Newsletter #LaTdH

Eintracht & Zwietracht – Die #LaTdH vom 22. Oktober

Die EKD bietet mehrere Positionen zur Reform des Schwangerschaftsabbruchs an. Außerdem: Soli-Demo in Berlin, Täternamen und das funkelnde Wasser der Taufe.

Herzlich Willkommen!

Heute Nachmittag um 14 Uhr findet vor dem Brandenburger Tor in Berlin eine große Kundgebung unter dem Titel „Aufstehen gegen Terror, Hass und Antisemitismus – in Solidarität und Mitgefühl mit Israel“ statt, auf der auch die EKD-Ratsvorsitzende, Annette Kurschus, sprechen wird. Zur Demonstration laden alle demokratischen Parteien des Deutschen Bundestages, DGB und Arbeitgeberverband, der Zentralrat der Juden, die Evangelische und Katholische Kirche sowie die liberale (und sehr kleine) muslimische Organisation Alhambra ein. Die Kundgebung wird live auf Phoenix übertragen.

Als „ein ungewöhnliches Bündnis“ wurde die Liste der Organisationen, die zur Solidarität mit Israel aufrufen, bezeichnet. Es stimmt: Es ist nicht alltäglich, sondern selten, dass sich die großen Massenorganisationen des Landes so zusammentun. Aber das „ungewöhnlich“ hat mich auch nachdenklich gestimmt: Ist es wirklich ungewöhnlich, sich in unserer Gesellschaft gegen Terror, Hass und Antisemitismus zu wenden? Ist es gar überraschend, dass die Ablehnung von Terror, Hass und Antisemitismus alle demokratischen Akteur:innen in unserem Land verbindet? Sind uns Terror, Hass und Antisemitismus so selbstverständlich und alltäglich geworden, dass wir den Blick darauf verloren haben, dass die anständigen Demokrat:innen und Anti-Antisemiten in unserer Gesellschaft (nach wie vor) in der großen Mehrheit sind?

In der Nacht auf Mittwoch gab es einen versuchten Brandanschlag auf eine jüdische Gemeinde in Berlin. Die Polizei erhöht noch einmal den Schutz jüdischer Einrichtungen. Lokal-, Landes- und Bundespolitik beeilten sich mit Solidaritätsbekundungen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird heute der Eröffnung der Synagoge in Dessau beiwohnen.

Eine Solidaritätskundgebung mit Israel ist ein komischer Ort für eine deutsche Selbstvergewisserung. Doch würde ich es jedenfalls nicht ungewöhnlich und überraschend finden, wenn die vermutlich mehreren tausend Teilnehmer:innen von der Kundgebung bestärkt, geeint und ermutigt nach Hause gehen. Die Ablehnung von Hass, Terror und Antisemitismus sollten wir zugleich als selbstverständlich und als immer wieder neu zu erringendes Gut verstehen. Nicht als beruhigendes Bapperl, sondern als alltäglichen Anspruch mit uns tragen – aber auch nicht verschreckt und verschämt denken, man stünde damit allein. Das hemmt nur und gerät schnell zur Ausrede, im Alltag nicht aufzustehen.

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

Der Rat der EKD hat’s nicht leicht. Da diskutiert man so vor sich hin und sitzt einer Kirche vor, die sich eh nichts sagen lassen will, und dann muss man plötzlich Stellung beziehen. Auf Nachfrage der „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“, die von der Bundesregierung in diesem Frühjahr installiert wurde, hat der Rat nun für die Evangelische Kirche gleich mehrere oder eine entschieden unentschiedene Position zur gesetzlichen Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs formuliert (s. #LaTdH von vergangener Woche, vollständige Stellungnahme als PDF hier).

Darin spricht sich der Rat der EKD dafür aus, den Schwangerschaftsabbruch zumindest teilweise aus dem Strafgesetzbuch zu lösen, wo er bisher in den Paragraphen 218, 218a, 218b, 218c und 219 geregelt ist, inkl. der Schwangerschaftskonfliktberatung. Diese ist im Schwangerschaftskonfliktgesetz noch einmal ausführlich reguliert. Die Stellungnahme des Rates nun lässt anklingen, dass man sich – ähnlich wie der Juristinnenbund – durchaus vorstellen kann, diesen Ort für die rechtliche Rahmensetzung des Schwangerschaftsabbruchs zu nutzen und nicht mehr das Strafgesetzbuch. Jedenfalls, am Anfang der Schwangerschaft, aber desto weiter sie fortgeschritten ist umso weniger.

