Newsletter #LaTdH

Transparent machen – Die #LaTdH vom 3. November

Was hat die katholische Bischofssynode zur Synodalität tatsächlich eingebracht? Außerdem: Macht und Synode(n) in der evangelischen Kirche und Ökumene trotz Kriegen.

Herzlich Willkommen!

Die Bischofssynode zur Synodalität in Rom ist gerade erst zu Ende gegangen, die Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) steht vor der Tür. Von Freitag an werde ich aus Würzburg für Die Eule dabei sein. Die Tagung selbst – Daumen drücken! – soll bis zum folgenden Mittwoch dauern. Im Herbst 2023 musste die Tagung wegen eines dräuenden Bahnstreiks abgebrochen werden.

„Die Tage von Ulm“ waren zuvor schon von den Vorwürfen von Betroffenen gegenüber der damaligen EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus überschattet, sie habe als Pfarrerin und später Superintendentin in Siegen nicht angemessen auf ihr zur Kenntnis gebrachte Missbrauchsvorwürfe reagiert, die sich obendrein gegen einen Freund richteten (s. hier & hier & hier in der Eule). Wenige Tage nach der abgebrochenen Synodentagung musste Kurschus von ihren Ämtern als Präses der westfälischen Landeskirche (EKvW) und EKD-Ratsvorsitzenden zurücktreten (s. hier, hier, hier, hier, hier & hier in der Eule).

Das (Kommunikations-)Desaster von Ulm, das eigentlich im Januar 2023 begann, wollte die EKD eigentlich aufarbeiten. Aber, herrje, mit der Aufarbeitung ist das so eine Sache! Die Schockwellen von Kurschus‘ Rücktritt sind jedenfalls noch längst nicht ausgelaufen, auch wenn in Würzburg nicht nur drei neue Ratsmitglieder gewählt werden (s. #LaTdH von letzter Woche), sondern auch Bischöfin Kirsten Fehrs (Sprengel Hamburg und Lübeck / Nordkirche) zur neuen Ratsvorsitzenden gewählt wird. Das Amt hatte Fehrs bereits seit dem letzten Winter als „amtierende Ratsvorsitzende“ versehen.

Einen aktuellen Rundblick durch die wichtigen Themen der EKD gibt Fehrs im Interview bei Benjamin Lassiwe u.a. für den Nordkurier anlässlich des Reformationstages. Vom Kirchenasyl angefangen, über die Bearbeitung der Missbrauchskrise, bis hin zur Solidarität mit Israel ist alles dabei. Im Berliner Tagesspiegel hat Lassiwe obendrein über die anstehende Synodentagung geschrieben. Und im evangelischen Magazin zeitzeichen schreiben drei EKD-Synodale über eine „machttransparente Kirche“ (s. „Buntes“).

Es ist eine bedauerliche Angewohnheit der Evangelischen Kirchen, dass sie ihren Synoden nicht nur zuarbeiten, sondern erst zu den jeweils vor der Tür stehenden Tagungen der Landessynoden und EKD-Synode im Herbst wichtige Arbeitsaufträge und Projekte derart abarbeiten, dass man den Synodalen und der Öffentlichkeit Ergebnisse der Arbeit von Kirchenverwaltungen, Arbeitsgruppen, Think Tanks und Kirchenleitungen präsentieren kann. Es ist dann (fast ausschließlich) an den Synodalen, sich transparent zu machen, was im letzten Jahr eigentlich gelaufen ist. Let’s face it, für das Innenleben der Kirchen interessieren sich immer wenigen Menschen außerhalb des Betriebs.

Umso wichtiger ist eine unabhängige Berichterstattung, die der Betriebsamkeit kritisch auf die Finger schaut – und die Seifenblasen kirchlicher (Außen-)Darstellung anstuppst. Ich freue mich auf die Tagung in Würzburg, auch schon meine achte EKD-Synodentagung. Solche Dienstreisen sind nur durch die Unterstützung unserer Eule-Abonnent:innen möglich, denn als unabhängiges Magazin werden wir von keiner Kirche und keinem Verlag finanziert. Darum heute mal nicht als PS:

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Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein


Debatte

Bereits in den #LaTdH vom letzten Sonntag haben wir ganz frisch über die Bischofsynode zur Synodalität im Vatikan berichtet, die erst am Samstag zu Ende gegangen war. Da lag noch nicht einmal das seither viel diskutierte Abschlussdokument auf Deutsch vor. Eine deutsche „Arbeitsübersetzung“ mit dem Hinweis „nicht offiziell“ hat das Synodensekretariat inzwischen vorgelegt (hier als PDF).

