Verheißung – Die #LaTdH vom 27. Dezember

Weihnachtliche „Links am Tag des Herrn“ mit Verheißungen von Frieden und Erlösung. Außerdem: Abschiedszeichen in Bremen, eine Nicht-Entschuldigung in Köln und eine Einladung nach Bethlehem.

Jeden Sonntag. Ein aufregendes, verstörendes, ent- und ermutigendes Jahr liegt hinter uns. Wir wünschen unseren Leser:innen, dass sie in diesen Tagen Frieden finden können. Vielleicht auch, dass sie ihren Frieden machen können.

Frieden nicht mit der Ungerechtigkeit in Kirche und Gesellschaft, von der wir hier in den #LaTdH jede Woche berichten. Doch Frieden in dem Sinne, dass ein:e jede:r weiß: Hier ist mein Platz, das kann ich tun, das kann ich lassen, das kann ich hoffen. Im Namen der Eule-Redaktion wünsche ich Ihnen: Frohe Weihnachten!

Jeden Sonntag flattern die #LaTdH in Dein/Ihr Email-Postfach und warten im Magazin auf interessierte Leser:innen. Jeden Monat nutzen über 2000 Leser:innen die #LaTdH als Quelle für ihre Kirchennachrichten, ihren Kirchennachrichten-Überblick oder um zu wissen, was denn in den kommenden Tagen diskutiert werden wird.

Die #LaTdH-Autor:innen haben keinen einfachen Job! Sie wählen aus, was wirklich wichtig ist. Sie bleiben an schwierigen und komplexen Themen dran, um jede Woche dort nachzufassen, wo es dringend nötig ist. Sie suchen auch nach dem Schönen, Witzigen, Lesenswerten – das alles während einer Zeit, in der Kirchen und Religionen vor allem mit schlechten Nachrichten in der Öffentlichkeit stehen.

Bis zum Ende des Jahres haben wir uns vorgenommen, mit den neuen Eule-Abos einen monatlichen Betrag von 600 € als erstes Fundingziel der Eule zu erreichen. Dazu fehlen uns nur noch wenige Euro. Schließ‘ auch Du ein Eule-Abo ab und unterstütze den unabhängigen Journalismus und die Stimmenvielfalt der Eule – und nicht zuletzt die #LaTdH-Autor:innen! Hier entlang!

Debatte

Dieses Fest ist leiser als sonst – Matthias Drobinski (Süddeutsche Zeitung)

Matthias Drobinski (@MatthiasDrobins) schreibt in der Süddeutschen über die etwas anderen Corona-Weihnachten in den Kirchen und Familien.

Das Volk, das im Dunkeln der Pandemie lebt, sieht ein Licht am Horizont: die ersten Impfungen als Verheißung der Erlösung. Ein ahnungsvoller Klang weht herüber aus jener künftigen Zeit, da die Menschen wieder singen und tanzen werden.

Bis dahin heißt es, die Zähne zusammenzubeißen und die Plätzchen im möglichst kleinen Kreis zu knabbern. Die Frommen und Weihnachtsfrommen werden stumm und vereinzelt in der Christmette stehen und zum Nachbarn schielen, ob der bedenkenlose Strolch nicht hustet – oder die Erbauung lieber gleich ins Virtuelle verlagern.

Drobinski trifft den Sound dieser seltsamen Tage. Doch ist dieses Weihnachten wirklich schmerzlich anders? Ich habe in den vergangenen Tagen viele Rückmeldungen von Christ:innen und aus Gemeinden unterschiedlicher Kirchen erhalten: Die Offenen Kirchen wurden gelobt. Auch, dass niemand die Andacht an der Krippe und in der geschmückten Kirche mit einer bemühten Predigt „zerredet“ hat. Das lässt aufhorchen und ist definitiv nachdenkenswert, wenn es an die Gestaltung des Weihnachtsfestes 2021 geht.

Und in den Sozialen Medien teilen viele Menschen ihre Weihnachtsbäume, gedeckten Weihnachtstafeln, ihre Geschenkeberge und mutmachende Storys. Schön! Ich teile ausdrücklich, was Daniela Albert in „Gotteskind & Satansbraten“ und Niklas Schleicher in seinem Kommentar hier in der Eule bereits im Advent geschrieben haben:

Der viel gescholtene „bürgerliche Bullshit“ kann eben auch und besonders zum Fest ein Anker sein. Besonders dann, wenn man sich Weihnachtsoratorium, Weihnachtslieder und Gebete aneignet. Dazu wünsche ich in den kommenden stillen Tagen Zeit und Muße!

