Live-Blog EKD-Synode 2021-2 (Tag 2): Aufarbeitung des Missbrauchs?
Der zweite Tag der 2. Tagung der 13. Synode der EKD zum Nachlesen: Die Befassung mit dem sexuellen Missbrauch in der Evangelischen Kirche und Ratswahl-Geplauder.
Ein herzliches Willkommen zum Live-Blog vom 2. Tag der 2. Tagung der 13. Synode der EKD in Bremen und auf den Datenautobahnen! Den Live-Blog von Sonntag findet ihr hier, inkl. der KandidatInnen-Vorstellungen. Und hier findet ihr den Live-Blog mit der Ratswahl vom Dienstag. Den Live-Blog mit der Wahl der Ratsvorsitzenden am Mittwoch findet ihr hier. Zum Liveblog begrüßt euch Eule-Redakteur Philipp Greifenstein.
Montag, 8.11.2021, 9:30 Uhr
Guten Morgen! Die Synode tagt schon wieder fleißig. Seit 9 Uhr tagen die Synodalen getrennt nach Kirchenbünden: Die Generalsynode der VELKD (Livestream) ist heute Vormittag vor allem mit Wahlen in ihre Gremien und Ausschüsse befasst. Auf der Vollkonferenz der UEK (Livestream) gibt es ab ca. 9:30 Uhr einen theologischen Impuls der Theologieprofessorin Christiane Tietz: „Was fehlt, wenn Gott fehlt?“
Heute Nachmittag, ab 15 Uhr, wird sich die EKD-Synode im Plenum mit der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche beschäftigen. Das werde ich hier im Live-Blog intensiv begleiten. Zur Mittagsstunde gibt es außerdem die zweite Folge unseres Synoden-Podcasts. Zu Gast ist diesmal Detlev Zander. Er ist Mitglied im ausgesetzten EKD-Betroffenenbeirat und wird heute Nachmittag auf den Bericht aus dem „EKD-Beauftragtenrat zum Schutz vor sexualisierter Gewalt“ von Landesbischof Christoph Meyns (Braunschweig) antworten.
Hinter den Kulissen werden natürlich die Ratskandidaturen und die Vorstellungsreden von gestern Abend diskutiert. Im Live-Blog vom gestrigen Tag kann man die Vorstellungsrunde komplett nachvollziehen. Heute Abend werden sich die KandidatInnen den wahlberechtigen Synodalen und Mitgliedern der Kirchenkonferenz in einer moderierten Kennenlernrunde noch einmal – nicht öffentlich – den Synodalen vorstellen. Mehr zur Ratswahl hier im Live-Blog zwischendurch.
Den Live-Blog von gestern findet ihr hier. Alles Wissenswerte zur Ratswahl und den Chancen der KandidatInnen habe ich hier aufgeschrieben. Und auch zu den Favoriten für den Ratsvorsitz habe ich mich in einem extra Artikel befleissigt.
Montag, 8.11.2021, 10:05 Uhr
Der Stream von der UEK läuft inzwischen. Der Vortrag von Christiane Tietz allerdings hat noch nicht begonnen. Der Bericht des Präsidiums
durch Kirchenpräsident Volker Jung (EKHN) hält noch an.
Montag, 8.11.2021, 11:00 Uhr
So, die Kirchenleitung der VELKD wäre dann komplett. Alle sieben lutherischen Kirchen haben Berücksichtigung gefunden. Die neue VELKD-Kirchenleitung setzt sich wie folgt zusammen:
Als nichtordinierte Mitglieder wurden gewählt: Konrad Baumann (Braunschweig), Dr. Jördis Bürger (EVLKS), Gianna von Crailsheim (ELKB), Daniela Röhler (Schaumburg-Lippe), Henning Schulze-Drude (Hannover), Bettina von Wahl (Nordkirche). Als ordinierte Mitglieder wurden gewählt: Frank Howaldt (Nordkirche), Dr. Friederike Spengler (EKM), Klaus Stiegler (ELKB).