Gestritten wird nicht nur über die Inhalte des Papiers und damit über die Ergebnisse des seit 2021 andauernden Synodalen Prozesses von Papst Franziskus, sondern vor allem auch über die Geltung des Dokuments an sich. Im Kern geht es darum, ob und wie Papst Franziskus die Synoden-Beschlüsse approbiert hat.

„In Kraft gesetzt“ – echt?

In der aktuellen Episode unseres Monatsrückblicks „RE:“ im „Eule-Podcast“ erklärt Thomas Wystrach das Problem ab Min 10:55 sehr eindrücklich. Im Jahr 2018 hatte Papst Franziskus in der Apostolischen Konstitution „Episcopalis Communio“ festgelegt, wie Bischofssynoden auszusehen haben. Darin enthalten sind Bestimmungen zu den Studiengruppen, in die komplizierte Themen wie die „Frauenfrage“ ausgegliedert werden können, und auch zur Geltung der Beschlüsse:

Art. 17 Ausarbeitung und Approbation des Schlussdokuments

[…]

§ 3. Das Schlussdokument wird nach Maßgabe des besonderen Rechts den Mitgliedern zur Approbation vorgelegt, für die im Rahmen des Möglichen eine moralische Einstimmigkeit zu suchen ist.

Art. 18 Übergabe des Schlussdokuments an den Papst

§ 1. Nachdem das Schlussdokument der Versammlung die Approbation der Mitglieder erhalten hat, wird es dem Papst übergeben, der über dessen Veröffentlichung entscheidet.

Wenn das Schlussdokument ausdrücklich vom Papst approbiert wurde, hat es Anteil am ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri.

§ 2. Sofern der Papst der Synodenversammlung gemäß can. 343 des Codex des kanonischen Rechts Entscheidungsgewalt gewährt haben sollte, hat das Schlussdokument am ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri Anteil, nachdem es von ihm ratifiziert und promulgiert wurde.

In diesem Fall wird das Schlussdokument mit der Unterschrift des Papstes zusammen mit der der Mitglieder veröffentlicht.

Wie Thomas, aus meiner Sicht zutreffend, im „Eule-Podcast“ erklärt, hat Papst Franziskus das von der Synodenversammlung approbierte – d.h. durch die Schlussabstimmung bestätigte – Dokument schlicht veröffentlicht, ohne es selbst zu approbieren. Eine Ratifizierung oder Promulgierung können sowieso nicht stattfinden, da der Papst der Synodenversammlung zu keinem Zeitpunkt Entscheidungsgewalt im Sinne des kanonischen Rechts gewährt hat. Woher also die Verwirrung, die sich durch zahlreiche Debattenbeiträge zieht?

Im Podcast erwähnt Thomas Presseberichte des ZDF und weiterer Medien, in denen die Rede davon ist, Papst Franziskus habe das Dokument approbiert. Vermutlich gehen diese Irrtümer auf eine Verwechslung der Approbation in und durch die Synodenversammlung und durch den Papst zurück. Andere Berichte und Akteur:innen sprechen – warum eigentlich, wenn doch alles so klar ist? – blumiger davon, Franziskus habe sich durch seinen Verzicht auf ein eigenes nachsynodales Schreiben die Ergebnisse „zu eigen gemacht“, sie „in Kraft gesetzt“ (u.a. WELT) oder sich mit den Ergebnissen „solidarisiert“ (so Andreas Batlogg).

Franziskus ist alt geworden, aber um seine Urteilskraft steht es doch nicht so schlecht, dass er mehrere Überzeugungen zugleich zu wichtigen Sachfragen vertritt, die sich diametral widersprechen (s. „Frauenfrage“ in den #LaTdH von vergangener Woche). Wenn schon, dann hat sich der Papst mit dem Prozess der Synode (der Synodalität nach römischem Verständnis) „solidarisiert“. Das aber ist keine Neuigkeit, denn er hat den Prozess ja ins Laufen gebracht, die Synode einberufen, an ihr täglich teilgenommen.