Corona-Krise: Wie die Kirchen Chancen genutzt und verspielt haben – Benjamin Lassiwe (shz.de)

Benjamin Lassiwe (@lassiwe) ordnet für die SHZ das Corona-Weihnachten ein. Er sieht viel Positives im Engagement der Kirchgemeinden in diesem Seuchenjahr, das sich auch im Advent und zum Fest fortgesetzt hat.

Der notgedrungene Verzicht auf Präsenz-Veranstaltungen hat an vielen Orten die Kreativität auf „Gottes Blumenwiese“ blühen lassen, mit Aktionen für Kinder, Jugendliche, Familien, Pflegeheim-Bewohner:innen, mit Audio-Adventskalendern, Gottesdiensten auf CD/DVD oder im Stream, Video- und Zoom-Andachten, Postwurfsendungen und Fernsehansprachen leitender Geistlicher, digitalen Krippenspielen aus den Gemeinden und einem herzlichen Krippenspiel-Film im KIKA.

Doch Lassiwe weist zu Recht auch auf die Gemeinden und Pfarrer:innen hin, die während der Corona-Krise für die Menschen vor Ort unsichtbar geworden sind. Das ist ein Problem, nicht erst zu Weihnachten:

Es gab und gibt nicht nur die Gemeinden, die sich kreative Gedanken darüber machen, wie sie Advent und Weihnachten feiern. Es gab und gibt auch die anderen: Pastorinnen und Pastoren, die ihren Dienst bestenfalls nach Vorschrift absolvieren. Gemeinden, die in der ersten Phase der Pandemie Schwierigkeiten hatten, ihre Kirchengebäude auch nur für das stille Gebet zu öffnen. Pfarrer, die aus Angst vor dem vermeintlich bösen Datenschutz jede Form des Videostreamings aus ihren Gemeinden ablehnen.

Kirchgemeinderäte, die lieber ein paar Monate gar nichts machen, als irgendetwas falsch zu machen. Gemeinden, deren einzige Kommunikation in der Coronakrise ein verschämter Aushang am schwarzen Brett war: „Unsere Gottesdienste sind abgesagt.“ Gemeinden, die die Chancen, die die Corona-Krise der Kirche bot, mit Pauken und Trompeten, aber frohen Muts verpassten.

Es wird, das habe ich letzte Woche hier geschrieben, weiße Flecken in der Kirchenlandschaft geben. Leerstellen, die auszumalen den restlichen Gemeinden schwerfallen wird. Lassiwe geht in seinem Text auf die Berufsschicksale jener Pastor:innen (den „Sumpfblüten“) ein, die dafür Mitverantwortung tragen. Eine sinnvolle, eine notwendige Debatte für 2021. Dabei geht es nicht um das „Bashing einzelner“ stellt er klar,

[s]ondern um ein Problem, das die Kirche hat. Denn über gute Beispiele spricht sie gern – und das ist auch richtig, schließlich heißt es schon in der Bibel, dass man sein Licht nicht unter den Scheffel stellen soll. Aber mit den schlechten Beispielen ist das anders: Kein Berufsstand in Deutschland redet so ungern über die Qualität der eigenen Arbeit wie die evangelischen Pastorinnen und Pastoren. Wer es wagt, die Arbeit in den Gemeinden an der Basis kritisch zu hinterfragen, hat im Nu große Teile der Kirche gegen sich.

nachgefasst

Eine Entschuldigung, die keine war

Noch während der Christmette an Heiligabend wandte sich der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, in einer Stellungnahme an die Christ:innen in seinem Erzbistum und darüber hinaus. Sein Statement muss enttäuschen. Und zwar nicht allein jene, die in den vergangenen Tagen erneut seinen Rücktritt fordern, sondern alle Christen, die von ihm eine persönliche Verantwortungsübernahme und Entschuldigung erwarten.

„Was die von sexueller Gewalt Betroffenen und Sie in den letzten Tagen und Wochen vor Weihnachten im Zusammenhang mit dem Umgang des Gutachtens zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in unserem Erzbistum, was sie an der Kritik darüber und insbesondere auch an der Kritik an meiner Person ertragen mussten: Für all das bitte ich Sie um Verzeihung.“

Eine knackige Einordnung des Vorgangs kommt von Christiane Florin (@christianeflori) im Deutschlandfunk („verbaler Weihrauch“). Woelki sprach wie ein Mieter, der den Kochtopf auf dem Herd vergessen hat, und nun bei den Nachbarn klingelt, um sich für den Lärm des Feuerwehreinsatzes zu entschuldigen.

