Newsletter #LaTdH

Beweis antreten – Die #LaTdH vom 31. März

Stellen die Kirchen ihr Engagement gegen Rechtsradikalismus und AfD unter Beweis? Außerdem: Missbrauchskrise, Passion und bunte Religionsnachrichten zum Fest der Auferstehung.

Herzlich Willkommen!

Sind wir alle „Karsamstagschristen“? Diese Frage haben „Eule-Podcast“-Host Michael Greder und ich uns in der aktuellen Episode von „Eule-Podcast RE:“ gestellt. Weil unser monatlicher Rückblick auf die wichtigen Nachrichten und Debatten in Kirche und Religionspolitik auf den gestrigen Karsamstag gefallen ist, haben wir zu Beginn der Folge darüber nachgedacht, was uns der Karsamstag heute bedeuten kann. Dann haben wir uns der evangelischen Missbrauchskrise am Beispiel des Oesede-Abschlussberichts und der Erklärung des hannoverschen Landesbischofs Ralf Meister gewidmet (s. #LaTdH vom 17. März und die „Sektion F“-Kolumne „Macht(un)gleichheit“ von Carlotta Israel vom Montag).

Außerdem haben Michael und ich noch über die „weiße Fahne“ von Papst Franziskus und die Zukunft des Synodalen Weges gesprochen (s. #LaTdH von letztem Sonntag). Dieser März war ein kirchenpolitisch voller Monat und das ganz ohne Kirchenaustrittszahlen, die uns die evangelische Kirche im letzten Jahr noch im März präsentierte. Die Passionszeit 2024 war trotz dieser Enthaltsamkeit keine kirchennachrichtliche Fastenzeit. Und jetzt ist wieder Ostern geworden, der Heiland auferstanden, Ostereier werden gesucht und in den Kirchen wird „Halleluja“ gesungen. Oder wie es in Falcos „Out of the dark“ heißt, das bei der RTL-Inszenierung der Passion (hier & hier in der Eule) als Duett zwischen Judas und Jesus herhalten musste:

Das weiße Licht kommt näher, Stück für Stück
Will mich ergeben
Muss ich denn sterben
Um zu leben?

Eine gute Tradition zum Osterfest ist das Osterlachen. Gerne induziert durch einen Witz, der vom gottesdienstleitenden Personal erzählt wird. Auch wenn den Prediger:innen in diesem Jahr vielleicht nicht zum Lachen zu Mute ist. Aber wann, wenn nicht zu Ostern, können wir dem Tod ins Gesicht lachen?

Frohe Ostern wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

Anfang des Jahres haben hunderttausende Menschen auf den Straßen und Plätzen gegen den Rechtsruck in Deutschland und die AfD demonstriert. Einen „Lagerfeuermoment“ habe ich das hier in den #LaTdH genannt. Die Kirchen sind an vielen Orten maßgeblich beteiligt (gewesen) an der Organisation der Demos. Viele Christ:innen zeigen sich als geübte Antifaschist:innen. Anders als in den vergangenen Jahren haben sich auch die Bischöfe und Leitenden Geistlichen nicht lumpen lassen:

Bereits im Januar rieten die römisch-katholischen Bischöfe im Osten des Landes explizit von der Wahl rechtsradikaler und rechtsextremer Parteien, auch der AfD, ab (s. #LaTdH vom 21. Januar). Dieses klare Votum machten sich alle Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz mit einer ausführlichen Erklärung zu eigen. Dieser Erklärung schloss sich wiederum die amtierende EKD-Ratsvorsitzende, Bischöfin Kirsten Fehrs (Sprengel Hamburg und Lübeck, Nordkirche), für die evangelische Kirche an (s. s. #LaTdH 25. Februar & 3. März). Schließlich warnte die Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) von ihrem Treffen in Dresden und Pirna aus vor der AfD (s. #LaTdH vom 24. März):

„Wer die AfD wählt, unterstützt eine Partei, die das christliche Menschenbild mit Füßen tritt, programmatisch mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gegen das Gebot der Nächstenliebe verstößt und mit ihren Hetzparolen den Geist der Gemeinschaft vergiftet.