Thomas Söding sucht die richtigen Worte

Beim Synoden-Berater und Vizepräsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) Thomas Söding wandelt sich die Einschätzung über die Gültigkeit der Synodenergebnisse gar binnen weniger Tage. Das ist bedeutsam, weil nicht nur viele Medien auf die Einschätzung des Seniorprofessors für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum vertrauen, sondern weil das ZdK und der Synodale Weg in Deutschland Södings Synodalitätsverständnis und Deutungen des vatikanischen Handelns in aller Regel folgen.

In diesem bemerkenswert ausführlichen Interviewtext bei katholisch.de vom vergangenen Sonntag formuliert Söding jenseits kirchenrechtlicher Begriffe, der Papst habe entschieden, „die Erklärung der Synode, so wie sie jetzt ist, der Kirche zu übergeben: mit seiner vollen Rückendeckung“. In seinem Artikel für die zeitzeichen, in dem er vor allem auf die Bedeutung der Bischofssynode für die Ökumene abhebt, erklärte Söding dann am Dienstag, der Papst habe durch seinen Verzicht auf ein postsynodales Schreiben „die Voraussetzungen dafür geschaffen“, dass es zu Änderungen kommen kann, die alle „Möglichkeiten, die das Kirchenrecht jetzt schon bietet“, ausnutzen. Der Papst habe erklärt,

„[…] das, was die Synode beschlossen hat, sofort zu veröffentlichen und damit in Kraft zu setzen. Das Dokument gehört nun zum „ordentlichen Lehramt“. Im Schlussdokument sind die Probleme benannt; es werden Anstöße zur Lösung gegeben. Vielleicht noch nicht stark genug, aber durchaus spürbar.“

Einen Beleg dafür, dass das Schlussdokument (Kraft einer Approbation durch Papst Franziskus) zum ordentlichen Lehramt gehört, bleibt Söding schuldig. Ich habe auch nirgends einen finden können. In der vorvergangenen Woche hatte übrigens der Kirchenrechtler Norbert Lüdecke genau davor gewarnt. Ich schließe mich darum Thomas Wystrach an, der im „Eule-Podcast“ ankündigt, hier in den #LaTdH Abbitte zu leisten, sollte er sich in diese Frage doch irren.

Södings zeitzeichen-Artikel empfehle ich auch deshalb zur Lektüre, weil er so viele Logikschlaglöcher enthält, dass man versucht ist, die Verkehrswacht zu alarmieren. Auch in der von ihm ausdrücklich hervorgehobenen Tradition der Bischofssynoden in der Orthodoxie sind Synoden rechtssetzend tätig. Ihre Beschlüsse sind keine Summae von Debattenständen und Zusammenfassungen widerstreitender Positionen, sondern Entscheidungen mit Bindekraft. Sie sind vor allem keine unverbindlichen Bitten, bereits bestehendes Kirchenrecht doch auch wahrzunehmen, mit denen sich der Souverän „solidarisiert“ oder denen er „den Rücken stärkt“. Franziskus ist der Gesetzgeber, meine Güte.

Am Mittwoch dieser Woche stellte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing (Limburg), den Fragen von (Noch-)Interessierten bei der Podiumsdiskussion „Weltsynode- Was hat’s gebracht?“ (YouTube) der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen. Dass die Frage der kirchenrechtlichen Bedeutung des Schlussdokuments keineswegs trivial ist, hat Claudia Lücking-Michel, bis 2021 ZdK-Vizepräsidentin und gegenwärtig Mitglied im Synodalen Ausschuss, erkannt:

Während Bischof Bätzing in der direkten Zustimmung des Papstes „eine neue Art der Synodalität“ sieht und Clemens Blattert [Gruppenmoderator bei den Tagungen der Bischofssynode 2023 & 2024) lobte, dadurch sei das Schlussdokument „freigelassen“ und die Kurie in ihrer machtvollen Einflussnahme zurückgedrängt worden, äußerte sich Lücking-Michel wenig begeistert dazu: „Papst Franziskus hat nicht approbiert, was die Synode über vier Jahre erarbeitet hat. Eine richtige Wertschätzung sieht anders aus.“

Wo ist die Missbrauchskrise?