Weitere vier Mitglieder gehören der Kirchenleitung qua Amt an: der Leitende Bischof Landesbischof Ralf Meister (Hannover), die stellvertretende Leitende Bischöfin Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (Nordkirche), der Präsident der Generalsynode Dr. Matthias Kannengießer (Hannover) und als Mitglied der Bischofskonferenz Dr. Thilo Daniel (EVLKS).
Und noch ein Kommentar zu den KandidatInnen für den Rat der EKD vom WDR-Journalisten und EKD-Synodalen Arnd Henze:
Als Synodaler kann ich das nur bestätigen. Das waren (fast) durchweg exzellente Vorstellungen der 22 Kandidierenden. Jede Partei, jeder Verband würde uns um das Luxusproblem beneiden, auf so einem Niveau eine echte Wahl treffen zu müssen! #EKDSynode https://t.co/wh8D6XuGM8
— Arnd Henze (@arndhenze) November 7, 2021
Synoden-Podcast Nr. 2: Detlev Zander
Mit Detlev Zander, Mitglied im ausgesetzten Betroffenenbeirat der EKD, habe ich über die Schwierigkeiten bei der Aufklärung und Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in den evangelischen Kirchen gesprochen. Heute Nachmittag wird er als Betroffener auf den Bericht aus dem „Beauftragtenrat der EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt“ antworten und auch an der anschließenden Podiumsdiskussion teilnehmen. Wir sprachen über Betroffenenbeteiligung, die Anerkennungsleistungen und die Zukunft der Aufarbeitung:
Synoden-Podcast Nr. 2: Detlev Zander:
Montag, 8.11.2021, 13:20 Uhr
Die Synode macht gerade Mittagspause, anschließend treffen sich die Synodalen in ihren Arbeitsgruppen. Dort und auf den virtuellen Fluren wird fleißig über die Ratswahl morgen geschnattert. Die Wunder der Digitalisierung machen es möglich, dass diesen Debatten nun neuer Stoff geliefert wird: Denn die EKD hat alle Bewerbungsreden inzwischen auf ihrem YouTube-Kanal veröffentlicht. Zur einmaligen Live-Anschauung kann nun also die Analyse des In-Ruhe-noch-einmal-Gehörten treten.
Ein paar grundsätzliche Überlegungen zur Ratswahl und zu den Chancen der KandidatInnen hatte ich bereits letzten Donnerstag hier in der Eule aufgeschrieben. Und heute Abend gibt es hier im Live-Blog auch noch einmal eine Runde aktuelle Infos dazu, nachdem sich die Synode und auch dieser Live-Blog ab 15 Uhr mit der Missbrauchs-Aufarbeitung befassen wird.
Anders als 2019 in Dresden, wo neben Bischöfin Kirsten Fehrs (Sprengel Hamburg und Lübeck, Nordkirche), der damaligen Sprecherin des EKD-Beauftragtenrates, auch Kerstin Claus für die Betroffenen sprach (hier ihre vollständige Rede), war das Thema 2020 bei der erstmals digital durchgeführten Synodentagung durchs Raster gefallen. Die Betroffenen wurden ausgeladen, das Thema auf der Tagesordnung zusammengestrichen. Fehrs erläuterte den Bericht des Beauftragtenrates nur, der ansonsten schriftlich vorgelegt wurde.
Im Frühjahr 2021 versprach die scheidende Präses Irmgard Schwaetzer auf der konstituierenden Sitzung der 13. EKD-Synode, dass dies der Synode nicht noch einmal passieren würde. Ihre Nachfolgerin, Anna-Nicole Heinrich, und das Synodenpräsidium haben sich diese Zusage zu eigen gemacht. Trotz plötzlich digitaler Tagung sind Betroffenen-VertreterInnen eingeladen, an der Befassung mit der Missbrauchs-Krise teilzunehmen. Sie werden auf den Bericht des Beauftragtenrates durch seinen neuen Sprecher, Landesbischof Christoph Meyns (Braunschweig), antworten. Im Anschluss findet eine öffentliche Podiumsdiskussion statt.
