Leidenswege – Die #LaTdH vom 21. Februar

Die Passions- und Fastenzeit hat begonnen: Was soll das – gerade in Corona-Zeiten? Außerdem: Mehr Theologie wagen für eine Kirche auf dem Weg, die Bibel als Bremse und Trauerrituale.

Die Passions- und Fastenzeit vor Ostern hat begonnen. Was soll das Fasten bringen? Vielleicht ja Ernüchterung. Mit klarem Blick auf die eigenen Verfehlungen zu schauen, das steht Christ:innen und Kirchen gut an. Am Freitag gedachten auch die Kirchen den Opfern des rassistischen Anschlags in Hanau vor einem Jahr (mehr dazu in der Eule). Nicht allein beim Thema des christlich begründeten Rassismus wird deutlich: Umkehr haben wir alle nötig.

Debatte

Fasten? Wie lange denn noch? – Rainer Hörmann (Kreuz & Queer, evangelisch.de)

Auf dem „Kreuz & Queer“-Blog bei evangelisch.de schreibt der Berliner Publizist und Lektor Rainer Hörmann über die Herausforderung des Verzichts in einer Zeit, die für viele Menschen sowieso schon massive Einschränkungen bedeutet:

Sehr viele Menschen werden den Gedanken an Verzicht möglicherweise in diesem Jahr zynisch finden. Wer seiner Arbeitsmöglichkeiten beraubt ist, wer steigende Kosten mit geringem Gehalt bestreiten muss, wird Fasten als Luxusproblem wohlhabender Schichten wahrnehmen. Wer – und sei es in der stets perfekten Regenbogenfamilie – mit Home Office und nörgelnden Kindern zugleich zurechtkommen muss, fällt abends wahrscheinlich erschöpft ins Bett und verzichtet großzügig auf fünf Minuten spiritueller Andacht über das Thema Verzicht.

Hörmann denkt über das diesjährige Motto der Aktion „7 Wochen ohne“ der Evangelischen Kirche nach. Denn wenig „Spielraum“ haben viele Menschen, unter anderem die LGBTQI*-Community, auch ohne Corona-Pandemie. Sein Hinweis:

Es wäre eine Bereicherung, wenn all das, was wir jetzt schmerzlich als Verzicht erfahren, in einigen Monaten nicht wieder als Selbstverständlichkeit allzu achtlos konsumiert wird.

Vom Klimafasten zum Systemwandel – Georg Sauerwein (Die Eule)

Die systemischen Langzeitfolgen des Fastens nimmt auch Georg Sauerwein (@GeorgSauerwein) in seinem Beitrag zum Klimafasten in den Blick, der diese Woche hier in der Eule erschienen ist. Denn Verzicht ist nicht genug, wenn er nicht auch zum politischen Engagement führt.

Der Sinn des Fastens ist nicht, temporär mit sündigem Verhalten aufzuhören. Es ist eigentlich auch nicht Zweck des Fastens, die Welt zu verändern. Fasten ist eine spirituelle Übung: Indem wir uns mit dem Verzicht konfrontieren und diese Erfahrung reflektieren, bietet sich in der Fastenzeit ein guter Anlass, das eigene Verhalten zu überdenken und zu nachhaltig verändern.

Veränderung, Umkehr, kommt von innen, da kann man jederzeit mit beginnen (frei nach Rainald Grebe). So richtig spirituell wird es allerdings erst dann, wenn wir diese Umkehr nicht allein von uns fordern oder den Versuch wagen, die Umkehr selbst zu bewerkstelligen. Umkehr will erbeten sein. Es geht also wieder einmal um den richtigen Mix aus Aktion und Kontemplation. Oder wie es Andreas Ebert im Interview mit der Eule sagt:

Aus dem Gebet kommt das Engagement für die Welt. Die Aktion gibt der Kontemplation Richtung, die Kontemplation verhindert, dass man sich in der Aktion verliert.