Es gibt jedenfalls Klärungsbedarf: Ganz offensichtlich ökumenisch, weil die EKD-Stellungnahme (und erst recht jene der Diakonie Deutschland (PDF)) sich von der vor 30 Jahren gemeinsam mit der römisch-katholischen Kirche formulierten Position abwendet. Natürlich weiterhin auch innerevangelisch, denn der Rat ist ja nicht das Lehramt der Evangelischen Kirche. Es darf und muss also weiter gestritten werden. Doch zunächst erscheint es ratsam, die EKD-Stellungnahme überhaupt erst einmal zu verstehen. Das ist nämlich gar nicht so leicht.

EKD zur Abtreibung: Schutz für wen? – A. Katarina Weilert (Die Eule)

In der Eule haben wir in der zurückliegenden Woche in zwei Anläufen versucht, die EKD-Stellungnahme zu verstehen. Am Freitag erläuterte und kritisierte die Juristin A. Katarina Weilert, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST), den Text wegen dessen Unentschiedenheit an einigen wichtigen Stellen und dem Verzicht auf eine theologisch-ethische Argumentation:

Da nun aber der Pfad theologisch-ethischer Argumentation bzw. Begründung nicht gewählt wurde, sondern juristisches Terrain beschritten wird, wäre eine der juristischen Disziplin innewohnende klare Struktur und die treffende Verwendung juristischer Fachsprache hilfreich gewesen. Überdies fehlt eine eindeutige Grundpositionierung zum verfassungsrechtlichen Schutz Ungeborener.

Weilerts Kritik an der Unklarheit des Textes erscheint mir gut begründet. Als Konsens-Papier einer Kirche, die weder ein eindeutiges Lehramt noch in ethischen Belangen eine vereindeutigende Lehrmeinung vertritt, bleibt den Evangelischen nur übrig, auch ihren Dissens gut begründet darzustellen. Ich meine: Wenn das gelingt, haben auch die eigentlichen Adressat:innen in der Kommission der Bundesregierung und ganz generell Politiker:innen und andere zivilgesellschaftliche Akteure und Partner viel von solchen schriftlich niedergelegten Überlegungen.

Aber ist es denn gelungen? Weilert meint „Nein“ und je häufiger ich die Stellungnahme lese desto größer werden auch meine Zweifel. Und das, obwohl ich die Skepsis der Juristin nicht teile, ob eine Herauslösung aus dem Strafgesetzbuch überhaupt angeraten und möglich ist. Sicher, dabei handelt es sich ein gutes Stück weit um Symbolpolitik, aber darum ist es ja nicht weniger wichtig. Mit konkreten Umsetzungsfragen bin ich zum Glück nicht betraut, aber so wie der Rat es vorschlägt, ist es mindestens diffus. Konsens und Dissens hin oder her, man muss ehrlich sagen, wo man steht, und wo man sich auch uneinig ist (und bleiben wird). Für mich wurde daher die sachliche Analyse von A. Katarina Weilert ein Augenöffner, wo in der EKD-Stellungnahme rhetorisch geschummelt wird, um genau das nicht zu tun.

Auf dem Weg zu mehr reproduktiver Gerechtigkeit? – Carlotta Israel (Die Eule)

Einen zweiten Verstehensversuch unternahm in dieser Woche unsere „Feminismus-Agentin“ Carlotta Israel außerhalb der Reihe ihrer intersektionalen Kolumne „Sektion F“ hier in der Eule: Sie vergleicht die EKD-Stellungnahme mit der Position des Verbandes der Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD), die Antje Schrupp auf ihrem Blog dargestellt hat.

Die Arbeit an einer Stellungnahme des Rates der EKD ist komplex, langwierig und zeitsensitiv. Eine aktualisierte evangelische Positionierung – wie vorläufig auch immer, wie der Rat betont – war sowohl für die Debatte der Regierungs-Kommission als auch für die weitere gesellschaftliche Diskussion dringend notwendig. Dass ihre Veröffentlichung so eng mit der Stellungnahme der Evangelischen Frauen korrespondiert, lässt Fragen nach wechselseitigen Beeinflussungen und divergierenden inhaltlichen Schwerpunktsetzungen zu.

Carlotta Israel identifiziert, wo Rat der EKD und EFiD unterschiedlicher Meinung sind, und wo sie zu den gleichen Forderungen kommen. Letztere beziehen sich z.B. auf die Zugänglichkeit von Verhütungsmitteln und auf Verbesserungen in der Familienpolitik (s. auch aktuelle Episode des Eule-„WTF?!“-Podcasts mit Carlotta Israel und Daniela Albert).