Diese Partei will uns die Mitmenschlichkeit, unseren Nächsten die Menschenwürde und Gott die Ehre entreißen. Wir bitten Christ*innen und Nicht-Christ*innen, mit ihrer Stimme bei den zwölf anstehenden Wahlen in diesem Jahr die Demokratie zu stärken und nicht zu schwächen.“

Die klare Kante der Kirchen hat ihr viel Anerkennung und Lob beschert. Das Echo ist jedenfalls bisher viel positiver ausgefallen, als sich das viele Vorderen (insbesondere in den evangelischen Kirchen) gedacht hätten. Das deutliche Votum gegen die AfD lag – „Lagerfeuermoment“ – im Geist der Zeit. Nun will es aber auch durchgehalten werden. Bisher haben sich zumeist die richtigen über die verschärfte Form der „Theo-Politik“ wider die Rechtsradikalen und -Extremen geärgert. Wenn es aber in die notwendigen Konflikte vor Ort und auch in den kirchlichen Strukturen selbst geht, wird sich erweisen müssen, was die hehren Worte wert sind.

Pfarrer verliert Stelle wegen AfD-Kandidatur (ZDFheute)

Der Fall des mitteldeutschen Pfarrers Martin Michaelis hat in den vergangenen Tagen deutschlandweit Schlagzeilen gemacht. Dabei hatte die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) den Entzug seiner Beauftragung für den Pfarrbereich Gatersleben durch den zuständigen Kirchenkreis denkbar sachlich und knapp bekanntgegeben (s. hier). Oberkirchenrat Michael Lehmann, der Dezernent für Personal im EKM-Landeskirchenamt, erklärte:

„Als Pfarrer der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland ist Herr Michaelis dieser zur Loyalität verpflichtet sowie an die Grundsätze der Verfassung der EKM gebunden. Die Position der EKM indiziert, dass die Kandidatur eines Pfarrers für die AfD, wenn auch als Parteiloser, mit der ihm obliegenden Treue- und Loyalitätspflicht nicht vereinbar ist.“

Damit hätte dieses neueste Kapitel in der langen Radikalisierungsstory des Martin Michaelis auch sein Bewenden haben können. Michaelis war bereits während der Corona-Pandemie als rechtsdrehender Schwurbelpfarrer auf Querdenkendemos aufgetreten. Damals auch noch als Vorsitzender des Thüringer Pfarrvereins. Seine Ehrenämter in Pfarrvertretungen ist er „seit Corona“ los. Die (recht) klare Positionierung seiner Landeskirche Anfang des Jahres nahm er zum Anlass, auf der Kommunalwahlliste der AfD zu kandidieren. Diese Eskalation hat Michaelis also selbst herbeigeführt und wohl auch bezwecken wollen.

Weil ein solches Eintreten für die Ziele der AfD in den Kirchen und auch unter Pfarrer:innen selten ist, hat das natürlich Nachrichtenwert. Aber man darf sich trotzdem fragen, ob denn nicht die lieben Medienkolleg:innen den Fall ein wenig übertrieben darstellen, wenn sie gleich bis zu den Deutschen Christen während des Nationalsozialismus oder bis zum Apostel Paulus ausholen müssen. Gelegentlich liegt das wohl auch daran, dass man vom eigentlichen Vorgang wenig weiß. Oder von Kirchengesetzen und Ordinationsrechten. Und Kommunalpolitik. Da müssen dann halt die national-chauvinistische Historie des Protestantismus und die Bibel herhalten, damit der Artikel noch auf die richtige Länge kommt.

Seine Ordinationsrechte ist Michaelis übrigens nicht los und bleibt somit weiterhin Pfarrer der EKM – ohne Dienstauftrag. Ein erstes Disziplinarverfahren hatte zumindest keine Auflösung des Dienstverhältnisses zum Ergebnis. Ob die EKM sich die Mühe noch einmal macht, wird man sehen. Michaelis selbst kann jetzt seinen Moment der Aufmerksamkeit in den einschlägigen rechten Medien genießen.