Der Synodale Weg in Deutschland verdankt sich dem Schock über die sog. „MHG-Studie“ zum Missbrauch in der Katholischen Kirche in Deutschland von 2018, in deren Nachgang die Bischöfe in Deutschland einen drängenden Bedarf gesehen haben, gemeinsam mit dem ZdK als Vertretung der Lai:innen in der Kirche über wichtige Reformfragen zu debattieren (und im Rahmen des Kirchenrechts zu entscheiden).

Welche Rolle spielt aber der Skandal des Missbrauchs im Schlussdokument des Synodalen Prozesses, den Papst Franziskus angestrengt hatte? Auf der Podiumsdiskussion in Sankt Georgen erklärte Bätzing:

„Wir mussten erhebliche Energie aufbringen, damit das Wort ,Missbrauch‘ in den Absätzen 46 und 55 drinsteht. Ich habe beiden nicht zugestimmt, weil ich es leid bin, von Unzulänglichkeiten der Kirche zu sprechen. Es ist zwar gelungen, diesen Bezugsrahmen zu benennen, aber nicht in der Weise und Qualität, wie es sich für die krisenhafte Situation angemessen wäre.“

Beim Synodalen Weg wurde ausführlich darum gerungen, nicht nur zu einer angemessenen Sprache für Missbrauch zu gelangen, sondern auch die strukturellen Gefährdungen zu benennen, zu denen neben dem Klerikalismus auch die Sexualmoral und mangelnde Gleichberechtigung in der Kirche gehören. Eine solche Klarheit ist im römischen Schlussdokument nicht zu finden. Bereits vorvergangene Woche hatte Norbert Lüdecke kritisiert:

„Die Laien haben nicht bemerkt, dass sie einem komplett stände- und geschlechterhierarchischen und heteronormativen Dokument zugestimmt haben.“

Es sei „keinerlei Haltungsänderung feststellbar“, analysiert auch Johannes Norpoth. Norpoth ist Mitglied des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz und außerdem ZdK-Mitglied. Bei explizit.net erklärt er im Interviewtext von Christian Schnaubelt, dass das Thema Missbrauch unter den Tisch gefallen sei. Norpoth bezieht in seine Kritik auch den öffentlichen Bußakt am Vorabend der Synodentagung Anfang Oktober ein (s. Bericht des Domradio).

„Wieder einmal wird der massenhafte Missbrauch, die sexualisierte und spirituelle Gewalt im Abschlussdokument als „Unzulänglichkeit“ betitelt. Hier zeigen die Synodalen, zumindest diejenigen, die diesen Textpassagen zugestimmt haben, erneut, dass Ihnen zwei Dinge grundsätzlich fehlen oder abhanden gekommen sind: Sachkenntnis und Haltung gegenüber den Betroffenen!

In Anbetracht der ja nicht nur in Deutschland, sondern weltweit eindeutigen Studienlage negiert diese Weltsynode damit weiterhin die systemischen Ursachen von sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche. Das allein ist schon unfassbar und macht mich fassungslos. […] Trotz der weiterhin erschütternden Missbrauchszahlen, dem damit verbundenen lebenslangen Leid von Opfern und deren Angehörige, trotz des desaströsen jahrzehntelangen Leitungsversagens des Bischofsamtes einschließlich des Bischofs von Rom ist keinerlei Haltungsänderung festzustellen.

Da ändert dann auch die große Vergebungsbitte aus der Bußvigil zu Beginn der Beratungen in Rom nichts. Eigentlich haben die Verantwortlichen den Bußakt missbraucht. Wenn tätige Reue nicht sichtbar wird, z.B. durch eine klare, eindeutige und verbindliche Beschlusslage, um die systemischen Ursachen des Missbrauchs in der Kirche zu überwinden, dann verkommt ein solcher Bußakt zu einer folkloristischen, dümmlichen Pharce, die zudem für Betroffene ein erhebliches Retraumatisierungsrisiko bedeutet. Da kann ich dann nur noch sagen: Schämen Sie sich!