Zum Schwerpunkt Missbrauch ab 15 Uhr melde ich mich wieder hier im Live-Blog. Bis dahin empfehle ich sehr die 2. Folge unseres Synoden-Podcasts: Zu Gast ist Detlev Zander, Mitglied im EKD-Betroffenenbeirat, und Kritiker der Aufarbeitungsbemühungen der evangelischen Kirchen:
Montag, 8.11.2021, 15:00 Uhr
Die Synode startet in die Befassung mit dem Schutz vor sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche. Unter diesem Schlagwort werden alle Bemühungen um Aufklärung, Aufarbeitung und „Anerkennung“ von sexuellem Missbrauch sowie die Prävention gefasst. Zunächst wird Landesbischof Christoph Meyns (Braunschweig), der seit dem letzten Herbst Sprecher des „Beauftragtenrates zum Schutz vor sexualisierter Gewalt“ ist, einen Bericht halten. Darauf antworten dann Betroffene.
Das seit der Synode 2020 vergangene Jahr ist in vielerlei Hinsicht ein verlorenes Jahr für die Auseinandersetzung mit dem Missbrauch in der Kirche gewesen. Nur wenig ist geschehen, fast nichts besser geworden. Meine ausführliche Beschreibung des Scheiterns der Evangelischen Kirche am Missbrauch von vor einem Jahr ist auf bestürzende Weise immer noch aktuell.
Das haben in den vergangenen Tagen auch Betroffene erneut deutlich gemacht. Auf einer Pressekonferenz am Sonntag sprachen mehrere von ihnen über die Versäumnisse bei den Anerkennungsleistungen und Unterstützungssystemen. Detlev Zander, einer der ursprünglichen EKD-Betroffenenbeiräte, erklärt im Synoden-Podcast hier im Liveblog (s.o.) einige der kritischen Punkte. Die Kritik der Betroffenen, so unterschiedlich sie im Detail auch ist, will ich in meine Kommentierung des Beauftragtenrats-Berichts einfließen lassen. Dem mündlichen Bericht und den anschließenden Redebeiträgen der Betroffenen sowie der Aussprache kann man im Livestream folgen.
Montag, 8.11.2021, 15:15 Uhr
Landesbischof Meyns trägt seinen Bericht aus der Isolation heraus per Video vor. Er beginnt mit allgemeinen Erklärungen. Zum ersten Handlungsfeld „Prävention und Intervention“ spricht er dann die Gewaltschutzrichtlinie an. Die ist an sich gelungen, aber leider lange noch nicht in allen evangelischen Landeskirchen umgesetzt. Dort muss sie nämlich von den Landessynoden in geltendes Recht umgesetzt werden.
Die EKD-Synode befasst sich mit dem sexuellen #Missbrauch in der evangelischen #Kirche. Hier im Livestream: #EKDSynode #EKD https://t.co/uYhPObzJGc
— Philipp Greifenstein (@rockToamna) November 8, 2021
An der „Zentralen Anlaufstelle help“, gerade von Meyns erneut als Erfolg der Bemühungen der Kirche erwähnt, kritisieren die Betroffenen, dass diese eben nicht in die landeskirchlichen Prozesse hineinreicht, sondern an den Landeskirchengrenzen Halt macht. Dort stehen die Betroffenen dann ohne professionelle und unabhängige Unterstützung den kirchlichen Strukturen gegenüber.
Montag, 8.11.2021, 15:20 Uhr
Als nächstes erwähnt Meyns die „Unabhängigen (sic!) Kommissionen“, die „Anerkennungsleistungen“ zusprechen. Er erwähnt die neue Musterordnung für die Arbeit dieser Kommissionen – die allerdings ohne ordentliche Beratung mit den Betroffenenbeiräten zustande gekommen ist. (Siehe „Aussetzung des Betroffenenbeirates“ hier.) Außerdem müssen sich die Landeskirchen nicht an die Musterordnung halten, sondern weichen in entscheidenden Punkten von ihr ab.
