Newsletter #LaTdH

Ein Jahr wie ein Container – Die #LaTdH vom 2. Januar

Die Kirchen werden kleiner, aber auch immer radikaler? Außerdem: Diskussionen ums Impfen, päpstliche Selbstwidersprüche und west-östliche Perspektivwechsel.

Frohe Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr!

Die #LaTdH sind zurück aus den Mini-Weihnachtsferien: Das neue Jahr steht wie ein Container angefüllt mit Lebensmittelresten vor uns – bereit geknackt zu werden.

Schlagzeilen auch jenseits der üblicherweise mit Religions- und Kirchenthemen befassten Bubbles machte in den vergangenen Tagen der Jesuit Jörg Alt (@JoergAltSJ), der in Nürnberg containerte Lebensmittel an Bedürftigte verteilte, bis er sich dafür selbst anzeigte. Nun erhielt er eine Vorladung wegen besonders schweren Diebstahls. Für den Deutschlandfunk hat Mechthild Klein (@mechthild_klein) mit Alt über seine Aktionen und Ziele gesprochen und bei katholisch.de gibt’s ebenfalls ein Interview zu lesen.

Bisschen mehr Mut zu solchen den üblichen Ablauf störenden Aktionen im Geiste des Nazareners wünsche ich uns allen im neuen Jahr!

Philipp Greifenstein

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Debatte

Pünktlich zum Fest der Feste gab eine kurze Diskussion darüber, dass die beiden großen Kirchen im neuen Jahr 2022 wohl zum ersten Mal vermelden werden, zusammen weniger als die Hälfte der Bevölkerung zu ihren Mitgliedern zählen zu können, und anschließend eine Debatte darüber, dass insbesondere die Evangelische Kirche zu links, liberal und/oder grün sei. An dieser Debatte haben sich in der Eule Hermann Diebel-Fischer und ich beteiligt.

„Die Bedeutung des Islams in Deutschland wird steigen und die des Christentums zurückgehen“ – Interview mit Detlef Pollack von Oliver Maksan (NZZ)

Aus der Berliner Redaktion der Neuen Zürcher Zeitung kommt dieses interessante Gespräch mit dem Religionssoziologen Detlef Pollack (@DetlefPollack), das der ehemalige Tagespost-Chefredakteur Oliver Maksan (@OliverMaksan) geführt hat. Sonst ist das Haus ja mit beherzt schrulligen konservativ-populistischen Takes befasst (s. Überschrift), aber das Interview kommt ganz ohne Krawall aus.

Pollack mag für den Mitgliederschwund der Kirchen keine wirklich bahnbrechende Erklärung anzubieten außer Verweise auf Individualisierung und Pluralisierung. Was könnten die Kirchen denn überhaupt anders machen?

Früher trauten sich die Kirchen zu, gesellschaftliche Krisen theologisch zu deuten, zum Beispiel als Strafe Gottes oder als Ruf zur Umkehr. Heute verzichten die grossen Kirchen – anders sieht es bei den kleinen freikirchlichen Gemeinschaften aus – darauf, die Welt im Ganzen zu interpretieren.

Sie geben Anstösse zur alltäglichen Besinnung und zur Reflexion über die Art, wie wir unser Leben führen, aber verstehen sich nicht mehr als Instanz zur Vermittlung eines Weltbildes oder einer Weltanschauung. Sie richten keine missionarischen Appelle mehr an die Menschen, die bei diesen auch nicht gut ankommen würden, sondern begnügen sich damit, die Menschen in ihrem Leben zu begleiten und bei Bedarf für sie da zu sein.

Das klingt auf den ersten Blick natürlich wenig aufregend, stellt aber für die kirchlichen Mitarbeiter:innen in Haupt- und Ehrenamt schon eine riesige Herausforderung dar. Ich bin eigentlich dankbar, dass sich im internationalen Vergleich gesehen, wenige Theolog:innen auf das Glatteis wagen, der Pandemie unbedingt Sinn abringen zu wollen. Immer wenn sie in die Kiste mit den Pandemie-Metaphern greifen, geht’s sowieso schief.