Auf die Befassung mit der Missbrauchskrise rekurriert auch Theologieprofessor und Communio-Herausgeber Jan-Heiner Tück in seinen Fragen an Kardinal Walter Kasper zum Ende der Bischofssynode:

Tück: Die Missbrauchskrise wird im Abschlussbericht (Art. 55) erwähnt. Die Bitte um Vergebung, die verstärkte Sorge um die Opfer und präventive Instrumente werden als Antworten genannt. Reicht das aus, um die globale Vertrauenskrise wiederherzustellen?

Kasper: Mit Sicherheit reicht das nicht aus; aber es ist gut, daran erinnert zu haben. Man kann in einer Weltsynode in knapp vier Wochen nicht alle wichtigen Themen, auch wenn sie noch so wichtig sind, mit der nötigen Gründlichkeit behandeln. Da die Synode einen hinhörenden, achtsamen, wertschätzenden und respektvollen Umgang, besonders mit verwundbaren Personen in die Mitte gestellt hat, hat sie indirekt zum Thema Missbrauch Grundlegendes beigetragen.

Dasselbe gilt, wenn man erkennt, dass Synodalität geradezu ein Frontalangriff gegen Klerikalismus und die Verpflichtung des Bischofs zu regelmäßiger Rechenschaft zugleich eine grundlegende Präventivmaßnahme gegen Vertuschung ist. Der Aufbau synodalen Stils wie synodaler Institutionen und die Aufarbeitung und Prävention des Missbrauchs gehen Hand in Hand.

Wie weit reicht die Partizipation?

Ob ein Aufbau „synodaler Institutionen“ – der ja nicht per se schon präventiv gegen Missbrauch wirkt, wie man an den reformatorischen Kirchen beobachten kann – überhaupt gewünscht und möglich ist, wird man daran beobachten können, wie sich der Vatikan demnächst zum Anliegen der katholischen Kirche in Deutschland verhält, einen Synodalen Rat für Deutschland und synodale Gremien in den (Erz-)Bistümern zu etablieren – natürlich in den Grenzen des geltenden Kirchenrechts. Die Bedeutung solcher „partizipatorischen Kirchengremien“ habe das Schlussdokument hervorgehoben, berichtet Simon Berninger für den Bayerischen Rundfunk.

Synodalität heißt jedenfalls mehr als beraten und an der Vorbereitung von Entschlüssen mitwirken (sog. descision making), es heißt mindestens mitentscheiden (sog. decision taking). Dass dem episkopalen Prinzip in der römisch-katholischen Kirche tatsächlich ein synodales Prinzip beigestellt wird, ist eine Zukunftsaufgabe und noch nicht geschehen. Darin liegt die ganze Verwirrung des römischen Synodalitäts-Verständnisses, wie Benedikt Heider bereits 2021 hier in der Eule beschrieben hat. Bemerkenswert ist daher, was der Passauer Bischof und Synodenteilnehmer Stefan Oster dem BR sagt:

Für den Passauer Bischof Stefan Oster sei damit „völlig klar“: „Der ‚Decision-Making‘-Prozess bezieht möglichst viele ein, aber der ‚Decision-Taking‘-Prozess bleibt der Hierarchie reserviert.“

nachgefasst

Eule-Podcast RE: Oktober 2024: Bischofssynode und Kriege in Nahost – Thomas Wystrach und Philipp Greifenstein (Die Eule, 58 Minuten)

In unserem aktuellen Monatsrückblick im „Eule-Podcast“ sprechen Thomas Wystrach und ich nicht nur über die Bischofssynode und ihre Folgen, sondern auch über die Positionierung der Kirchen im Nahost-Konflikt. Am 9. November wird wieder den Novemberpogromen von 1938 gedacht. Aber wie steht es um die Solidarität mit Jüdinnen und Juden nach dem Pogrom vom 7. Oktober 2023? Können die Kirchen auch friedensethisch etwas zu den Kriegen im Nahen Osten sagen?

Außerdem gibt es wie jeden Monat eine gute Nachricht des Monats: Der Rat der EKD wird nach den anstehenden Nachwahlen auf der Würzburger Tagung der EKD-Synode zum ersten Mal mehrheitlich aus Frauen bestehen. Die Nachwahlen waren aufgrund der Rücktritte von Annette Kurschus im November 2023 und von Ratsmitglied Jacob Joussen zum Herbst 2024 (s. #LaTdH vom 11. August) sowie dem altersbedingten Rückzug von Kirchenpräsident Volker Jung (EKHN) notwendig geworden. Über die BewerberInnen hat Benjamin Lassiwe für die KNA geschrieben.