In den Kommissionen sind häufig kirchliche Mitarbeiter:innen tätig, die zwar „nicht an Weisung gebunden sind“, aber natürlich im System Kirche involviert sind, zum Teil seit vielen Jahren in verantwortlichen Positionen. Die EKD-Musterordnung sieht keinen Ausschluss solcher Personen von der Mitarbeit in den Kommissionen vor. Sie werden von den Landeskirchen bestellt. Mehr zu den Kommissionen hier und hier.
Montag, 8.11.2021, 15:25 Uhr
Meyns erwähnt die Gespräche mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), die bisher nicht zur Verabredung einer neuen „Gemeinsamen Erklärung“ geführt haben, die z.B. die Einrichtung von regionalen Aufarbeitungskommissionen beinhalten soll. Hier hat sich seit einem Jahr nichts getan.
Entscheidend für das Stocken der Gespräche ist auch das Aussetzen des Betroffenenbeirates, das vom UBSKM Johannes-Wilhelm Rörig scharf kritisiert wurde. An den Gesprächen nehmen neben KirchenvertreterInnen auch zwei Betroffene aus dem Betroffenenbeirat des UBSKM aus dem evangelischen Tatkontext teil.
Montag, 8.11.2021, 15:30 Uhr
Zum zweiten Mal in seinem Bericht spricht Meyns über Koordination und Austausch derjenigen Kirchen-Mitarbeiter:innen, die sich in den Meldestellen der Landeskirchen und als Missbrauchs-Beauftragte für Prävention und Intervention einsetzen. Wie interne Dokumente, die der Eule im vergangenen Jahr zugegangen sind, zeigen, sind die dafür zuständigen Gremien wie die PIK mangelhaft aufgestellt.
Der evangelische Föderalismus behindert und stört die Bemühungen an allen Ecken und Enden: So gibt es keine einheitlichen Verfahren für Meldungen von Vorfällen, keine einheitliche Ordnung für die „Anerkennungsleistungen“, keine belastbare Gesamtzahl der Betroffenen, keinen Überblick darüber, wie an den verschiedenen Stellen und in den Gliedkirchen mit Prävention und Aufarbeitung umgegangen wird. Gute Lösungen können so nicht weitergegeben, schlechte Lösungen nicht verhindert werden.
Nun antwortet Detlev Zander, ursprünglich Mitglied im EKD-Betroffenenbeirat, auf den Bericht von Landesbischof Meyns.
Montag, 8.11.2021, 15:40 Uhr
Den Bericht des Beauftragtenrates kann man jetzt hier nachlesen.
Detlev Zander erklärt, dass die Beteiligung der Betroffenen „die Zukunftsfrage für die evangelische Kirche in Deutschland“ ist. Betroffenen bräuchten daher einen klaren Ansprechpartner innerhalb der EKD. Vier der ursprünglichen Betroffenen-Beiräte sprachen nach dessen Aussetzungen davon, dass nicht klar gewesen sei, wen man denn überhaupt beraten solle, ein kompetentes Gegenüber für den Betroffenenbeirat habe gefehlt.
Da sich die Strukturen seitdem nicht geändert haben, hat sich auch daran nichts geändert.
