Gemeinsam abwärts? – Die #LaTdH vom 17. November
In Würzburg tagte die Synode der Evangelischen Kirche und wählte eine neue Ratsvorsitzende. Außerdem: Rücktritt des Erzbischofs von Canterbury und Reform des Schwangerschaftsabbruchs.
Herzlich Willkommen!
(Fast) eine Woche lang trafen sich in Würzburg Menschen, die sich in und für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) engagieren. Rund um die Tagungen der EKD-Synode, der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und der Versammlung der Union Evangelischer Kirchen (UEK) finden weitere Treffen statt, u.a. des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt (BeFo) und des Rates der EKD. Und auf den Gängen, zwischen den Ausstellungsständen vor dem großen Sitzungssaal und bei den abendlichen Empfängen läuft man sich beständig über den Weg.
Dieser ganze Betrieb wird merklich kleiner. Auch auf den Tagungen der EKD-Synode bemerkt man den Bedeutungsschwund der Kirche auf vielfältige Weise. Immer weniger Werke und Unternehmen sind auf eigenen Ausstellungsflächen vertreten. Gäste auf den Emporen, die einfach mal schauen wollen, was die Synode so treibt, sind Mangelware. Das Interesse der Medien hält sich sowieso in Grenzen und macht sich an einzelnen Personalien fest, wie dem EKD-Ratsvorsitz. Auch kircheneigene Medien halten sich zunehmend zurück. Ungebrochen ist nur das Bedürfnis der Synodalen, Anträge zu beschließen.
„A rising tide lifts all boats“ (etwa: „Eine steigende Flut hebt alle Boote“) gilt auch umgekehrt: Wenn Ebbe herrscht, laufen viele Boote – Projekte, Anliegen, Adiaphora – auf Grund, die sonst halt mitschwimmen würden. Wer nicht gerade auf Instagram unterwegs ist, wo die Unterstützer:innen die Öffentlichkeitsarbeit selbst in Hand nehmen, hat zum Beispiel vielleicht gar nichts vom 5. Geburtstag von #United4Rescue mitbekommen, der am Montag in einer Sitzungspause mit einer knallgelben Torte und kurzen Reden auf der EKD-Synode gefeiert wurde. Das Bündnis zur Unterstützung der Seenotrettung auf dem Mittelmeer hat seit seiner Gründung 8 Millionen Euro gesammelt und mit seinen inzwischen vier Bündnisschiffen mitgeholfen, tausende Leben zu retten.
Bei der kleinen Feierstunde, die eigentlich voll im Schwerpunktthema der Tagung „Migration, Flucht und Menschenrechte“ lag, gratulierte u.a. der Beauftragte des Rates der EKD für Flüchtlingsfragen, Bischof Christian Stäblein (EKBO), der am selben Tag noch in den Rat der EKD nachgewählt wurde. Er erinnerte daran, dass bei aller Freude über den Erfolg von #United4Rescue der Schmerz darüber, dass privat organisierte Seenotrettung auf dem Mittelmeer überhaupt nötig ist, nicht verschwindet. Sichere Flucht- und Migrationsrouten in die „Festung Europa“ sind Zukunftsmusik. Gut, dass #United4Rescue nach Jahren anhaltender Diskussionen über #WirSchickenEinSchiff und vielen Kämpfen – auch in den evangelischen Kirchen – inzwischen so akzeptiert ist, dass der Verein sogar auf dem EKD-Kollektenplan zu finden ist.
Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein
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Debatte
Die Tage von Würzburg waren dicht und angefüllt mit einer Menge von Debatten und Themen, die evangelische Christ:innen und die Gesellschaft derzeit bewegen. Vom „Elefant im Raum“, nämlich der dräuenden Regierungsmehrheit unter Führung der Union und Friedrich Merz, hatte ich in meiner Analyse der Beschlüsse zum Schwerpunktthema „Migration, Flucht und Menschenrechte“ schon geschrieben. Ein noch viel größerer Elefant macht sich jenseits des Atlantik gerade daran, sein Kabinett mit außergewöhnlich vielen Typ:innen zu besetzen, die man wohl nur noch als Banane bezeichnen kann. Die amerikanische Oligarchie entfaltet sich.