Allein ein Vergleich zwischen den Positionen von EFiD, Rat der EKD und Diakonie Deutschland (jene kurz erklärt von Daniel Deckers in der FAZ) macht deutlich: Die Evangelische Kirche hat weder eine einhellige Position noch müssen evangelische Positionierungen unbedingt ein anderes Ergebnis (!) zeitigen als z.B. römisch-katholische. Nur deutlich mehr Mühe macht es halt gut protestantisch schon. Es wäre von Vorteil, wenn all die Männer (!), die in den vergangenen Tagen mit Schaum vor dem Mund die EKD-Stellungnahme auf die oberflächlichste Tour abqualifizieren wollten – wir schauen z.B. an Kardinal Woelkis Privatuni – sich daran ein Beispiel nehmen könnten.

Innerevangelisch ist die nach Veröffentlichung der Stellungnahme öffentlich geäußerte Kritik des CDU-Bundestagsabgeordneten und Chefs des Evangelischen Arbeitskreises der Unionsparteien (EAK) Thomas Rachel bemerkenswert. Er ist ja Mitglied im Rat der EKD. Noch in der vergangenen Ratsperiode mussten ethisch liberal(er) tickende AkteurInnen der evangelischen Theologie und Kirche in der Diskussion um den assistierten Suizid (wir berichteten ausführlich z.B. hier, hier, hier & hier) den Umweg über die FAZ nehmen. Nun ist mit Rachel ein Konservativer dran, dort bei Reinhard Bingener seinen Dissens zu formulieren.

Neu zusammenfinden – Stephan Langer (Christ in der Gegenwart)

Von Stephan Langer, dem Chefredakteur der Christ in der Gegenwart stammt einer der – für die christliche Publizistik: vielen – Artikel aus den vergangenen Tagen, die das Auseinanderdriften von Evangelischer und Katholischer Kirche beim Lebensschutz beklagen. Es ist einer der besseren, weil er auch katholische Selbstkritik übt.

Leider geben sich beide Seiten derzeit aber auch keine Mühe, den ökumenischen Partner verstehen zu wollen. Stattdessen ziehen sich die Evangelischen einfach aus der „Woche für das Leben“ zurück, frei nach dem Motto: „Lieber weniger mit den Katholiken machen, die in der öffentlichen Wahrnehmung noch schlechter dastehen“. Und diese wiederum begnügen sich meist damit, über angeblich weichgespülte protestantische Positionen zu lästern. Dass die eigene „klare Kante“ für Leute attraktiv ist, mit denen man sich besser nicht gemein macht, nimmt man hin (so im Umfeld beim „Marsch für das Leben“).

Natürlich kommt Langer auf die Trennung bei der „Woche für das Leben“ zu sprechen, wie deutlich redseliger und langatmiger auch der evangelische Theologieprofessor Ulrich H. J. Körtner in den zeitzeichen. Dass die Evangelischen bereits im Sommer vom toten Pferd abgestiegen sind, statt die Woche in ökumenischer Eintracht in diesem Herbst mit der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gemeinsam zu Grabe zu tragen, wird man ihnen noch lange vorhalten.

Ganz grundsätzlich tät‘ es natürlich in unserer multireligiösen und pluralen Gesellschaft nicht schaden, wenn die Kirchen mit einer Stimme sprächen. Das klappt aber eben nicht bei allen Themen. In der Bio- und Medizinethik, wo sich die römisch-katholische Kirche eingemauert hat (auch zum Leidwesen ihrer eigenen Universitätstheologie), geht es eben gar nicht mehr. Und das hat tatsächlich eine Menge damit zu tun, dass heute eben keine Konsenspapiere mehr verfasst werden können, die beiden Seiten etwas abverlangen, sondern eine kleine, aber laute katholische Minderheit die Diskussion zu einem identitären Kulturkampf-Thema aufbaut. Mit dabei mehrere Bischöfe aus Deutschland, vorneweg Rudolf Voderholzer (Regensburg), der sich nicht zu schade ist, für den Lebensschutz auch mit Rechtsextremen zu demonstrieren (nur will er dabei bitte nicht fotografiert werden).

„Ja“ zur Politik

Die Katholische Kirche arbeitet gegenwärtig noch an ihrer Stellungnahme für die Regierungskommission. Da sie ja nicht auf ein so hervorragendes „Kammernetzwerk“ zurückgreifen kann wie die Evangelische Kirche, erwarte ich mehr Präzision. Und hoffentlich etwas, das sich der gesellschaftlichen Diskussion und der Haltung nicht weniger deutscher Katholik:innen nicht brüsk versperrt.