Gemeinde protestiert gegen Dienstenthebung von Pastor Latzel (KNA, katholisch.de)

Die St. Martini Gemeinde zu Bremen hält, wie erwartet, zu ihrem Pastor Olaf Latzel, der (erstinstanzlich) wegen Volksverhetzung verurteilt wurde (s. #LaTdH von letzter & vorletzter Woche). Die Zeichen stehen auf Trennung von der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK), der evangelischen Landeskirche vor Ort. (Ab-)Trennungen von einzelnen Gemeinden, häufig aufgrund unterschiedlicher praktisch-ethischer Überzeugungen, gibt es in den evangelischen Landeskirchen immer mal wieder. Eigentlich kein Drama, solange die Gemeinde(n) vor Ort damit besser leben können.

Nach evangelischem Verständnis ist das Heil ja nicht in einer konkreten kirchlichen Gestalt allein zu finden. Und es ist auch nicht so, dass St. Martini allein bleiben müsste: Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) entspricht in vielen Überzeugungen dem konservativen Profil der Bremer Gemeinde. In diesem Sinne: Farewell Martini und Olaf Latzel!

Buntes

Was tun unterm Weihnachtsbaum? – Podcast mit Josephine Furian (Was tun? Der Podcast)

Zum Fest war Josephine Furian, Pfarrerin für Flüchtlingsarbeit des Sprengels Görlitz in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (@ekbo_de), zu Gast im „Was tun?“-Podcast aus dem Berliner Wedding um über das Kirchenasyl zu sprechen. Ein hörenswertes Gespräch, in dem sie von ihrem Engagement für Aysl in der Kirche berichtet, das sie als „handfeste Störung des rassistischen Alltags des Ertrinkenlassens“ begreift.

Offener Brief: Weihnachtsgruß aus Moria II – Omid Deen Mohammed & Raed al Obeed (medico international)

Mit einem Offenen Brief wenden sich Flüchtlinge aus Moria zum Fest an das reiche, christliche Europa. Im letzten Jahr hat sich an der Situation der Geflüchteten auf den griechischen Inseln und an den EU-Außengrenzen bestürzend wenig verbessert. Eine bleibende Schande für Europa!

Wir bitten nicht um weitere Spenden oder Geld für die Instandsetzung der Infrastruktur. Wir haben in den Zeitungen gelesen, wie viele Millionen bereits ausgegeben wurden und viele von uns sind Ingenieure, Elektriker, Ärzte und wir wissen, dass es nicht sehr viel Geld braucht, um ein solches Lager in Stand zu setzen. Wenn Sie uns helfen wollen, fragen Sie stattdessen bitte: Wo ist das ganze Geld geblieben? Warum hat es uns nicht erreicht?

Unterdessen berichteten zahlreiche Medien, unter ihnen DER SPIEGEL, über die rechtswidrigen „Pushbacks“ der Griechischen Regierung und die Verwicklung deutscher Sicherheitsbehörden in diesen Skandal.

Von Unbekannten getöteter Mann war pakistanischer Imam (SWR)

Anfang der Woche wurden ein Mann und eine Frau auf einem Spaziergang in Ebersbach an der Fils (Kreis Göppingen) von zwei noch unbekannten Tätern angegriffen. Der Mann erlag noch am Tatort seinen schweren Verletzungen. Der 26-jährige, informierte die Polizei später, war ein pakistanischer Imam, der in einer Stuttgarter Moschee predigte.

Arbeitsunfall – Doreen Reinhard (ZEITonline)

Doreen Reinhard (@DoreenReinhard) berichtet über ein persönliches Corona-Schicksal. Die Krankenschwester Jenny Fischer hatte sich bereits im Frühjahr bei einem Patienten angesteckt. Sie hat überlebt, ist aber noch lange nicht genesen. Anhand ihrer Geschichte schreibt Reinhard über die Schicksale derjenigen (ehemaligen) Corona-Patienten, für die Covid-19 noch lange ein unwillkommener Begleiter sein wird.