Was können Menschen guten Willens dem entgegensetzen? Zunächst einmal: Durchatmen. Das aber fällt schwer, wenn immer schon der nächste (auch metaphorische) Tagesordnungspunkt ansteht. Wir leben in einer maximal rastlosen Zeit. Da tut es wirklich Not, daran zu erinnern, dass nur in den seltensten Fällen minutenschnell reagiert werden muss – und wir in der jüdischen Tradition, an der wir als Christ:innen einen kleinen Anteil haben dürfen, eine Reihe lebensdienlicher Hinweise mit uns herumschleppen, zum Beispiel das Sabbatgebot.
„Wir brauchen einen politischen Sabbat“ – Anne Gidion im Eule-Interview (Die Eule)
Die Notwendigkeit für einen „politischen Sabbat“ sieht im Eule-Interview auch Anne Gidion, die Bevollmächtigte der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Mit ihr habe ich über das Schwerpunktthema der diesjährigen Synodentagung, viel mehr noch aber über die gegenwärtigen Umbrüche in Berlin und international gesprochen. Wie hat die Kirche mit der Ampel zusammengearbeitet und wie positioniert sie sich nun neu?
„Es wird sicher nicht einfacher werden. Aber das liegt nicht allein an der Regierungskonstellation, sondern auch an der gesamten gesellschaftlichen Lage. Auch die bisherige Bundesregierung hat, erschüttert durch Solingen und die Wahlerfolge populistischer Parteien, in letzter Zeit in der Migrationspolitik deutlich nachgeschärft. […]
Wir erleben eine Sekurifizierung [von Englisch: security, Sicherheit, Anm. d. Red.] der Innenpolitik. Wenn Politik priorisiert nach Sicherheitsgesichtspunkten strukturiert wird, erscheinen auf einmal viele Freiheits- und Menschenrechtsbeschneidungen gerechtfertigt. Das ist ein altes Prinzip. Wer einen Ausnahmezustand ausruft, der kann auch Einschränkungen formulieren. Wir haben dazu aufgerufen, innezuhalten, und davor gewarnt, Geflüchtete zu kriminalisieren. Menschen dürfen nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden, aber das wird rhetorisch in Kauf genommen.“
Wer das Interview aufmerksam liest, kommt nicht umhin, das schwierige Verhältnis von CDU/CSU und Kirchen wahrzunehmen, das sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Will man gedeihlich, nicht nur mit einer neuen Unions-geführten Bundesregierung, zusammenarbeiten, muss hier auch atmosphärisch einiges geschehen. Ein Anfang wäre es, würden Unions-Politiker, angefangen beim Kanzlerkandidaten selbst, auf rhetorische Entgleisungen verzichten.