AfD-Kandidatin ohne Ehrenamt in Kirche – Reaktionen positiv (KNA, katholisch)

Die katholische Pfarrgemeinde im badischen Weil am Rhein hat die Zusammenarbeit mit einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin vorerst aufgekündigt, weil sie bei der Gemeinderatswahl der Stadt für die AfD kandidieren will.

Die Reaktionen auf die Entscheidung der Pfarrgemeinde seien durchweg positiv, sagte der Pfarrer. „Der große Anteil bestätigt und begrüßt die klare Entscheidung.“ Auch innerhalb der Kirchengemeinde selbst sei die Reaktion positiv. Ein „ausgrenzendes Menschenbild“ sei mit der katholischen Kirche nicht vereinbar, betonte Möller. Wenn jemand für die AfD kandidiere, dann sei das ein klares Bekenntnis zu den Werten und Anliegen, für die die AfD stehe.

Pfarrer Gerd Möller begründete sein Vorgehen auch mit der DBK-Erklärung von Februar. Schön, wenn kirchenamtliche Dokumente wie Grundordnungen und Erklärungen orientierenden Einsatz finden. Dass AfD-Nähe und Rechtsradikalismus auch in der Kirchenmitgliedschaft ein Problem sind, habe ich Anfang des Jahres im Anschluss an den Jenaer und Erfurter Theologen Michael Haspel im „Himmelklar“-Podcast von katholisch.de und Domradio erklärt. Das betrifft – wie hier erklärt – vor allem Menschen, die eher weniger aktiv in der Gemeinde sind, auch wenn es solche Fälle immer wieder gibt.

Der Wert klarer Worte und Taten gegen die AfD und den Rechtsradikalismus liegt besonders darin, zweifelnde und schwankende Kirchenmitglieder zu erreichen. Außerdem zeigen sich die Kirchen dadurch solidarisch mit den Opfern rechter Gewalt, die in der Kirche einen Schutzraum suchen. Dazu verpflichtet die Kirchen das Evangelium und die eigene historische Verantwortung.

Den Schutz von Opfern rechter Gewalt und Politik muss man mit konkretem kirchlichen Handeln unter Beweis stellen. Niemandem nutzen Bischofsworte, wenn man sich nicht mehr in den Gottesdienst traut, weil AfDler sich da breit gemacht haben. Das stellt die Notwendigkeit der Seelsorge an rechtsdrehenden, häufig distanzierten Kirchenmitgliedern übrigens nicht in Frage (wovon alle Pfarrer:innen während der Corona-Pandemie ein Lied singen konnten). Selbst die linken Pfarrer:innen und Theolog:innen, die sich mit einer Petition für eine antifaschistische Kirche einsetzen (wir berichteten), stellen das nicht in Frage. Das zu behaupten, heißt, rechter Propaganda auf den Leim zu gehen.

Katholische Bischöfe warnen erstmals vor der Wahl der AfD – Interview mit Erzbischof Heiner Koch von Benjamin Lassiwe (Nordkurier)

Welche Konsequenzen hat das klare Nein der katholischen Bischöfe gegenüber der AfD eigentlich in der Praxis? Darüber gibt der Berliner Erzbischof, Heiner Koch, im Interview bei Benjamin Lassiwe Auskunft. U.a. geht es um den AfD-Fraktionsvorsitzenden im Brandenburger Landtag, Hans-Christoph Berndt, der Katholik ist und aus der katholischen Jugend stammt. Koch bleibt bei der einheitlichen Linie der Bischöfe:

„Ich befürworte und unterstütze sehr, dass sich Katholiken in demokratischen Parteien engagieren und anerkenne deren Engagement als Christen in der Politik. Diese Anerkennung gilt nicht für Politiker, die in ihrem Reden und Handeln menschenfeindliche und rechtsextreme Positionen vertreten.“

Im weiteren Gespräch geht es auch um den „Marsch für das Leben“ (s. hier in der Eule) und die Haltung der katholischen Kirche zur Abtreibungsgesetzgebung in § 218. Der Lebensschutz ist das Einfallstor für rechte Akteur:innen in der römisch-katholischen Kirche (und den evangelikalen Teilen des Protestantismus). Darüber hat Rechtsextremismusexpertin Sonja Strube bei uns im Eule-Interview aufgeklärt.