An gleicher Stelle beschreibt Ebert das Bild einer heute relevanten Theologie, das mir in den vergangenen Tagen durch den Kopf gegangen ist. Denn mit vielen kirchlichen Angeboten während der Passionszeit bin ich unzufrieden. Ob einfach „mehr Theologie“ die Lösung ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist es aber doch ganz gut, wenn wir statt (nur) vom Fasten vom Geheimnis der Passion als Weg in Richtung Ostern sprechen? Noch einmal Ebert:

Theolog:innen müssen nicht zuvorderst Gelehrte und Theoretiker sein, sondern Menschen in das Geheimnis des Glaubens einweihen. Eine rein theologische Weltdeutung erreicht die Herzen nicht.

Die Metapher des „Leidensweges“, den man selbst zu gehen hat und auf dem man andere Menschen solidarisch (ein Stück weit) begleitet, drängt sich mir jedenfalls stärker auf als das körperliche und spirituelle cleansing, das an jeder digitalen und analogen Ecke angepriesen wird.

nachgefasst Teil 1: Synodaler Weg

Synodaler Weg

Synodengänger*innen: Kacheln, Köln und Konvolute – Juliane Eckstein (y-nachten.de)

Im katholischen Blog y-nachten.de (@ynachten) schreibt Juliane Eckstein (@EcksteinJuliane, auch in der Eule) die sehr lesenswerte Serie „Synodengänger*innen“ über den Synodalen Weg (der keine Synode ist). Eckstein ist selbst Teilnehmerin und berichtet in ihren Texten über die jüngsten Entwicklungen, auch über die Online-Tagung von vorvergangener Woche:

Wir als Synodalversammlung haben es verpasst, von Anfang an auf die strukturelle Verankerung Überlebender zu dringen. Auch ich brauchte einige Monate, bis ich dieses strukturelle Defizit begriff. […] Für mich sind sie Prophet*innen, die mich ermahnen, meine Handlungsmöglichkeiten, ja meine Macht zu nutzen, so gering sie auch sei. Mag sein, dass der „Laden unreformierbar“ ist. Aber erst wenn sich alle – Kleriker wie Lai*innen – ihrer Verantwortung bewusst werden und ihre Handlungsmöglichkeiten ausschöpfen, werden wir sehen, wo die Grenzen der Reformierbarkeit liegen.

Im Zentrum der Beschäftigung mit den Zwischenergebnissen der Synodalforen stand jenes zu „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ – auch deshalb, weil die anderen Foren aufgrund großer Streitigkeiten so richtig nix fertigbekommen. Ein Grundlagentext wurde ausführlich zur Kenntnis genommen und das Forum hat außerdem erste konkrete Vorschläge gemacht:

Für mich als pragmatisch denkenden Menschen sind sie eine erste Sternstunde des Synodalen Wegs: Sie fordern, die geltende Predigtordnung der DBK aus dem Jahre 1988 zu überarbeiten und dafür ein päpstliches Indult einzuholen. Eine zentrale Ombudsstelle soll es geben, an die sich jede*r wenden kann, der*die in der Kirche Machtmissbrauch erfährt. Sie soll die Betroffenen beraten und begleiten sowie regelmäßig Berichte erstellen. Weiterhin soll es eine Rahmenordnung für die Diözesanfinanzen geben.

Mehr Theologie wagen! – Matija Vudjan (durchgedacht)

Das Grundlagenpapier des Macht-Forums wurde auf der Tagung für seine Theologie-Lastigkeit und Unverständlichkeit kritisiert. Auf seinem Blog verteidigt Matija Vudjan (@durchgedacht, auch in der Eule) das Theologisieren und wünscht sich sogar noch mehr davon:

Gerade weil der Synodale Weg grundlegend angefragt und kritisiert wird […], scheint mir der folgende Ansatz der erfolgversprechendste zu sein: Die Flucht nach vorne. Man muss selbst mit voller Kraft vorangehen und alles auf die Karte einer substanziellen und wissenschaftlich fundierten Theologie setzen. Mehr Theologie wagen: Nur so kann der Synodale Weg sein Potenzial vollends ausnutzen – und nur so wird er seine Ziele dauerhaft erreichen.