Ansonsten sprechen Maksan und Pollack, der aus dem Osten stammt, über den „kulturellen Heimatverlust“, der durch die „zunehmende Entkirchlichung“ drohe, die sich – so vermutet Pollack – unterhalb der 50 %-Grenze noch beschleunigen wird:

Wir kennen diesen Effekt aus vielen Ländern, etwa aus den Niederlanden, wo die kirchlichen Milieus bis in die 1950er Jahre hinein stabil wirkten und sich mit der kulturellen Revolution der 1960er Jahre der Anteil der Kirchenmitglieder erst von 75 auf 60 Prozent reduzierte und dann innerhalb relativ kurzer Zeit auf 30 Prozent schrumpfte. Eine ähnliche Entwicklung könnte auch Deutschland bevorstehen.

Der Konjunktiv deutet schon an, dass es sich hierbei um eine mögliche Zukunft handelt. Denn eine große anti-kirchliche Bewegung in der Gesellschaft wie in den 1960er-Jahren sehe ich nicht. Die haben beide großen Kirchen in Deutschland überlebt. Eher ist die Kirche den Leuten egal und das Wissen um Religionen und Kirche einer zunehmend kleiner werdenden Schar von Bildungsbürger:innen vorbehalten.

Warum treten Menschen aus der Kirche aus?

Warum Menschen den Kirchen den Rücken kehren, haben wir erst im letzten Sommer anlässlich der alljährlichen Veröffentlichung der Kirchenmitgliedschaftszahlen hier und hier in der Eule diskutiert. In einem etwas anderen Zusammenhang habe ich das in dieser Woche so zusammengefasst:

In der Kirche sind die meisten nicht aufgrund der Lehre, sondern aus Gewohnheit, familiärer und biographischer Verbundenheit, weil man sich davon einen Nutzen verspricht oder die ungefähren Ziele der Organisation teilt (Frieden auf Erden, Nächstenliebe). Wo kirchliches Handeln mit diesem Bild in Konflikt gerät oder der konkrete Nutzen als Gegenleistung für den geleisteten Tribut (Kirchensteuer) nicht mehr wahrgenommen wird, trennen sich die Wege.

Dabei scheint es durchaus eine Alterslinie bei ungefähr 40 Jahren zu geben: Drunter treten Menschen aus, weil sie mit dem Laden einfach nichts mehr anfangen können und er ihnen daher zu teuer ist. Drüber finden Kirchenaustritte ihre Auslöser häufiger im konkreten (Nicht-)Handeln der Kirchen – auch und besonders im persönlichen Kontakt. Das jedenfalls ergab eine Untersuchung der evangelischen Landeskirchen in Württemberg (ELKWUE) und Westfalen (EKvW).

Ob auf solche individuellen Prozesse der Anteil der Kirchenmitglieder an der Gesamtbevölkerung einen Einfluss hat? Ich glaube, eher nicht. Und, weil ich ja im Osten lebe, aus dem Pollack stammt und wo ca. 20 % der Menschen noch einer christlichen Kirche angehören:

Der These, der „Resonanzraum des Christlichen“ würde per se schrumpfen, kann ich wenig abgewinnen. Denn es ist nicht so, dass an dessen Stelle irgendwas treten würde, was ihn auffüllen würde/könnte. (Auch nicht der Islam im Übrigen, wie der Professor in der letzten Passage des Interviews erklärt und damit die Überschrift .. ähm .. einordnet.)

Großbölting: Moralisches Kapital der Kirchen durch Missbrauch aufgezehrt (KNA, Kirche+Leben)

Nicht eben positiv schaut auch der Historiker Thomas Großbölting (bei @religionpolitik) in die Zukunft der Kirchen. Er ist im Bistum Münster Leiter der HistorikerInnenkomission, die Missbrauchsverbrechen der vergangenen Jahrzehnte und den kirchlichen Umgang mit ihnen aufarbeitet. In der Missbrauchskrise sieht Großbölting eine Hauptursache für den Vertrauensverlust in „die Kirche“, mit der bei ihm gleichwohl vor allem die römisch-katholische Kirche gemeint ist.