„Wir müssen mehr Hoffnung vermitteln“ – Interview mit Thorsten Latzel von Benjamin Lassiwe (General-Anzeiger)

Seine vorösterliche Runde bei den Leitenden Geistlichen der Kirchen setzte Kirchenspezialist Benjamin Lassiwe in dieser Woche bei Thorsten Latzel, dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) fort. Latzel positioniert sich gerne auch politisch und inszeniert sich durchaus geschickt in den Medien und auf seinen Sommertouren als nahbarer, frischer Akteur des Protestantismus (s. „Splitter“ vom Kirchentag 2023). Er legt Wert darauf, dass man die AfD nicht explizit ausgrenze:

„Wir haben bei uns keinen Parteienausschluss. Wir fragen aber jeden Menschen, der sich politisch positioniert, wie sich das mit einer christlichen Grundhaltung verträgt: Der Achtung der Menschenwürde und ein respektvolles Zusammenleben in Vielfalt, wie es in der Kirchenordnung festgeschrieben ist. Das muss sich jede Person kritisch fragen lassen, die die AfD unterstützt. Presbyterinnen und Presbyter legen schließlich ein Gelübde ab, das sich auf die Heilige Schrift und die Bekenntnisse der Kirche bezieht, auch auf die Barmer Theologische Erklärung aus der NS-Zeit.“

Reicht es zu fragen? Muss man nicht auch konsequent sein?

Latzel: Das funktioniert sehr gut. Im Moment achten wir auf den einzelnen Menschen und seine Handlungen. Die Situation kann sich verändern, wenn die AfD als Gesamtpartei gesichert rechtsextremistisch ist. Aber den Fall haben wir zurzeit noch nicht.“

Die Einschätzungsfrage weist Latzel eher „legalistisch“ also dem Staat zu, während insbesondere die katholischen Bischöfe eher „theo-politisch“ argumentieren. Diese Denkfiguren habe ich mir übrigens von Gabriele und Peter Scherle geliehen, die diese Unterscheidung in den zeitzeichen im Nahost-Konflikt anlegen. Den Protestanten allgemein und den Lutherischen im Besonderen ist das sicher lieber, aber es darf nicht vor der Verantwortung für das eigene Haus ablenken. Seit Jahr und Tag beherbergt die rheinische Landeskirche eine stattliche Zahl von Quertreibern – durchaus auch mit Ordinationsrechten. Ein Pfarrer der Landeskirche darf eine prominente Kolumne in einem rechtsradikalen Medium schreiben, ohne dass dies auf weiteren wahrnehmbaren Widerspruch trifft.

Im Rest des Interviews geht Latzel auf die weitere Kirchenpolitik – insbesondere auch auf den Missbrauch – ein. Bezüglich der Performance der Evangelischen Kirche wolle Latzel keine „Haltungsnoten“ vergeben. Das steht ihm als rheinischen Präses sicher auch nicht zu. Man bemühe sich, …

“ … dem Leid, das Menschen erfahren haben, zumindest in Ansätzen gerecht zu werden. Wir werden das geschehene Unrecht niemals aufwiegen können, aber wir bemühen uns, den Menschen gerecht zu werden.“

Das scheint mir doch auch für den Umgang mit AfD & Co. ein guter Maßstab zu sein. Wer hat und hätte unter ihrer Politik zu leiden? Nach der Brandstiftung in Solingen ist das Entsetzen groß. Auch die Kirche in Solingen engagiert sich. Den Brandstiftern in unserem Land muss man beherzt entgegentreten und mit lebendigen Wasser zu löschen versuchen, wo die Flammen züngeln.