„Ich kritisiere nicht, dass die Ampel-Koalition ihre Zusammenarbeit beendet hat. Aber wir brauchen gerade jetzt Gesprächsrunden, in denen Menschen vertrauensvoll miteinander arbeiten können. Ich hoffe, dass jetzt gemeinsam überlegt wird: Welche Gesetze müssen in den nächsten Wochen noch beschlossen werden? Wie kann man sich sinnvoll auf die neue US-Regierung einstellen? Wie können wir einen Bundestagswahlkampf gestalten, in dem nicht noch mehr Porzellan kaputt geht? Wie passen Wahlkampf und Adventszeit zusammen? Ich würde mir sehr, sehr wünschen, dass wir verordnete Ruhezeiten hätten. […]
Als Christenmenschen haben wir eigentlich schon von unserer Religionsgeschichte her einen langen Atem. Wir sind schon durch schlimmere Zeiten gegangen als jetzt. Wir müssen uns die Zeit nehmen, uns in die Kraft dieser Stories der Bewährung zu stellen.“
Neue Ratsvorsitzende der EKD: Frau mit Potenzial – Benjamin Lassiwe (Herder Korrespondenz)
Auf der Würzburger Tagung wurde Bischöfin Kirsten Fehrs (Sprengel Hamburg und Lübeck / Nordkirche) zur neuen EKD-Ratsvorsitzenden gewählt. Sie hatte bereits seit dem Rücktritt von Annette Kurschus im vergangenen Herbst als Ratsvorsitzende amtiert. Zum stellvertretenden Ratsvorsitzenden wurde der sächsische Landesbischof Tobias Bilz gewählt. Benjamin Lassiwe kommentiert bei der Herder Korrespondenz:
Das Wahlergebnis der Theologin war eher bescheiden: Nur 97 von 130 Wahlberechtigten stimmten für Fehrs. Der Hintergrund dafür ist klar: Ein seit Jahren umherwabernder, eher fragwürdiger Missbrauchsfall, mit dem die Nordkirche, und hier auch die Hamburger Bischöfin, falsch umgegangen sein soll. Hier wird es darauf ankommen, dass die Kirche auch im weiteren Umgang damit transparent ist. Einen wie auch immer gearteten Ratsvorsitzenden-Bonus darf es nicht geben. […]
Allerdings geht es in der evangelischen Kirche nicht nur um Missbrauch. Die Kirche wird sich in den nächsten Jahren auch mit dem Mitgliederschwund und den daraus resultierenden finanziellen Einbußen beschäftigen müssen. Strukturelle Veränderungen werden auf die Kirche zukommen: Ist es noch zeitgemäß, Pfarrer zu verbeamten? Lohnt sich der Einzug der Kirchensteuer durch die Finanzämter noch? Wie geht es mit den Staatsleistungen weiter? Braucht es abgestufte Formen von Mitgliedschaft? Hier kann es der EKD zum Vorteil gereichen, dass Fehrs kommunikativ ist, das Gespräch mit Medien und Öffentlichkeit sucht, und mittlerweile nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit über starke und tragfähige Netzwerke verfügt.
In meiner Nachwahl-Analyse hier in der Eule hatte ich geschrieben:
Fehrs im Vergleich zu Ratswahlen vergangener Zeiten schlechtes Wahlergebnis heute ist Zeugnis dafür, dass die Wunden des Jahres 2023 sich nur langsam schließen und die Zukunft unklar ist. Die Zeiten, in denen evangelische Synoden geschlossen und unverbrüchlich hinter den Leitungskräften stehen, die sie zu wählen haben, sind aus guten Gründen vorbei. Die Wahl der neuen Ratsvorsitzenden heute ist Spiegelbild dieser begrüßenswerten Entwicklung, die womöglich ein Teil des von der Kirche versprochenen Kulturwandels beim Umgang mit Macht in der Kirche ist.
Was in der Nordkirche bei der Aufarbeitung des von Thies Stahl im Vorfeld und vermittels der „Anwältin des Publikums“ auf der Tagung zur Sprache gebrachten Missbrauchsfalls genau schief gelaufen ist, werden die kommenden Wochen zeigen. Fehrs hat angekündigt, sich nun auch juristisch gegen die Vorwürfe zu verteidigen, die seit sechs Jahren im Raum stehen und immer wieder – auch Medien – von Stahl angetragen werden.
Vielleicht kommt es ja endlich zu einer vollständigen Klärung. Das wäre auch im Sinne der weiteren Betroffenen sexualisierter Gewalt, deren Anliegen auf der Tagung sowohl im Bericht des BeFo als auch durch die Botschaften aus dem Gästeraum zur Sprache kamen. Ein ausführlicher Bericht zur Befassung der EKD-Synode mit der Missbrauchskrise und den Fortschritten auf dem Feld der Aufarbeitung folgt in den kommenden Tagen in der Eule.
Neue Ratsmitglieder
Bevor Fehrs und Bilz am Dienstag zu seinen Spitzen gewählt wurden, komplettierte die Synode bereits am Montag den Rat der EKD, der auch durch die (un-)zeitigen Abgänge von Jacob Joussen und Kirchenpräsident Volker Jung dezimiert war. Neu im Rat sind Christian Stäblein (s.o.), die Kirchenpräsidentin der Reformierten Kirche, Susanne Bei der Wieden, und Schwester Nicole Grochowina.