[D]as Vertrauen in Kirchen, Bischöfe und Pfarrer werde „zunehmend durch Distanz, gelegentlich sogar von grundsätzlichem Misstrauen“ ersetzt. Auch Politiker, die von der Nähe zu den Kirchen lange profitiert hätten, gingen auf Distanz. Dazu trage auch bei, dass aus Sicht vieler Bürger die Bischöfe bei der Aufklärung von Missbrauch versagten. „Niemand will Verantwortung übernehmen und zurücktreten.“

Den überkonfessionellen Schwund allerdings kann die Missbrauchskrise nicht erklären: Natürlich gibt es Übertragseffekte und natürlich haben die evangelischen Kirche ihre eigene Missbrauchskrise, und doch scheint mir das Problembewusstsein unter evangelischen Christen nicht derart ausgeprägt, dass es zu massiven Kirchenaustritten führt.

Großbölting rechnet mit einem stark sinkenden Einfluss der Kirchen in Politik und Gesellschaft. Die in der Geschichte der Bundesrepublik traditionell sehr enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche werde immer brüchiger, […].

Wer finster in eine düstere Zukunft schaut, wird immer irgendwie Recht behalten. Aber auch hier kommt es darauf an, aus welcher Perspektive man schaut. Ist es nicht erstaunlich, dass im Osten seit der Wiedervereinigung patentierte und ausgewiesene Christen regieren? Dass in Staat, Medien und Zivilgesellschaft nicht gerade wenige Christen tonangebend sind? Und dass dies von der konfessionsfreien Mehrheitsbevölkerung nicht nur geduldet, sondern offenbar gewünscht ist?

Dass man sich in einer pluralen Gesellschaft Bedeutung mit anderen teilen muss, z.B. in Rundfunkräten, gereicht mir nicht zum Heulen und Zähneklappern. Vielleicht sollten wir anfangen, Bedeutung und Anerkennung zu differenzieren. „Salz der Erde“ sein und dafür gelobt werden wollen, sind zwar Paar Schuhe. Im Sinne von Lukas 9,3 sollen wir davon sowieso nur eines haben.

Meinung: Deutschland verändert sich – Die Volkskirchen werden zur Minderheit – Christoph Strack (Deutsche Welle)

Die Ergebnisse der im Auftrag der FAZ durchgeführten Allensbach-Umfrage (€), die für das kleine Rascheln im bürgerlichen Blätterwald sorgte, kommentiert bei der Deutschen Welle Christoph Strack (@Strack_C). Kirchenaustritte hätten wohl auch konkrete Gründe wie die Sexualmoral der Kirche oder Missbrauchs-Skandal, manchmal können man sie – „Stichwort Köln – an konkreten Namen festmachen“.

Aber längst nicht immer, vielleicht sogar eher selten ist der Kirchenaustritt tatsächlich eine Distanzierung, auch wenn man immer wieder hört, dass selbst engagierte Kräfte gehen oder Ehrenamtler wegbrechen. Eher wirkt es so, als ob man einander verloren hat. Das Gefühl von Religion und Glaube oder auch das Gefühl für Religion und Glaube verdunstet. Und das nicht etwa, weil nun alle wie doll Philosophie studieren. Die Welt meint, jede Frage mit Google oder auf jeden Fall mit Ethikräten beantworten zu können. […]

Deshalb ist eine irgendwie verschwommene Religionsfreundlichkeit, die einige Experten aufziehen sehen, noch keine Verheißung. Die verfasste Form von aufgeklärter Religion hat schon ihren Sinn, weil sie der Radikalisierung und Ich-Zentrierung entgegensteht.

Aber sowohl die katholische als auch die evangelische Seite müssen aus Verteidigungshaltungen heraus kommen und andere Akzente setzen. Im Corona-Sprech würde man vielleicht sagen: vor die Welle kommen.

Als ein bestimmendes kirchliches Handlungsfeld dafür sieht Strack die Seelsorge. Seelsorge funktioniert nur über die Nähe zu Menschen, über Erreichbarkeit. Das Beispiel Telefonseelsorge ist dafür gut gewählt. Das sollte den Handelnden in den Kirchen auch 2022 zu denken geben:

Kaum jemand braucht eine Kirche, die sich mit sich selbst befasst, die beim Sparen davor Halt macht, liebgewordene Binnenstrukturen aufzugeben und stattdessen lieber ein bisschen überall kürzt oder ausgerechnet dort, wo haupt- und ehrenamtliche Kirchenmitarbeiter:innen Kontaktflächen zu Menschen bieten, die nicht bei Kirchens beschäftigt oder gar (noch) keine Kirchensteuerzahler:innen sind.