nachgefasst

Missbrauch evangelisch: Wegsehen und verschweigen („Stationen“, BR, 29 Minuten)

Die Religionsredaktion des Bayerischen Rundfunks hat wieder eine sehenswerte Dokumentation über den Missbrauchsskandal in der evangelischen Kirche gesprochen, in der u.a. die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM), Kerstin Claus, BeFo-Betroffenensprecher Detlev Zander und Betroffene aus evangelischen Tatkontexten sprechen. Auch die amtierende EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs kommt im Interviewausschnitten von der Vorstellung der „ForuM-Studie“ zu Wort, genauso wie „ForuM“-Koordinator Martin Wazlawik.

Der Rückblick auf die vergangenen Monate seit November 2023, die Schilderungen der Betroffenen und die kleinen Milieustudien bis hin zur Arbeit des Studienzentrums Joseftal (bzgl. Helmut Kentler) sind eine wertvolle Ergänzung der aktuellen Debatte. Ich würde mir wünschen, dass auch andere ARD-Rundfunkanstalten dem Missbrauch in der evangelischen Kirche und Diakonie so nachgehen.

Sexualisierte Gewalt im Kinderheim: „Ein Mensch, der Kinder mit Freude terrorisiert hat“ – Barbara Schneider und Eckhart Querner (BR, tagesschau.de)

Ein evangelischer Diakon aus Niedersachsen wird Ende der 1960er-Jahre Leiter eines Kinderheims in Bayern, wo er mehrfach sexualisierte Gewalt ausübte. Der Fall von Hermann Ammon aus der aktuellen „Stationen“-Dokumentation zeigt Muster evangelischen Missbrauchs auf, die uns seit der „ForuM-Studie“ deutlich vor Augen stehen: Die Verantwortungsdiffusion reicht (mal wieder) soweit, dass Landeskirche(n), Diakonie und betroffene Einrichtung jeweils von sich wegweisen können.

Die bayerische Landeskirche verweist hier auf die unterschiedlich verteilten Zuständigkeiten. Das Nicolhaus liege in ihrem Bereich, der beschuldigte Diakon sei Mitglied einer Diakonengemeinschaft in Hannover gewesen, das Nicolhaus sei eine Einrichtung des örtlichen Diakonievereins. „Damit sind unsere Möglichkeiten leider sehr begrenzt.“ […]

Auch die Diakonie in Bayern sieht nicht sich, sondern den Träger vor Ort in der Pflicht. Präsidentin Sabine Weingärtner sagt: „Das war auch nicht unser Auftrag, als Landesverband Recherchen zu diesem Fall anzustellen.“ Man habe dem örtlichen Verein, der von Ehrenamtlichen geführt wird, nahegelegt, den Fall aufzuarbeiten. Dort hat man Zeitzeugen befragt, die die Angaben der Betroffenen bestätigen. Eine Nachfrage des Bayerischen Rundfunks bei der Dachstiftung Diakonie in Hannover bringt Details über den mutmaßlichen Täter ans Tageslicht. In einem Archiv in Gifhorn gibt es eine Akte über den Diakon.

Kommentar zur EKD-Osterbotschaft: Aus Fehlern der katholischen Kirche lernen – Joachim Frank (DLF, 4 Minuten)

Wer heute Ostern feiert, so fragt Joachim Frank im Kommentar im Deutschlandfunk, „der will vielleicht keine grellen Misstöne im österlichen Halleluja“ und kritisiert die Osterbotschaft der amtierenden EKD-Ratsvorsitzenden Bischöfin Kirsten Fehrs (Sprengel Hamburg und Lübeck, Nordkirche) vom Gründonnerstag, die ohne eine Erwähnung der „ForuM-Studie“ auskommt. Die „multiplen Krisen“, in denen wir alle leben und zu denen die Kirchen viel zu sagen haben wollen, dürften nicht dazu dienen, das Thema Missbrauch „abzumoderieren“, erklärt Frank, der als Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP) und Mitglied des ZdK weiß, wovon er spricht, wenn er das Wort „Missbrauchskrise“ in den Mund nimmt.