"Mir wurde die Frage gestellt, ob man nicht für den EKD-Betroffenenbeirat die "falschen Betroffenen" ausgewählt habe", berichtet @fine1102. Er fragt: "Gibt es überhaupt "falsche Betroffene"? #EKDSynode #EKD
— Philipp Greifenstein (@rockToamna) November 8, 2021
Montag, 8.11.2021, 15:55 Uhr
Die ursprünglichen Mitglieder des Betroffenenbeirates – Detlev Zander, Henning Stein und nun Karin Krapp sowie Christiane Lange – appellieren an die Synodalen endlich zu handeln. Genauer noch: Die Augen zu öffnen. In fast allen Punkten widersprechen sie der Darstellung des Beauftragtenrates. Krapp verwehrt sich gegen die Vereinnahmungstendenzen, mit denen in der evangelischen Kirche zugedeckt wird, was im Dissens ausgehalten werden sollte. Lange erklärt, wie kirchliche Disziplinarverfahren sich am Täter und am Schutz der Institution orientieren, nicht an den Missbrauchs-Opfern.
„Auch ich kann, wie Karin Krapp, niemanden zu einem kirchlichen Verfahren raten. Das muss anders werden“, erklärt Lange. Dazu ist es wichtig zu wissen, dass sich im vergangenen Jahr viele neue Betroffene bei den Betroffenenbeiräten gemeldet haben. Sie wurden nämlich sehr wohl als Angebot und Vertrauenserweis der Institution Kirche wahrgenommen. Umso schmerzlicher daher das Scheitern des Betroffenenbeirates.
Was die Betroffenen hier zum Bericht des Beauftragtenrates zum Schutz vor sexualisierter Gewalt berichten, muss viele Menschen in und um die Synode verstören. Sie erklären: Die Zusagen der evangelischen #Kirche wurden nicht eingehalten. #EKDSynode #EKD
— Philipp Greifenstein (@rockToamna) November 8, 2021
Montag, 8.11.2021, 16:05 Uhr
Harald Wiester erklärt ruhig und präzise, was an der Musterordnung für die „Anerkennungsleistungen“ mangelhaft ist, und dass Passagen von den kirchlichen Verantwortlichen, er adressiert die ehemalige Sprecherin des Beuaftragtenrates Kirsten Fehrs direkt, ohne Rücksprache mit den Betroffenen eingefügt wurden: „Strukturierte Betroffenenbeteiligung ist das nicht.“
Nun wird der Stream unterbrochen, weil sich eine Betroffene unter Pseudonym an die Synodalen wendet. Ton- und Bildaufnahmen sind daher nicht möglich.
Montag, 8.11.2021, 16:15 Uhr
Nancy Janz, ursprünglich Mitglied im EKD-Betroffenenbeirat, trägt nun ein Statement von insgesamt 8 ehemaligen und noch beteiligten Betroffenenbeiräten vor. Der Text bezieht sich direkt auf den Bericht des Beauftragtenrates. Durchaus wertschätzend gegenüber dem, was in ihm Positives an Wünschen und Forderungen formuliert wird, legt er doch den Finger in die Wunde:
„Ihre Idee von Beteiligung sind wie folgt aus: Als Betroffene dürfen wir schriftlich Stellung nehmen. EKD-Gremien entscheiden dann, was sie davon übernehmen oder nicht. […] Das ist Rosinen-Pickerei. Nehmen, was schmeckt. Liegen lassen, was heilsam, aber bitter ist. […] Verlangen Sie nicht von uns, dass wir uns den Mühlen ihrer Institution unterwerfen.“
Montag, 8.11.2021, 16:25 Uhr
Die Synode tritt nun die Aussprache zum Bericht des Beauftragtenrates ein. Nun auch im Licht der Statements der Betroffenenbeiräte.
Die Statements der ehem. & noch beteiligten Betroffenenbeiräte auf der #EKDSynode sind (wieder einmal) erschütternd. Sie sollten unbedingt schriftlich auf der #EKD-Website erscheinen und am besten auch als Videos, wie die Bewerbungsreden der RatskandidatInnen.