Damit sind nun wieder vier Leitende Geistliche der EKD-Gliedkirchen im Rat vertreten, die mit ihren Ressourcen und Kapazitäten helfen können, die Aufgabenfülle zu bewältigen. Außerdem ist der Rat der EKD zum ersten Mal in seiner Geschichte mehrheitlich weiblich besetzt.
Mit Grochowina verbindet sich nicht allein die Chance, konfessionelle Vorurteile in der Öffentlichkeit aufzubrechen, in dem die Ordensschwester für die Evangelischen Kirche prominenter als bisher sichtbar wird, sondern auch das Versprechen auf eine stärkere Verschränkung der Arbeit von Rat und Synode, in der sie bisher außerordentlich aktiv war. Anyway, bis zur nächsten regulären Ratswahl in drei Jahren wird die Evangelische Kirche mit diesem Rat schon leben können.
Geldprobleme und Mitgliederschwund – doch EKD warnt vor „Abschreckung und Abschiebung“ – Matthias Kamann (WELT)
Von der etwas gezwungen daherkommenden Widersprüchlichkeit in der Überschrift aus dem Hause WELT soll man sich nicht ablenken lassen: Matthias Kamann thematisiert in diesem Bericht von der EKD-Synode die auf der Tagung aufgekommenen wichtigen Fragen. Eine Frage, die bleibt: Wie korrespondiert das anwaltschaftliche Handeln der Kirche in der Gesellschaft, z.B. für Flüchtlinge und Diversität, mit ihren eigenen Strukturen und Reformbedarfen?
Die EKD will sich für einen menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten einsetzen und tut das ja auch bereits intensiv, sie will Integrationshindernisse in der Gesellschaft abbauen. Zugleich ist sie selbst immer noch erschreckend Weiß – wie kurz vor der Synodentagung Sarah Vecera auf evangelisch.de geschrieben hat – und sichtlich selbst noch nicht in der (post-)migrantischen Gesellschaft angekommen.
Bei Kirchenevents wie EKD-Synodentagungen, aber auch bei den Treffen des Synodalen Weges der katholischen Kirche, die in westdeutschen Großstädten stattfinden, ist es für anwesende Beobachter:innen offensichtlich: Während in den Sitzungssälen weiße, gut situierte und häufig immer noch ältere Menschen an den Reformen in ihren Kirchen arbeiten, leben und arbeiten draußen in Wirtschaft und Gesellschaft vor allem junge Migrant:innen.
Weitere lesenswerte Synodenberichte finden sich bei den zeitzeichen von Stephan Kosch, in der Süddeutschen Zeitung von Annette Zoch und in der Rheinischen Post von Benjamin Lassiwe.
Wie weiter?
Auf ihrer nächsten Tagung im Herbst 2025 in Dresden wird sich die Synode nach eigenem Wunsch, der gegen den Vorschag des Präsidiums (und Kirchenamts) durchgesetzt wurde, mit dem Schwerpunktthema „Macht in der Kirche“ befassen. Eine sehr gute Wahl! Es ist Zeit für intensives Housekeeping. Das zeigen nicht nur die anhaltenden Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung des Missbrauchs, sondern auch Probleme im Zusammenspiel der Verfassungsorgane der EKD sowie im Miteinander der EKD-Gliedkirchen.
„Macht in der Kirche“ ist schlicht auch dort ein aktuelles Thema, wo das Herz der Evangelischen Kirche tatsächlich schlägt: In den Gemeinden und an all den analogen und digitalen Kirchorten, an denen Menschen tagtäglich Kirche für andere und sich selbst gestalten. Indem sich die Synode das Thema vornimmt, besteht auch die Möglichkeit, den garstigen Graben zwischen Synodenbefassung und Alltag in der Evangelischen Kirche ein wenig zu schließen.