Bei der Tagung „Sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche und der Diakonie: Werkstatt Aufarbeitung“ vom 12. bis 14. April in der Evangelischen Akademie Loccum gibt es übrigens noch freie Plätze für interessierte und lernbereite Akteur:innen.

Der Missbrauchs-Prozess, Ratzingers Brief und die Erinnerungslücken der Kirche – Anna Kassin , Cem Bozdoğan , Marcus Bensmann (Correctiv)

Die Correctiv-Redaktion zeichnet die Hintergründe des Falls von Andreas Perr nach, der gegenwärtig vom Erzbistum München und Freising einen hohen Schadensersatz erstreiten will. Verwickelt in die Geschichte ist auch Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.. Das meiste, das Correctiv im Artikel zusammenfasst, ist bereits bekannt, aber wie bei dem Recherchebüro üblich („Geheimplan gegen Deutschland“, s. #LaTdH vom 21. Januar) liest sich das alles wie ein spannender Krimi.

Buntes

Bald islamische Militärseelsorge in der Bundeswehr – Christoph Strack (Deutsche Welle)

Das Bundesministerium der Verteidigung arbeitet an der Einführung von seelsorgerlichen Angeboten für muslimische Soldat:innen in der Bundeswehr. Jüdische, katholische und evangelische Seelsorger:innen gibt’s bereits, warum noch keine islamischen? Bisher galt, „es fehlt ein Ansprechpartner auf muslimischer Seite“, dabei setzen sich auch die Kirchen für eine Erweiterung der Seelsorge für Soldat:innen ein.

[D]er Sozialdemokratin Högl reicht das 2024 nicht mehr. Sie wird weitaus kritischer. Das „Fehlen einer gleichberechtigten Militärseelsorge für Soldatinnen und Soldaten der islamischen Glaubensrichtungen“ sei „äußerst unbefriedigend“. Sie fordert das Verteidigungsministerium „sehr nachdrücklich auf, zügig die seelsorgerische Betreuung durch geeignetes Personal auf Leistungsvertragsbasis einzurichten“. […]

Seit Mitte März erarbeitet nun ein Fachreferent des Ministeriums ein konkretes Seelsorge-Angebot für Muslime in der Bundeswehr und solle dessen organisatorische Umsetzung begleiten, wie eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums der DW sagt.

Christenverfolgung: Ein Stachel im Fleisch der Herrschenden – Benjamin Lassiwe (Weser-Kurier)

Im Weser-Kurier erinnert Benjamin Lassiwe anlässlich des Osterfestes an die Verfolgung von Christen in zahlreichen Ländern der Welt. Der Einsatz für Religionsfreiheit dürfe nicht nur etwas für „die Frommen“ sein, weil Menschenrechte „unveräußerlich, unteilbar und unverzichtbar“ sind.

Am Ostersonntag werden mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit der Auferstehung Jesu gedenken. Doch für viele Gläubige ist Ostern nicht nur das wichtigste Fest im Kirchenjahr. Es sind auch mit die gefährlichsten Tage des Jahres. Seit vielen Jahren häufen sich an hohen christlichen Feiertagen Anschläge und Attentate auf betende Menschen. Kaum ein Jahr vergeht, ohne dass im Nordirak oder in Nigeria Bomben explodieren, ohne dass Menschen in der Heiligen Messe um sich schießen. Kaum ein Jahr vergeht ohne Festnahmen und Folter im Iran. Gewöhnen darf man sich daran nicht.