Daniel Deckers kritisiert in der FAZ, die evangelische Kirche habe sich mit ihren Stellungnahmen vom Anspruch verabschiedet, „Politik möglich zu machen“. Er sieht dadurch gleich das „christlich geprägte Zeitalter zu Ende“ gehen. Da sage ich: Kopf hoch! Mal ganz abgesehen davon, dass aus meiner Perspektive das Paradigma Wolfgang Hubers von der Politikermöglichung in der Praxis dem „Politik machen“ anderer evangelischer Akteur:innen verdächtig ähnlich sah, sagt die evangelische Kirche nach meinem Empfinden – und anders als die katholische – auch mit dieser diffusen Stellungnahme doch gerade „Ja“ zu Politik. Ihr sei noch mehr Mut gewünscht, noch offensiver dazu zu stehen, dass evangelische Positionen nicht von außen auf Politik treffen, sondern selbst Ergebnisse politischer Abstimmungsprozesse in einer pluralen Kirche sind.

Ökumenisch könnte man, statt über das Trennende zu klagen, das Gemeinsame stark machen: Wie es zum Beispiel in guter Eintracht evangelische und katholische, konservative und liberale Theolog:innen und Kirchenleitende in dieser Woche mit ihrem Appell an die Bundesregierung für konsequenten Klimaschutz getan haben. Übrigens, ohne dass DBK und EKD dafür augenscheinlich auch nur einen Finger gerührt haben.

nachgefasst

Älteste Kirche Gazas getroffen – Christian Meier (FAZ)

Hunderte Menschen hatten in der Sankt-Porphyrius-Kirche in Gaza Zuflucht vor den israelischen Luftangriffen gesucht. In der Nacht zu Freitag wurde die Kirche getroffen, berichtet Christian Meier, Korrespondent für den Nahen Osten und Nordostafrika bei der FAZ. Inzwischen wurde der Grenzübergang nach Ägypten für Hilfslieferungen geöffnet und 700.000 Menschen sind aus dem Norden in den Süden des Gaza-Streifens geflohen.

An dieser Stelle weise ich gerne noch einmal auf das Interview mit der palästinensischen evangelischen Pfarrerin Sally Azar hin, das wir am vergangenen Sonntag in der Eule veröffentlicht haben.

Beim Namen genannt

Das Bistum Aachen hat die Namen von 53 mutmaßlichen und verurteilten Missbrauchstätern, darunter auch ein Weihbischof, aus seinem Zuständigkeitsbereich genannt und bittet bisher noch unbekannt gebliebe Betroffene darum, sich zu melden. Alle Genannten sind mindestens seit zehn Jahren tot. Die Veröffentlichung von Täternamen im Pulk ist in Deutschland ein bisher einmaliger Vorgang, der lange angekündigt war, und – wie katholisch.de-Redakteur Felix Neumann auf seinem Datenschutz-Blog Artikel 91 beschreibt, nun deutlich modifiziert durchgeführt wurde.

Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs des Bundesregierung (UBSKM), Kerstin Claus, lobte die Veröffentlichung, Kritik an der bisher schleppenden Zuarbeit der Bistumsleitung gab es vom Vorsitzenden der unabhängigen Aufarbeitungskommission (UAK) im Bistum, Thomas Kron, berichtet KNA / katholisch.de. Maria Mesrian, Theologin und Mitglied der Reformbewegung Maria 2.0, kritisiert in diesem Gastbeitrag bei Kirche + Leben das Vorgehen des Bistums als „Schaufensterpolitik“, sie fordert eine „Kehrtwende in der Entschädigungspraxis“ (s. #LaTdH vom 1. Oktober). Kritik übte ebenso der katholische Kirchenrechtler Thomas Schüller in der Kölnischen Rundschau („Die Gemeinden wurden überhaupt nicht vorbereitet“).

Diskussion zum Fall Hengsbach: „Er hatte eine enorme Macht-Aura“ – Jana Brauer (WDR, 40 Minuten)

Jahrzehntelang galt der verstorbene Kardinal Franz Hengsbach fast schon als Heiliger im „Ruhrbistum“ Essen. Vor kurzem wurden Missbrauchsvorwürfe gegen ihn und seinen Bruder öffentlich (s. #LaTdH vom 1. Oktober) Über den Fall Hengsbuch wurde am Donnerstagabend in Essen und im WDR 5 „Stadtgespräch“ diskutiert.