— Philipp Greifenstein (@rockToamna) November 8, 2021
Montag, 8.11.2021, 16:50 Uhr
Die Synodalen äußern ihre Betroffenheit angesichts der Schilderungen der Betroffenenbeiräte, und stellen Anträge:
Zum Beispiel zur Überprüfung des kirchlichen Disziplinarrechts. In den kirchlichen Disziplinarverfahren können Betroffene bisher nur als Zeugen gehört werden und nicht als Nebenkläger auftreten. Kurz gesagt: Es geht in diesen Verfahren um Institutionenschutz-, nicht um Gerechtigkeit für die Betroffenen. Allein, es geht nicht nur um Gesetzesänderungen, sondern um einen Kulturwandel. Wo Betroffene in Kirchenamts-Keller vorgeladen werden, wie es Betroffene auf ihrer Pressekonferenz am Sonntag wieder schilderten, mangelt es an dem entscheidenen Verständnis für die Lage von Betroffenen.
Der württembergische Synodale Maik-Andres Schwarz stellt einen umfassenden Antrag zur Neuordnung der Betroffenenbeteiligung, inkl. der Installation eines Unterstützungsnetzwerks. Auch solle geprüft werden, ob beides nicht besser an einer unabhängigen, externen Stelle angebunden werden sollte. Zu Beginn seiner Wortmeldung entschuldigt er sich bei den Betroffenen:
„Als Synodaler möchte ich mich heute Ihrer Kritik stellen. Denn in den vergangenen Tagungen […] ist das Thema Prävention sexualisierter Gewalt und die Aufarbeitung völlig zu Unrecht unter den Tisch gefallen. Dafür gab es plausible Gründe, aber wir müssen uns anklagen, dass die Betroffenenbeteiligung nicht zuletzt auch darunter gelitten hat. Als ein Synodaler bitte ich Sie deshalb um Entschuldigung für unseren Teil an der unglücklichen Kommunikation, und den Eindruck der Assymetrie, der entstanden ist.
Der bayerische Oberkirchenrat und Leiter des dortigen Landeskirchenamtes Nikolaus Blum, immerhin selbst Mitglied im Beauftragtenrat, zeigt sich in der Aussprache entsetzt darüber, dass die Betroffenenbeiräte es unter den momentanen Bedingungen anderen Betroffenen nicht empfehlen können, sich bei den Kirchen als Betroffene von sexuellem Missbrauch zu melden. Ist das für ihn eine Neuigkeit?
Die Betroffenen sind sich ja in vielem auch uneinig, aber darin nicht: Noch von keine:r meiner Gesprächspartner:innen unter den Betroffenen habe ich den vergangenen beiden Jahren gehört, dass Meldung und Begleitung von neuen Fällen irgendwo reibungslos funktionieren.
Montag, 8.11.2021, 17:00 Uhr
Bischöfin Kirsten Fehrs, von 2018 bis 2020 Sprecherin des Beauftragtenrates und aussichtsreiche Kandidatin für den Ratsvorsitz, dankt den Betroffenen für ihre Offenheit. Und sie gesteht das Scheitern einiger Bemühungen angesichts der Anklagen durch die Betroffenenbeiräte ein. Die Zerknirschung darüber ist ihr anzusehen und anzuhören. Man habe viele Fehler gemacht, aber nicht aus einer Haltung des Paternalismus heraus, wie die Betroffenen nahelegten, sondern weil man es nicht besser wusste.
Eine Rechtsfrage, die offensichtlich die Synodalen interessiert, ist die Neuordnung der kirchlichen Disziplinarverfahren. Wichtig, ja, richtig. Allerdings geht es nicht allein oder zuerst um Verrechtlichung von Ansprüchen nach Anhörung und Beteiligung in diesen kirchlichen Verfahren. Was hier schiefläuft, kann man nicht durch ein paar neue Paragraphen im kirchlichen Disziplinarrecht lösen:
Wer zu einer Kirche als Betroffene:r kommt, der braucht professionelle, unabhängige Begleitung. Die Kosten dafür sollte die Institution übernehmen. Und diese unabhängigen „Betroffenen-Paten“ müssen Betroffene durch alle kirchlichen Prozesse – auch die zur Beantragung von „Anerkennungsleistungen“, nicht allein Disziplinarverfahren von Tätern – begleiten dürfen. Ein solches Unterstützungssystem gibt es in den evangelischen Landeskirchen nicht (oder nicht mehr).