Vudjan liegt mit seinen Forderungen ganz auf der Linie derjenigen Theolog:innen, die im Synodalen Weg einen wirklichen Reformprozess in der katholischen Kirche sehen. Die Statements der Betroffenenbeiräte (s. LaTdH vom 7. Februar) auf der Online-Tagung rufen demgegenüber ins Gedächtnis, dass der Auslöser dieses Prozesses in erster Linie der Skandal des Missbrauchs ist.

Der „Synodale Weg“ tut gut daran, sich auf diejenigen Themen (und theologischen Topoi) zu beschränken, die dem angemessen sind. Nicht, um den konservativen Kritiker:innen entgegenzukommen, sondern um die Beratungen zu fokussieren. Die anderen Synodalforen zeigen: Schon darüber, was ursächlich für den Missbrauch ist und woran deshalb dringend gearbeitet werden muss, gibt es genug Streit.

Liebe Bischöfe, nehmt bitte die Wirklichkeit zur Kenntnis! – Martin Zumbült (Kirche + Leben)

In einem Gastkommentar für die Kirche + Leben fordert der katholische Kirchenrichter (!) Martin Zumbült aus Münster, dass „unsere Hirten zuerst diese kirchlichen Realitäten wertschätzen und nicht Selbstverständlichkeiten als großherzig gewährte Gnadenakte lobpreisen“ sollten.

Liebe Hirten, nehmt bitte die Wirklichkeit zur Kenntnis! Nehmt die Menschen in der Kirche ernst! Kommunion für konfessionsverschiedene Paare und für wiederverheiratete Geschiedene, Laienpredigt (sogar von Frauen!) und Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare, selbst Priester in Paarbeziehungen mit und ohne eigene Kinder sind in den Gemeinden längst gelebte, größtenteils akzeptierte Realität.

Eine offizielle Lehrmeinung, die hier noch Diskussionsbedarf sieht, treibt nur noch mehr Menschen aus der Mitte unserer Gemeinden heraus. Denn die Kirche zeigt sich damit als nicht anschlussfähig an eine demokratische Gesellschaft. Dabei dürfen sich unsere Bischöfe auch nicht von den wenigen, lauten Erzkonservativen verunsichern lassen.

nachgefasst Teil 2

Die behinderte Trauer – Johann Pock (theocare.network)

Auf dem Blog des Instituts für Praktische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien schreibt der Pastoraltheologe Johann Pock (@pock_j) über das Sterben und Trauern während der Corona-Pandemie (alle Eule-Beiträge zum Thema). Pock greift viele Gedankenstränge und Erfahrungen auf, die Pfarrer Johannes Heun (@johannesheun) im Eule-Interview von vor zwei Wochen beschrieben hat. Und er beschreibt Lernerfahrungen und neue Möglichkeiten der Trauerbegleitung.

Das Trauern wurde zurückgeworfen auf das jeweilige Individuum. Die erprobten und bewährten, haltgebenden Rituale griffen nur mehr bedingt – und zugleich waren es gerade diese kirchlichen Rituale, die noch einen Hauch von Normalität und Tradition vermitteln konnten.

Vier Jahrzehnte Erfahrung – Matthias Zeindler (zeitzeichen)

Die Debatte um den assistierten Suizid in der evangelischen Kirche und in Deutschland (alle Eule-Beiträge zum Thema) kann nur davon profitieren, durch internationale Perspektiven geweitet zu werden. In der Schweiz sind die Kirchen seit vier Jahrzehnten damit konfrontiert, dass Sterbewillige sich von Sterbehilfeorganisationen begleiten lassen können. Matthias Zeindler, Titularprofessor am Institut für Systematische Theologie in Bern, beschreibt bei den zeitzeichen (@zeitzeichenNET) die Situation.