Buntes

Polens Bischöfe schweigen zum Wahlsieg der liberalen Opposition – Oliver Hinz (KNA, katholisch.de)

Wohl selten wurde ein Wahlergebnis in einem europäischen Nachbarland in Deutschland so erleichtert zur Kenntnis genommen, wie die Niederlage der PiS in Polen am vergangenen Sonntag. Sie bleibt zwar stärkste Partei, die gemäßigt konservativen und liberalen, vor allem pro-europäischen Oppositionsparteien um den ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten und Präsidenten des Europäischen Rates Donald Tusk haben aber die Mehrheit der Stimmen errungen. Sehr viel skeptischer steht die katholische Kirche dem Regierungswechsel gegenüber, berichtet Oliver Hinz für die KNA:

Diesmal dürften viele polnische Bischöfe allerdings ein mulmiges Gefühl beim Gedanken an Tusk bekommen. Denn er hat im Wahlkampf versprochen, dass Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen legal werden. Das käme einer Revolution gleich. Aktuell sind in Polen Abtreibungen nur erlaubt, wenn die Schwangerschaft die Gesundheit der Mutter gefährdet, Ergebnis einer Vergewaltigung oder von Inzest ist.

Bischofssynode in Rom

Um die (Nach-)Berichterstattung zum ersten Teil der Bischofssynode zur Synodalität in Rom wird sich Thomas Wystrach hier in der kommenden Woche ausführlich kümmern. An dieser Stelle nur ein kurzer Hinweis auf ein für den Interviewten intellektuell beschämendes Interview von Jacqueline Straub, Redakteurin bei kath.ch, mit dem kanadisch-tschechischen Kurienkardinal Michael Czerny bei katholisch.de und zwei Atmosphären-Schilderungen (hier & hier) von Benedikt Heider (Eule-Beiträge hier) ebenda. Die Pressekonferenzen scheinen ja mindestens so aufregend zu sein wie die beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg.

Theologie

„Rave like God“: Kirchen als Diskotheken? Moderne Nutzungskonzepte sakraler Orte – Constanze Schaller (Religion and Urbanity: Reciprocal Formations

Im Frühjahr 2023 hat der Rave in der Erfurter Predigerkirche regional und in den evangelischen Medien schon ein wenig Wirbel gemacht, auch wenn es dergleichen in Berlin und anderswo und dann auch auf dem Kirchentag in Nürnberg ja eigentlich gar nicht sooo selten gibt. Constanze Schaller, die in Erfurt Doktorandin des Max-Weber-Kollegs ist, hat auf dem Blog der Forschungsstelle anlässlich des Raves über hybride Nutzungen von Kirchen geschrieben, u.a. mit Verweisen auf die mitteldeutschen Projekte zu diesem wichtigen Thema. Ex oriente lux!

Mehrere Projekte, die sich genau dieser Thematik stellen, wurden in Deutschland bereits auf den Weg gebracht. So beispielsweise „Hybride öffentliche Räume“ in Thüringen, das seit 2016 neue Nutzungskonzepte für Thüringer Kirchen erarbeitet. Dabei bewegen sich die Projekte immer wieder zwischen innovativen Ideen und Grenzen des Machbaren aufgrund denkmalpflegerischer Schwierigkeiten oder schlicht Vorbehalten gegenüber den angestrebten Neuerungen.

Predigt

Das Bohei um die Verleihung eines Predigtpreises für ihr „Lebenswerk“ an die „Fridays for Future“-Aktivistin Luisa Neubauer haben wir bisher in der Eule ignoriert. Als Gewinner eines Predigtpreises weiß ich darum, wie schnell der Ruhm verflogen ist! (Und bei mir gab’s wenigstens ein sehr großzügiges Preisgeld.) Jurymitglied Angela Rinn schreibt bei den zeitzeichen über die Verleihung in Bonn.

Macht queer seine* Straßen! – Nathalie Schuler (CSD-Gottesdienste)

Den Predigtpreis für die beste Predigt des Jahres hat Theologiestudent*in Nathalie Schuler aus der alt-katholischen Gemeinde München mit dieser Predigt abgeräumt, die bei einem Gottesdienst zum Christopher Street Day 2023 gehalten wurde.

Ich kann das Wasser noch funkeln sehen, mit dem ich getauft wurde und habe das Wort noch im Ohr, das mich mit neuem Leben erfüllt hat. Ich will tun, was ich kann, damit die Wege bereit sind, die Gott mit anderen Menschen gehen will. Ich will Gottes Straßen queer machen, damit meinen Geschwistern nichts im Wege steht […]

Ein guter Satz

„Bleib der Verfolgten Stütze, die Reisenden beschütze, die Sterbenden begleit mit deinen Engelscharen, dass sie in Frieden fahren zur ewgen Ruh und Herrlichkeit.“

– „Herr, höre, Herr, erhöre“, Evangelisches Gesangbuch, Nr. 423, Strophe 10