Der große Zweifler – Gespräch mit Kurt Flasch von Christiane Florin (DLF)

Ein richtiges Schmankerl für den Jahresanfang hat Christiane Florin (@ChristianeFlori) im Deutschlandfunk bereitet und mit dem Religionskritiker Kurt Flasch gesprochen. Entstanden ist ein ausführliches Porträt im Dialog, aus dem man schwerlich einzelne Teile herauslösen kann. Aktuell ist es in jedem Fall.

Florin: Bleibt die Frage, warum Menschen religiös bleiben?

Flasch: Ich verstehe, dass man da eine Gesamtdeutung will, so etwas, worauf es hinauskommt. Ich würde sagen: Liebe deinen Nächsten. So ungefähr, ja. Ich bin im Augenblick dabei zu überlegen. Ich habe ja eigentlich von Ethik und Moral keinen Begriff. Ich dachte, das spielt in meinem produktiven Leben keine Rolle. Es stimmt aber gar nicht, das stimmt gar nicht, sondern ich glaube, dass, wenn man vom Christentum sich verabschiedet hat, kann man gar nicht drumherum die Frage zu beantworten: Wie sollen die Menschen denn leben? Und das verlange ich von mir auch. Das gehört zu meinem Selbstverständnis. Aber lassen sie mich darüber noch mal nachdenken.

nachgefasst

Impfpflicht(en)

In die Debatte um Impfpflichten haben wir uns in der Eule bereits vor Weihnachten ausführlich eingebracht. Im Deutschlandfunk kommentiert Christian Röther (@c_roether) die bisherige Corona-Politik der Kirchen und in der taz gibt der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD und Rechtsprofessor Hans Michael Heinig (@hmheinig) Auskunft darüber, wie eine allgemeine Impfpflicht formuliert werden könnte:

Was wäre denn ein legitimes Ziel für eine allgemeine Impfpflicht?

Die Überforderung des Gesundheitssystems, also die harte Triage, zu vermeiden. Vielleicht wäre dafür aber auch eine Impfpflicht für vulnerable Gruppen ausreichend. Oder für alle Berufsgruppen mit viel Publikumskontakten, zum Beispiel Lehrkräfte. Ansonsten schien es bei der Delta-Variante noch, als könnten wir uns aus der Pandemie herausimpfen, also den Übergang zu einem endemischen Verlauf beschleunigen. Gibt es diese Möglichkeit auch noch bei Omicron? Wenn ja, halte ich eine Impfpflicht mit diesem Ziel für gut machbar.

Im katholisch.de-Interview bei Moritz Findeisen (@PhindyMoe) erläutert die katholische Theologieprofessorin Sabine Bieberstein, warum sich Impfgegner:innen nicht auf Jesus und die Bibel berufen können. Dabei exerzieren die beiden eine Reihe der üblichen Anwürfe von Corona-Schwurblern durch.

Eine deutsche Besonderheit – Christian Jakob (taz)

In der taz geht Christian Jakob (@chrjkb) sehr lesenswert der Frage nach, warum so viele Deutsche impfskeptisch sind. Das sei auf die Romantik zurückzuführen – aber auch auf Politikversagen.

Gibt es etwas spezifisch Deutsches, das die Angst vor der Spritze erklärt? Als sich im November zeigte, dass die niedrige Impfrate mit einer besonders heftigen vierten Welle einhergeht, schrieb der Spiegel-Journalist Mathieu von Rohr, dies seien die „Spätfolgen der deutschen Romantik: Anthroposophie, Homöopathie, Impfgegnertum“. Eine Hochburg der Schwurbelei also, wo Spitzenforschung und Antirationalismus eng beieinander sind? Oder sind die Gründe banaler?

Kein guter Hirte – Stefan Hunglinger (taz)

Ebenfalls in der linken Berliner tageszeitung schreibt Stefan Hunglinger (@hunglinger_s) über den Berliner Priester Gerald Goesche und das Institut St. Philipp Neri. Dort wird sich nicht an die geltenden Corona-Regelungen gehalten, was natürlich auch den Berliner Erzbischof (!) Heiner Koch (@ErzbischofKoch) nicht amüsiert. Andererseits ist die katholische Traditionalisten-Gemeinde anscheinend gut im Berliner Bürgertum vernetzt.