Steinerne Propheten – Philipp Greifenstein (zeitzeichen)

Haben Sie die letzte Diskussion um die „Schlossattrappe“ in Berlin und acht Statuen alttestamentlicher Propheten, die auf ihr zum Stehen gekommen sind, mitbekommen? Und die rechtsmediale Aufregung über eine Gebetsgeste des deutschen Nationalspielers Antonio Rüdiger? Beide Aufreger stehen in einem Zusammenhang, erkläre ich in meiner aktuellen z(w)eitzeichen-Kolumne. Gut informiert über die Bauprobleme am Berliner Schloss wird man bei Andreas Hartmann in der taz.

Sein blinder Fleck – Andreas Englisch (Christ & Welt)

Papst Franziskus hat ein neues Interviewbuch veröffentlichen lassen. Zumindest damit steht er ganz in der Tradition seines Vorgängerns Benedikt XVI. / Joseph Ratzinger, der das vornehmlich gemeinsam mit Peter Seewald (der ihm auch eine schlimme Biographie gewidmet hat) vorgemacht hat. Für die Christ & Welt bespricht der erfahrene Vaticanista Andreas Englisch das neue Buch.

Wer als Leser gesammelte Anekdoten aus dem Leben dieses Papstes genießen will, ist mit dem Buch gut bedient. Wer sich Informationen über die brisanten Ereignisse seines elfjährigen Pontifikats erhofft, wird enttäuscht. Apropos: Was denkt Franziskus über den aktuellen Streit zwischen den deutschen Bischöfen und dem Vatikan? Der scheint ihn nicht weiter zu beschäftigen. Er erwähnt ihn mit keinem Wort.

In ‘God Gave Rock & Roll to You,’ Leah Payne details the rise and fall of CCM (RNS, englisch)

Leah Payne, Associate Professor für amerikanische Religionsgeschichte am Portland Seminary, hat ein neues Buch über „CCM“, die Contemporary Christian Music, vorgelegt. Das Buch gibt es in englischer Sprache und es sieht die jüngere christliche Musikgeschichte in den USA, die vermittels der Worship-Kultur auch Einfluss auf die Kirchen in Deutschland und Europa hat, als Spiegelbild der Entwicklungen in Religiosität und Kirche.

The CCM market was also affected by larger changes in the American religious landscape—such as the rise of charismatic megachurches like Hillsong and Bethel, whose songs dominate the worship music sung in churches. […] “Among evangelicals, the group that had the most institutional heft was the Southern Baptist Convention,” she said. “And they have faded. CCM has faded. And what has arisen are the nondenominational charismatics. The music showed us that that was coming.”

RTL-Passion: Teilen wir die Sprache dieser Menschen? – Interview mit Anna Neumaier von Felix Neumann (katholisch.de)

Der Bochumer Religionswissenschaftlerin Anna Neumaier zeigt die Passion auf RTL, wie man so über Glauben sprechen kann, dass man Menschen erreicht, die von der Kirche wenig wissen wollen. In der Eule hatten wir das Fernsehevent mit einem pop-theologischen Artikel von Anna Jäger und Max Tretter über Post- und Meta-Ironie sowie einer Rezension der Sendung von mir begleitet. Trotz erheblichen Befremdens kann Neumaier der Sache etwas abgewinnen:

„[E]s gibt auch die, die sich abgeholt fühlen, die sich repräsentiert sehen. Und zwar hier eben mal nicht nur als Objekt der Berichterstattung über zum Beispiel kirchliche Skandale, sondern mit christlichen Inhalten. Dazu muss man nicht alles im Detail gut finden, sondern kann auch einfach nur würdigen, dass es solche christlichen Inhalte in der Prime Time auf RTL gibt.“

Im weiteren Verlauf des Gesprächs spricht Neumaier – KMU ick hör‘ dir trappsen – über verschiedene Spiritualitäts- und Religionsverständnisse. Sogar das schöne Boomer-Wort „Tiefendimension“ fällt, allerdings um die Bibelzitate im Libretto zu würdigen.

Ein guter Satz

„Auferstehung wird heute Ereignis oder überhaupt nicht.“

– Paul Tillich