Die orthodoxen Kirchen und der russische Angriffskrieg – Gespräch mit Regina Elsner von Annika Schmitz („Herz und Haltung“-Podcast, 22 Minuten)

Für den „Herz und Haltung“-Podcast der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen und der Herder Korrespondenz hat Annika Schmitz mit der Osteuropa-Expertin Regina Elsner gesprochen. Elsner ist seit 2024 Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Universität Münster. Im Gespräch geht es um Russland, die Ukraine und die politischen Verwicklungen der Kirchen, denn mit dem Ukraine-Krieg seien „auch in Deutschland die orthodoxen Kirchen mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt“. Ehrlich?

Mir scheint, der Ukraine-Krieg und insbesondere die ökumenischen Verwerfungen mit der Orthodoxie, sowohl in Deutschland als auch international, fristen vielmehr ein Schattendasein in unserer Debattenlandschaft. Andere Konflikte drängen in den Vordergrund (s. aktuelle Episode des „Eule-Podcast“). Viele Menschen sind des europäischen Kriegsschauplatzes Ukraine und seiner religionspolitischen Komponenten überdrüssig. Umso wichtiger ist es, an den aktuellen Entwicklungen dranzubleiben und eben nicht wegzusehen, sondern vielmehr hinzuhören.

Im „Eule-Podcast“ hat Regina Elsner bereits zu Beginn des Angriffs auf die gesamte Ukraine im Februar 2022 und dann zwei Mal – im Dezember 2022 und 2023 – in einem Ukraine-Update mit mir über den Ukraine-Krieg, die Religionspolitik im Land und die russische Orthodoxie gesprochen (hier & hier). Zum Background der aktuellen „Herz und Haltung“-Episode gehört auch die Religionspolitik der ukrainischen Regierung, die Elsner bereits hier im Eule-Interview kritisiert hat.

Buntes

Kirche – Macht– Reform? Plädoyer für eine machttransparente Kirche – Kristin Merle, Nicole Grochowina, Philipp Rhein (zeitzeichen)

Im Vorfeld der Tagung der EKD-Synode analysieren drei Synodale den Umgang mit Macht in ihrer Kirche. Kristin Merle ist Professorin für Praktische Theologie an der Universität Hamburg und bringt sich häufig in evangelische Kontroversen ein (z.B. zur Demokratiekultur in der Kirche & zur Kirchenmitgliedschafsuntersuchung). Nicole Grochowina ist Ordensschwester in der evangelischen Communität Christusbruderschaft Selbitz und Historikerin am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Erlangen/Nürnberg. Sie kandidiert auf der Würzburger Tagung für einen Sitz im Rat der EKD. Philipp Rhein ist als Engagementbeauftragter im Bezirksamt von Berlin-Neukölln tätig. Alle drei gehören auch den Landessynoden ihrer evangelischen Landeskirchen an.

Problematische Machtstrukturen können nur reformiert werden, wenn sie benennbar sind und benannt werden. Von welchen Prinzipien des Miteinanders will sich Kirche handlungsleitend bestimmen lassen, und in welchen konkreten Praktiken und Strukturen schlägt sich dies konkret nieder? Eine kritische Revision von Machstrukturen, ja, ein Abgleich zwischen Anspruch und Wirklichkeit sozialen Miteinanders ist kein Selbstzweck: Er ist vielmehr Mittel einer Kirche, die Missbrauch vorbeugen, den Menschen dienen und glaubwürdig ihren Beitrag zu einem gerechteren, demokratischen Miteinander leisten will. Dies ist uns allen eine bleibende Aufgabe.

Mehr zur Synodentagung in den kommenden Tagen in ausführlichen Berichten hier im Magazin. Einen ersten lesenswerten Vorbericht vor allem zum Themenfeld Missbrauch evangelisch hat Benjamin Lassiwe im Berliner Tagesspiegel geschrieben:

[Seit Veröffentlichung der „ForuM-Studie“ im Januar 2024] wurden die Maßnahmen gegen den Missbrauch in den Gliedkirchen der EKD weiter intensiviert. So wurden flächendeckend unabhängige regionale Aufarbeitungskommissionen gegründet, in denen auch Betroffenenvertreter mitarbeiten.