Das Schicksal von Jenny Fischer steht beispielhaft für so viele, die in der Pandemie an vorderster Front kämpfen: Krankenpfleger und Schwestern, Ärzte, auch Erzieher und Lehrerinnen, sogenannte systemrelevante Berufsgruppen, die sich nicht ins Home-Office zurückziehen – sich stattdessen Tag für Tag hohen Infektionsrisiken aussetzen. Oft geht es gut, immer wieder aber bezahlten Menschen wie Jenny Fischer ihren Einsatz mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die sie womöglich ein Leben lang begleiten. Manche bezahlen sogar mit ihrem Leben.

Sie fehlen (Tagesspiegel)

Der Tagesspiegel aus Berlin widmet den Toten der Pandemie in der Bundeshauptstadt eine eigene Präsentation im Netz. Für jede:n Tote:n brennt eine Kerze und sukzessive erzählen die Redakteur:innen und Autor:innen der Zeitung die Lebensgeschichten der Verstorbenen. Eine Aktion, die allen Lokal- und Regionalzeitungen zur Nachahmung empfohlen sei, aber vielleicht auch etwas für Kirchgemeinden oder -Kreise ist.

„Verheißung der Erlösung“?

Derweil hat eine Studie der AOK ergeben, dass neben den Beschäftigten im Gesundheitssektor Erzieher:innen vor allem von einem hohen Ansteckungsrisiko betroffen sind. Neben dem Schutz insbesondere der Pflegeheime, in denen in den vergangenen Tagen und Wochen besonders viele Menschen sterben, muss der Schutz dieser „systemrelevanten Berufsgruppen“ im Fokus stehen.

Heute beginnt in Deutschland der Impfmarathon gegen das Corona-Virus. Gestern Abend wurde bereits eine 101-jährige Bewohnerin eines Pflegeheimes in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) (medienwirksam) geimpft. Insgesamt wurden 30 Personen geimpft, doch einige Bewohner:innen und Mitarbeiter:innen wollten sich nicht impfen lassen, berichtet ZEITonline.

Die Impfung als „Verheißung der Erlösung“, wie Matthias Drobinski schreibt? Definitiv als Licht am Horizont dieses verkorksten Seuchenjahres, das uns auch in den kommenden Monaten beschäftigen wird. Auch was die Aufarbeitung der Fehler angeht, die Politik, Wirtschaft, Medien, Kirchen und Bevölkerung gemacht haben.

Kirche in den Medien 2020: Die Resonanz der Kirche in der Corona-Krise – Philipp Greifenstein (Die Eule, Ev. Akademie Sachsen-Anhalt)

Auf dem Magdeburger ökumenischen Neujahrsgespräch habe ich bereits am 9. Dezember einen kirchenmedienpolitischen Jahresrückblick beigesteuert, den wir nun aus dem Stream herausgelöst haben und als kurzes Video auf unserem YouTube-Kanal zur Verfügung stellen. Darin auch eine Selbstkritik aus der Perspektive der Kirchenmedien.

Verteidiger des Glaubens (3Sat Mediathek)

Als Papst Benedikt XVI. 2013 sein Pontifikat freiwillig aufgab, war das für die katholische Kirche ein ungeheurer Schritt. Dokumentarfilmer Christoph Röhl rekonstruiert, wie es dazu kam. Sein Film lief vor ein paar Tagen im linearen Programm bei 3Sat und steht darum nun auch in der Mediathek zur Verfügung. Ich habe bereits 2019 über die kritische Dokumentation geschrieben. Sehenswert!

Predigt

The facts on the ground: Christmas Message from Bethlehem – Mitri Raheb (Facebook, englisch)

Der lutherische Pastor Mitri Raheb grüßt zum Weihnachtsfest aus Bethlehem. Die Hirten eilen in der Heiligen Nacht an die Krippe, in der arabischen Übersetzung, um „the facts on the ground“, „die Geschichte [zu] sehen, die da geschehen ist“.

Mitri Raheb lädt dazu ein, sich die Leben der Menschen anzuschauen, die wirklich am Boden sind, und die Schicksale derjenigen, die auf unserer Erde unter systemischer Ungerechtigkeit leiden, denn in ihnen kommt Gott zur Welt. Und er lädt ein nach Bethlehem. In eine Stadt, die vom Tourismus lebt, und von der Corona-Pandemie schwer getroffen ist.

Ein guter Satz

Dies ist die Nacht, da mir erschienen des großen Gottes Freundlichkeit; das Kind, dem alle Engel dienen, bringt Licht in meine Dunkelheit

– „Dies ist die Nacht, da mir erschienen“, EG 40, Text: Kaspar Friedrich Nachtenhöfer 1684