold (@academy_arnold), Leiter der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen*, in seinem „Standpunkt“ bei @katholisch_de:
Sprach- und Hilflosigkeit wechseln sich ab; parallel dazu verstärkt sich – quantitativ darstellbar – der Protest durch Austritt ebenso wie die – qualitativ spürbare – innere Kündigung vieler bisher eng an die Kirche gebundener und dort aktiver Menschen.
Bisher gebe es bei der Aufarbeitung noch viel Luft nach oben – auch dem „Synodalen Weg“ wird mit großer Skepsis begegnet:
Zu wichtig sind die dort aufgeworfenen Themen, um damit nur einzuüben, wie man künftig miteinander in der Kirche konsensual das „Werkzeug Gottes“ aktualisieren kann. Zu groß ist die Differenz zwischen moralischer Erwartung an andere Teile der Gesellschaft, eigenen Strukturen und gelebtem, zu oft verschwiegenem institutionellen Handeln. Jede Entscheidung in den kommenden zwei Jahren muss im Angesicht der Opfer im Blick haben, diese riesige Lücke zu schließen. Das ist eine entscheidende Grundlage, um glaubwürdig über die Gottesfrage neu sprechen zu können.
Noch was zum Thema #Missbrauch und Aufarbeitung:
Kirchlicherseits wird gerne von Erfolgen gesprochen, von Qualitätssicherung etc.
Klingt meistens ganz gut.
Dabei darf man Eines nicht vergessen:Ob das alles wirkt, können nur die Betroffenen beurteilen.
Fragt die Betroffenen!
— Doris Reisinger (Wagner) (@ReisingerWagner) January 23, 2020
Reformprozess: Ein gemeinsamer Weg trotz tiefer Gräben? – Ulrich Waschki (katholisch.de)
„Mit Christi Geist sei der gemeinsame Weg möglich“ – vor Beginn des „Synodalen Weges“ beschwören einige Bischöfe Einmütigkeit, während andere nicht müde werden, Kritik zu äußern. Ulrich Waschki (@ulrichwaschki), Chefredakteur der Verlagsgruppe Bistumspresse, fragt sich, wie glaubwürdig das noch sein kann:
Zwischen der Laienvertretung ZdK und den meisten Bischöfen scheinen Atmosphäre und Vertrauen so gut zu sein wie nie. Die Gräben verlaufen zwischen der deutlichen Mehrheit derjenigen, die Veränderungen wollen, und einer (auch bischöflichen) Minderheit, die meint, Lehre, Struktur und Organisation der Kirche müssten sich nicht verändern. Es sind vor allem die Kritiker des Reformwegs, die Schärfe in die Debatte bringen. Da fällt es schwer zu glauben, dass beim Synodalen Weg eine Atmosphäre entsteht, die zu neuen Einsichten führt. Und dennoch: Einen Versuch ist es wert. Der Weg ist riskant, aber eine bessere Alternative gibt es derzeit nicht.
Aufschlussreich mag auch der Hinweis von Kardinal Marx, DBK-Vorsitzender und Erzbischof von München-Freising, erscheinen, für den Synodalen Weg lohne ein Blick auf andere Konfessionen – besonders in einem konfessionell durchmischten Land wie Deutschland.
Während es naheliegend wäre, etwa auf die EKD-Synode (@EKD) oder die Synode des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken (@Altkatholisch) zu verweisen, setzt Marx ausgerechnet auf „Impulse der Orthodoxie“. Der griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos begrüßte bei der Präsentation eines Buchs des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel (@EcuPatriarch) den Synodalen Weg, auf dem sein römisch-katholischer Bruder in Deutschland unterwegs sei, als „richtige Entscheidung zur rechten Zeit“ – und gab ihm gleich eine Reisewarnung mit:
Wie bei allen demokratischen Prozessen müsse man aber auch sehr vorsichtig sein, erklärte Augoustinos. So dürfe die Bedeutung des „Protos“ (griechisch für „Vorsteher“) auf gar keinen Fall geschwächt werden. Der Protos in einem Bistum oder in der Weltkirche sei von ungeheurer Bedeutung.
Bibel
Ein allzu lautes Schweigen – Werner Kleine (Dei Verbum)
Der „Beef rund um die zwei Päpste“ wurde bereits hier und hier in der Eule angemessen gewürdigt. Im Bibel-Blog Dei Verbum (@Verbum_Dei) hat Werner Kleine (@WernerKleine) nun eine neutestamentliche Erwiderung auf den Einwurf Joseph Ratzingers in der Zölibatsdebatte veröffentlicht.
Der Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal (@KathCitykirche) kritisiert darin den Versuch Benedikts, das römisch-katholische Verständnis von Priestertum mitsamt der dreifachen Amtsstruktur der späteren Kirche bruchlos aus der Bibel herzuleiten:
Aus der historischen Erkenntnis, dass so etwas wie das Priesteramt aus einem dynamischen Prozess heraus entsteht, könnte nun natürlich das Bestreben entstehen, die damals waltende Kreativität in der Beantwortung zeitgenössischer Herausforderungen auch auf Problemstellungen anzuwenden, die sich heute stellen und ebenso nach neuen und kreativen Lösungen zu suchen. Wäre es nicht genau das, was Teil der jesuanischen Verheißung an Petrus ist, Probleme zu lösen und sich daran zu binden?
Predigt
Spoken Word: Weil es real wird, wenn es eine Tat wird – Laura Meemann (feinschwarz.net)
„Aggiornamento“ hieß das Motto bei der Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils, zu deutsch etwa „Verheutigung“. Was ist daraus in der römisch-katholischen Kirche wirklich geworden und was bis heute ein Wunsch geblieben? Etwas, das unser Heute auf jeden Fall ausmacht, ist die Sprache, meint die „Spoken-Word-Künstlerin“ Laura Meemann:
Über Frauen in der Kirche reden ja. Über den Missbrauch reden. Klar. Reden. Sagen: Wir wollen was verändern. Und nachher kam alles vom Satan und Gott, kann das mit den Frauen in der Kirche ja nicht gewollt haben. Und was anderes als heterosexuelle Paare sowieso nicht.
Kleiner Tipp an dieser Stelle: Jesus war Jude, hat keine Kirche gegründet, und ich durfte lernen, dass Gott den Menschen männlich und weiblich mit allem „dazwischen“ geschaffen hat, genauso wie Licht und Dunkelheit mit allem „dazwischen“. Gibt ja auch Dämmerung.
Ein guter Satz
Gott vergisst nie. Außer Turnbeutel.
— Haus Ohne Fenster (@HausOhneFenster) January 19, 2020
* Gemeinsam mit der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen lädt Die Eule am 4. Februar 2020 zu einer Diskussion über das christliche Familienbild im Lichte der Gleichstellung von LGBTQ* nach Leipzig ein. Mehr erfahren.