Ob tatsächlich immer „mehr und mehr Menschen zu den Soutanepriestern am Mauerpark“ kommen, „während viele gemäßigte Kirchen leer bleiben“, sei einmal dahingestellt. Der Selbstdarstellung von Fundis geht man aber in der taz vor allem dann gerne auf den Leim, wenn es der eigenen skeptischen Haltung gegenüber den Kirchen entspricht. Bisschen schade ist es aber schon, dass unverfängliche Frömmigkeits-Praxen wie das Rosenkranzbeten (kann man auch im stillen Kämmerlein machen) ebenso befremdet angeschaut werden wie das Unterlaufen der Corona-Schutzmaßnahmen.

Buntes

Muslimische Gräber auf Friedhof in Iserlohn geschändet (WDR)

Unbekannte haben auf einem Friedhof in Iserlohn mehrere muslimische Gräber geschändet, berichtet der WDR. Der Staatschutz hat die Ermittlungen übernommen.

Wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Samstag mitgeteilt haben, sind auf dem muslimischen Teil des Hauptfriedhofs in Iserlohn rund 30 Grabsteine umgeworfen sowie Dekorationselemente und Pflanzen beschädigt worden. Sie gehen davon aus, dass die Taten zwischen Freitagmittag und dem Neujahrsmorgen begangen wurden.

Der Papst ist der letzte absolutistische Monarch der Welt – warum Katholizismus und Moderne unvereinbar sind – Rainer Hank (NZZ)

Der ehemalige Leiter der Wirtschafts- und Finanzredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Rainer Hank (@hankrainer), setzt sich in der NZZ mit dem vatikanischen Selbstwiderspruch in Puncto Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auseinander: Papst Franziskus trete als deren leidenschaftlicher Verteidiger auf, allerdings wäre im eigenen Revier das genaue Gegenteil anzutreffen: „Das zeitigt Probleme“. Ansatzpunkt Hanks ist der vatikanische Prozess gegen Kardinal Angelo Becciu.

Der Papst ist im Vatikan Staatsoberhaupt, oberster Richter und oberster Gesetzgeber zugleich – und zudem hierarchischer Oberhirte der weltumspannenden katholischen Kirche. Die vatikanischen Richter sind ihm zu Loyalität und Gehorsam verpflichtet, mithin dem Recht im jeweiligen päpstlichen Verständnis. Es gibt keine unabhängige und unparteiische Justiz. Für die Verteidigung ist die fehlende Rechtsstaatlichkeit ein Beweis dafür, dass es für ihre Mandanten keinen fairen Prozess geben könne – zumal der Vatikan kein einziges internationales Dokument unterzeichnet hat, welches das Recht zur Appellation an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zusichert.

In 2021, it became obvious the US bishops and the pope are singing from different hymnals – Michael Sean Winters (NCR, englisch)

Im National Catholic Reporter hält Michael Sean Winters (@MichaelSWinters) Jahresrückblick und schaut auf das schwierige, manche würden sagen grenzwertig-schismatische, Verhältnis der US-amerikanischen Bischöfe zu ihrem Chef in Rom.

In the past several decades, the Catholic Church in this country has lurched to the right, among both the laity and the clergy. They applauded both John Paul II and Benedict insofar as they perceived those two popes to be rolling back the reforms of Vatican II. (In most respects, this perception was incorrect.) With Francis, there is no doubt that he is encouraging the church to move forward, and that he is not the least bit intimidated by the hecklers on the right. This has spawned a schismatic tendency that has been evident for several years.

Die Frage, ob sich der Papst nun tatsächlich einfach nur nicht von den rechten Phantasten einschüchtern lässt oder aber sträflich untätig bei ihrer öffentlichkeitswirksamen Bekämpfung bleibt, müsste man einmal einer Debatte zuführen.

Die Kirche hat ein Kardinalproblem – Chajm Guski (Jüdische Allgemeine)

Den Fall Gerhard Ludwig Müller (s. #LaTdH vom 19. Dezember) kommentiert in der Jüdischen Allgemeinen Chajm Guski (@chajmke):

Warum bedarf es der Medien, dass solche Entgleisungen im Kleinen und im Großen verurteilt werden? In einer Gesellschaft, deren tiefste Überzeugung es ist, dem Menschen zugewandt zu sein und Antisemitismus klar abzulehnen, müsste jemand mit derartigen Haltungen vor einer Mauer des Unverständnisses stehen und letztlich auch vom direkten Umfeld lernen, auf dem falschen Weg zu sein. Das Immunsystem der Kirche funktioniert hier nicht.