In der Eule werden wir uns in den kommenden Tagen noch mit einigen Eindrücken und Themen der Würzburger Tagung der EKD-Synode befassen. Zum Thema „Macht in der Kirche“ gibt es ohnehin schon eine Menge im Magazin zu lesen – und ich jedenfalls habe auch Bock, das Thema bis zum kommenden Jahr intensiv(er) anzugehen. Vorschläge, Hinweise und Debattenbeiträge sind herzlich willkommen!
nachgefasst I: Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs
Kurz vor dem vorzeitigen Ende der Legislatur kommt noch einmal Bewegung in die Frage der Neuregelung und Entkriminialisierung des Schwangerschaftsabbruchs (s. hier, hier & zuletzt hier in der Eule). Eine Gruppe von SPD- und Grünen-Abgeordneten des Deutschen Bundestages hat am Donnerstag einen Gesetzesvorschlag vorgelegt (PDF).
Der Entwurf sieht vor, die Beendigung einer Schwangerschaft bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche „grundsätzlich rechtmäßig“ zu stellen, danach „grundsätzlich rechtswidrig“ und nur noch bei besonderer (medizinischer) Indikation rechtmäßig. Die Beratungspflicht soll bestehen bleiben, die 3-Tage-Frist zwischen Beratung und Abbruch jedoch abgeschafft werden. Der Entwurf hat die Unterstützung von 236 der aktuell 733 Bundestagsabgeordneten, darunter auch die Spitzen von Grünen und SPD. Auch die verbliebenen LINKEN-Abgeordneten haben signalisiert, dem Antrag zustimmen zu wollen.
Bei dem Entwurf handelt es sich um einen Kompromiss auf Basis der Empfehlungen der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission für reproduktive Selbstbestimmung, die im Frühjahr 2024 ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte (wir berichteten). Daraus übernommen wird die Unterscheidung in (hier: zwei) Phasen der Schwangerschaft, in denen dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes unterschiedliche Gewichtung beigemessen wird. In der frühen Phase der Schwangerschaft, so der Entwurf, liegt ein Abbruch „in der Entscheidungsfreiheit der Schwangeren“. Gleichwohl wird an der Beratungspflicht festgehalten, die von vielen feministischen Aktivist:innen und Gruppen – z.B. den Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD) abgelehnt wird.
Natürlich entspricht der Entwurf nicht dem Wunsch der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Caritas und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), siehe u.a. KNA, dürfte aber in etwa dem entsprechen, was sich als vorläufiger Debattenbefund der evangelischen Diskussionen seit dem vergangenen Jahr herauskristallisiert (s. hier, hier, hier, hier, hier & hier in der Eule). Ein Kompromiss nötigt allen das Zurückschrauben eigener Erwartungen ab.
Natürlich geht es den Initiator:innen auch darum, vor einem womöglichen weiteren Rechtsruck in der Zusammensetzung des Deutschen Bundestages und dem Antritt einer Unions-geführten Bundesregierung wenigstens eine deutliche Liberalisierung der Gesetzgebung zu erreichen. Eigentlich wollte man damit im Frühjahr 2025, also einige Monate vor der regulären Bundestagswahl, im Bundestag vorstellig werden.
Der CDU-Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, empörte sich über den Vorschlag, der auch von seinen beiden Konkurrenten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) unterstützt wird. Merz warnt, ein bisschen verklausulisiert, vor dem Verhetzungspotential des Themas gerade während des Wahlkampfs, u.a. bei der KNA. Das hat er aber vor allem selbst in der Hand. Das Spaltungspotential ist angesichts des wohlausgewogenen Kompromisses vielleicht gar nicht so groß, wie zuletzt das Ausbleibende Echo auf den „Marsch zum Leben“ gezeigt hat. Von der konfessionellen Lebensschutz-Bewegung jedenfalls braucht man nicht denken, sie wäre kampagnenfähig.
nachgefasst II: Rücktritt von Justin Welby
Justin Welby ist vom Amt als Erzbischof von Canterbury zurückgetreten, dem höchsten geistlichen Leitungsamt der Church of England und Sitz des Ehrenprimats der Anglikanischen Weltgemeinschaft. Welby gestand damit ein, sich bei der Aufarbeitung eines der größten Missbrauchsfälle seiner Kirche falsch verhalten zu haben. Über den Vorgang berichtet Annette Zoch in der Süddeutschen Zeitung und sehr ausführlich (natürlich auf Englisch) die BBC.