Buntes

Der Kirche laufen die Schäfchen davon – Gil Bieler (bluewin.ch)

Wir bleiben in der Schweiz: Gil Bieler (@gilbieler) hat sich in den Schweizerischen Kirchen nach den Gründen für die steigenden Kirchenaustritte umgehört. Neben der auch in der Schweiz schwelenden Missbrauchs-Krise und Ärger in röm.-kath. Bistümern wie Chur spielt aber vor allem der Zeitgeist eine Rolle. Und wie auch in Deutschland sollen die Hinwendung zur Jugend und die Digitalisierung die Wende bringen.

Urs Winter-Pfändler forscht am Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut (SPI) in St. Gallen, das von der Katholischen Kirche getragen wird, […]. Er sagt: «Der typische Austrittskandidat ist männlich und zwischen 25 und 35 Jahre alt.» Austretende hätten ausserdem tendenziell eine höhere Ausbildung absolviert und würden im städtischen Raum leben. Ein Grund, weshalb gerade in diesem Alter der Kirchenaustritt erfolgt, könnte die Kirchensteuer sein: «Man verdient nach der Ausbildung seinen ersten Lohn und stört sich an dieser Abgabe», sagt der Theologe und Psychologe.

Wie man leerstehende Kirchengebäude sinnvoll nachnutzen kann – Benjamin Lassiwe (KNA, katholisch.de)

Was tun mit den vielen Kirchengebäuden, die man schon jetzt nicht mehr und in Zukunft noch seltener für den Gottesdienst braucht? Die Frage sinnvoller Umnutzungen und/oder gemeinsamer Nutzung mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren stellt sich in vielen Kirchen. Benjamin Lassiwe (@lassiwe) hat für die KNA in die aktuelle Diskussion hineingehorcht, in der auch deutlich wird, welche Chancen sich für die Kirche aus dem (teilweisen) Rückzug auch ergeben könnten.

Die Kirche kann es nicht allein – Matthias Katsch, Patrick Bauer und Karl Haucke (Christ & Welt)

Mit einem unter der Woche breit rezipierten Gastbeitrag in der Christ & Welt erneuern Matthias Katsch (@KaMaZhe) von der Betroffenen-Organisation @EckigerTisch und zwei weitere Betroffenensprecher die Forderung nach staatlichem Eingreifen bei der Missbrauchsaufarbeitung. Sie laden zur Unterzeichnung einer entsprechenden Petition ein. Derweil wird „Die Kirche schafft/kann es nicht allein“ zu einer immer wiederkehrenden Überschrift über die Missbrauchsaufarbeitung beider Kirchen. Wann wird der Bundestag antworten?

Theologie

Die Bibel als Bremse – Tobias Kühn (Deutschlandfunk)

Im Verbund mit dem Frankfurter Rabbiner Julian-Chaim Soussan erklärt Tobias Kühn im Deutschlandfunk, wie man im Netz und analog auf Lüge und Lästereien reagieren kann. Dazu schauen die beiden in die Bibel, z.B. in diese schöne Erzählung:

„Mirjam aber redete mit Aaron über Mose wegen der äthiopischen Frau, die er genommen hatte; denn er hatte eine Äthiopierin zur Frau genommen.“ Hinter Moses Rücken echauffiert sich Mirjam, dass Mose eine dunkelhäutige Frau geheiratet hat. Gott hört es und bestraft Mirjam: „Und der Zorn des Herrn ergrimmte über sie, und er wandte sich ab. Und siehe, da war Mirjam aussätzig wie Schnee.“

Ein guter Satz

„Fasten muss man sich leisten können.“

– Maria Katharina Moser (@mariakmoser), Direktorin der Diakonie Österreich auf Twitter