Da Papst Franziskus offensichtlich nicht Willens ist, dem Treiben des Kardinals einen Riegel vorzuschieben – dessen Beförderung ans höchste vatikanische Gericht erfolgte, nachdem Müllers Schwurbeleien bekannt wurden -, müssten die Katholik:innen in Deutschland noch einmal neu darüber nachdenken, wie sie ihre Ablehnung des Müllerschen Antisemitismus‘ deutlicher dokumentieren können. Die Bischöfe vorneweg.

Theologie

Zwei Geburten – Jehoschua Ahrens (Jüdische Allgemeine)

2020 fielen der Abend des christlichen Weihnachtsfestes und der Beginn des Schabbats Schemot zusammen. In der Jüdischen Allgemeinen hat das Rabbiner Jehoschua Ahrens zum Anlass genommen, die biblischen Geburtsgeschichten von Jesus von Nazareth und Moses zu vergleichen:

Auf den ersten Blick scheinen beide Geburtsgeschichten nicht allzu viele Gemeinsamkeiten zu haben. Zwar geht es beide Male um Säuglinge in Lebensgefahr, die im Auftrag eines bösen Herrschers ermordet werden sollen, aber der Kontext ist doch ein ganz anderer. Ein Blick in die rabbinische Literatur zeigt allerdings, dass beide Geschichten mehr gemeinsam haben als viele wissen.

Christentum ohne Inhalt – Antje Schrupp (Gott & Co.)

Ein weiteres ausführliches NZZ-Interview, diesmal geführt von der schweizerischen Redaktion mit dem Religionssoziologen Jörg Stolz (@StolzJorg) und dem Theologen Thomas Schlag (@TOCSchlag), nimmt Antje Schrupp (@antjeschrupp) zum Anlass für ein paar grundsätzliche Überlegungen darüber, wofür und weshalb das Christentum und/oder die Kirche eigentlich da sind – was uns zur Debatte um die Zukunft der Kirchen zurückführt.

Offenbar ist es ganz egal, in welche inhaltliche Richtung das Christentum sich entwickelt, Hauptsache es besteht weiterhin irgendwie als Religion. […] Diese komplette Inhaltsleere der Debatte ist der Kern des Problems. Mir ist ein Christentum lieber, das ausstirbt, als eines das als Zombie und Karikatur seiner selbst weiter lebt. Die christliche Botschaft lautet doch nicht „Seid irgendwie religiös“, meine Güte. […]

Einfach nur zu sagen, das Christentum stünde für humanistische Werte generell, das stimmt eigentlich nicht, beziehungsweise ist viel zu wenig. Wenn Christentum nur sagt, was jeder vernünftige Mensch sagen würde, brauchen wir es in der Tat nicht, und meiner Meinung nach ist das der wesentliche Grund dafür, warum so viele Leute der Ansicht sind, sie brauchen es nicht.

Das Problem ist, dass die Position des „spezifisch Christlichen“ schon lange von Konservativen Fundis okkupiert ist, […]. Das ist ein weiterer Grund, warum so viele Leute sich vom Christentum abgewendet haben […].

Zum Schluss daher noch einmal der Hinweis auf die laufende „Ist die Kirche zu links?“-Debatte: Auf den Debattenaufschlag von Liane Bednarz (@L_Bednarz) in der ZEIT antwortete Hermann Diebel-Fischer (@hrmnn01): „Raum für Dissens ist da“. Und ich habe mich zum Jahreswechsel mit den Schwächen der Konservativen (in der Kirche) beschäfigt.

Ein guter Satz

„If you want to keep people subjugated, the last thing you place in their hands is a Bible. There’s nothing more radical, nothing more revolutionary, nothing more subversive against injustice and oppression than the Bible.“

„Wenn du Leute weiter unterdrücken willst, ist die Bibel das letzte, das du in ihre Hände legen solltest. Nichts ist so radikal, so revolutionär, so umstürzend wider Ungerechtigkeit und Unterdrückung wie die Bibel.“

– Desmond Tutu (1931-2021), gefunden hier bei @matthias_ristau