Aufregung hatte es indes um den hannoverschen Landesbischof Ralf Meister gegeben, der zugeben musste, dass seine Landeskirche zahlreiche Missbrauchsfälle nicht an die Studienautoren gemeldet hatte. Betroffene hatten deswegen den Rücktritt des einstigen Berliner Generalsuperintendenten gefordert. Zuvor hatten 226 Pastoren, Diakone und Ehrenamtliche aus der Landeskirche in einem weiteren Schreiben, dem sogenannten „Brief der 200“, mehr Transparenz in der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs sowie beim weiteren Umgang mit der „ForuM“-Studie gefordert. In Würzburg soll Meister jedoch erneut zum Leitenden Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) gewählt werden.

Deep Dive: Trauer (Die Eule)

Bereits letztes Jahr haben wir in der Eule Artikel und Beiträge zum Themenfeld Trauer in einem „Deep Dive“-Dossier gesammelt. Nicht nur wegen der katholischen Doppelfeiertage Allerheiligen und Allerseelen (und dem kommenden evangelischen Ewigkeitssonntag) empfehle ich gerne noch einmal das Abtauchen in die bemerkenswerten, interessanten und berührenden Artikel sowie Gespräche in diesem Dossier. Lohnt mehr, finde ich, als die x-te Debatte darüber, ob man nun Reformationstag und Halloween feiern darf

(Natürlich darf und kann man, wie ich 2014 und Daniela Albert in ihrer Eule-Kolumne „Gotteskind & Satansbraten“ 2021 bereits geschrieben haben. Schön, aber auch überfällig und in der Menge gleichlautender Beiträge irgendwie nervig, dass auch andere Medien im Raum der Kirche und natürlich Influencer:innen langsam aufschließen. Leider sind wieder viele Beiträge zum Thema mit Negativfolien gespickt. Das wollten wir doch lassen, oder?)

Theologie

Beim Bügeln auf die Ohren – Angela Rinn (zeitzeichen)

Es ist zu einer schönen Tradition geworden, dass Jury-Mitglied Angela Rinn, Professorin für Seelsorge am Theologischen Seminar der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und EKD-Synodale, in der „z(w)eitzeichen“-Kolumne bei den zeitzeichen das Ergebnis der Wahl zum Predigtpreis leaked. Leider findet sich die ausgezeichnete Predigt noch nicht auf der Website des Predigtpreises, der am 13. November verliehen wird.

Den Preis für die beste Predigt erhält in diesem Jahr ein Frauen-Duo, Christine Böckmann und Salome Lang, zwei junge Wissenschaftlerinnen aus Heidelberg, die sich in ihrer Predigt „Laute Stille – Unerhörte Stimmen zu Gen 22“ theologisch tiefgründig, mutig, sensibel und mit einer spannenden, nachahmenswerten Inszenierung im Kirchenraum mit dem Thema „Sexualisierte Gewalt“ auseinandersetzen.

Außerdem wurde auf Initiative von Sabrina Müller, seit diesem Jahr Professorin für Praktische Theologie an der Universität Bonn und neu in der Predigtpreis-Jury, erstmals auch ein „Faithcast“ ausgezeichnet. Der Begriff ist mir als Gattungsbegriff ungeläufig, meint aber offenbar Podcasts, die sich der religiösen Bildung und der Kommunikation des Evangeliums verschrieben haben. Erste Preisträger sind Martin Christian Hünerhoff und Thorsten Dietz (hier in der Eule) mit dem für die deutschsprachigen christlichen Podcast-Szene(n) außergewöhnlich guten „Das Wort und das Fleisch“-Podcast, den Frederik Ohlenbusch in unserer Kolumne „abgehört“ bereits 2022 rezensiert hat. Herzlichen Glückwunsch! Möge die Auszeichnung anderen Podcast-Produzent:innen zur Motivation gereichen.

Ein guter Satz

„We’re Lutherans. We don’t talk about religion.“

„Wir sind Lutheraner. Wir reden nicht über Religion.“

– Tim Walz, Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten und Gouverneur von Minnesota, auf die Frage einer Journalistin in einem Diner, ob er noch ein wenig mehr über seinen Glauben sprechen könne, hier als kurzes Video auf Bluesky


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