Der Druck war einfach zu groß geworden. Vergangene Woche war der so genannte „Makin Report“ veröffentlicht worden – ein Untersuchungsbericht über die Taten des anglikanischen Kirchenjuristen John Smyth. Mehr als 40 Jahre lang soll Smyth seine ehrenamtliche Arbeit als Helfer in kirchlichen Jugendcamps dazu genutzt haben, sich kleinen Jungen zu nähern. Smyth soll die Kinder anschließend in sein Haus in Winchester gelockt und dort in seinem Schuppen mit einem Stock grauenvoll verprügelt haben. Der Bericht spricht von mehr als 100 Opfern.
Welbys Handeln erinnert an zahlreiche Fälle persönlichen und systemischen Fehlverhaltens von Leitenden Geistlichen, angefangen bei römisch-katholischen Bischöfen in den USA vor 25 Jahren, bis hin auch zu Parallelen in jüngster Zeit in evangelischen und katholischen Kirchen. Sein kurzzeitiges Klammern ans Amt nach Erscheinen des „Makin-Reports“ befremdete auch viele Mitglieder und Geistliche der Church of England. Nachdem auch Bischöfinnen (Gendern an dieser Stelle wie so häufig auf dem Handlungsfeld sexualisierte Gewalt nicht nötig) seinen Rücktritt gefordert hatten, nahm er seinen (Bischofs-)Hut.
Buntes
Was eine schwarze Kirchenpräsidentin Trump entgegensetzen will – Karen Georgia Thompson im Interview bei Louis Berger (Kirche + Leben)
Auf der Versammlung der UEK auf der Tagung der EKD-Synode war in diesem Jahr auch die Kirchenpräsidentin der United Church of Christ (UCC), Karen Georgia Thompson, zu Gast und berichtete von den Reformen in ihrer (wirklich inzwischen sehr kleinen) Kirche und den großen politischen Verwerfungen in den USA. Allein, im Synodentrubel ist diese Sternstunde ein wenig untergegangen. Löblich ist es darum, dass für die katholische Kirchenzeitung des Bistums Münster, Kirche + Leben, Louis Berger bei anderer Gelegenheit mit Thompson gesprochen hat.
Sie sprechen offen über den Zusammenhang von Religion und Politik. In Deutschland würden einige Leute sagen, dass sich die Kirchen besser aus der Politik heraushalten sollten.
Politik beginnt bei den Menschen und die Kirchen kümmern sich um die Menschen. Wie können wir also nicht politisch sein? Als Kirchenpräsidentin ist es nicht meine Aufgabe, den Gläubigen zu sagen, wen ich gewählt habe. Aber ich habe versucht, eine Botschaft der Hoffnung, der Einheit und der Gerechtigkeit zu senden. Politik geschieht nicht einfach so – nur wenn Menschen darüber reden. Wenn wir als Kirchen die Gerechtigkeit ernst nehmen, müssen wir auch über die Summen sprechen, die wir für Massenvernichtungswaffen ausgeben. Weiterhin ist Hunger ein großes Problem in den USA, auch die Wohnungsnot oder die Arbeitslosigkeit. Es gibt so viele Themen, die die Kirchen etwas angehen und die sie ansprechen sollten. Wenn das Politik ist, ist es eben so.
Ein guter Satz
„Wir wichen aus, dein Wort hält stand.“
– Peter Beier, von 1989 bis 1996 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), in seinem Lied zur römisch-katholischen Heilig-Rock-Wallfahrt, zitiert im Grußwort des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing (Limburg), während des Catholica-Berichts auf der EKD-Synode (PDF), dort auch gesamter Liedtext, und gesungen auf der Tagung im Video auf Facebook bei Benjamin Lassiwe