Aus dem Präsidium wird der Antrag eingebracht, eine neue synodale Struktur für das Thema einzurichten: Es soll eine synodale Kommission eingerichtet werden, in die dann auch externe Expertise und Betroffene eingebunden werden soll. Die Kommission soll die Befassungen der Synode vorbereiten. Oder anders: Das Synodenpräsidium macht ernst und das Thema zur „Chefsache“. Und hinter diesem Antrag steckt auch ein wenig Misstrauen gegenüber dem Beauftragtenrat, den man nun in Zukunft offenbar nicht mehr vor sich hin arbeiten lassen will, sondern effektiv(er) kontrollieren.
Montag, 8.11.2021, 17:10 Uhr
Die Anträge wurden in die Ausschüsse verwiesen, zumeist in den zu Diakonie, Bildung und Jugend. Die Synode legt jetzt eine Pause bis 17:30 Uhr ein. Dann startet die Podiumsdiskussion zum Thema Machtmissbrauch, mit der sich die Synode einem inhaltlichen Grund für den sexuellen Missbrauch in der Kirche widmen möchte.
Zuvor hatte Detlev Zander in Bremen noch einmal das Wort ergriffen und Bischöfin Kirsten Fehrs ausdrücklich in Schutz genommen, sie sei von ihren Kollegen in ihren Bemühungen „häufig im Stich gelassen worden“.
Montag, 8.11.2021, 17:50 Uhr
Im Moment läuft im Livestream der EKD noch die Podiumsdiskussion zum Thema Machtmissbrauch. Der Live-Blog allerdings macht an dieser Stelle eine Pause. Heute Abend wird es an dieser Stelle noch ein kurzes Update zu den morgigen Ratswahlen geben.
Die Synode befasst sich heute Abend außerdem mit dem Haushalt der EKD und einer Änderung am kirchlichen Datenschutzgesetz, die mit den Aufarbeitungsbemühungen zum sexuellen Missbrauch in Zusammenhang steht. Es geht darum, wer zu welchen Zwecken Zugriff auf Personalakten nehmen darf.
Montag, 8.11.2021, 22:00 Uhr
Die Stellungnahmen der aktuellen und ehemaligen Mitglieder des EKD-Betroffenenbeirates sind unter den Tagungsunterlagen auf der Website der EKD erschienen, hier als PDF.
Wie versprochen noch ein paar Infos und Gedanken zur morgigen Ratswahl:
Was diese Ratswahl so schwer macht, wird vielleicht deutlich, wenn man das Zahlenspiel einmal umdreht, und nicht nach 14 geeigneten Mitgliedern des Rates der EKD sucht, sondern nach 8 Personen unter den 22 KandidatInnen, die man da wirklich nicht sehen will. Bis auf einen Kandidaten, der sich mit seiner verunglückten Bewerbungsrede ins Abseits geschossen hat und aufgrund starker Konkurrenz aus der eigenen Region sowieso kaum Chancen hat, fällt mir da niemand ein. Es ist ein wirklich starkes BewerberInnen-Feld.
Im Live-Blog vom gestrigen Tag kann man die Vorstellungsrunde noch einmal komplett nachvollziehen.
Trotzdem richten sich die Wahlberechtigten natürlich nicht allein nach den Bewerbungsreden, die sie obendrein auch mehrmals nach Schwächen durchleuchten können, da sie allen Interessierten auf YouTube zur Verfügung stehen (s.o.), sondern auch nach taktischen Gesichtspunkten. So ist es wichtig, dass diejenigen KandidatInnen, die für den Ratsvorsitz in Frage kommen – ein endliches Reservoire – nicht erst in den Nachmittagsstunden zerfleddert in den Rat einziehen, sondern möglichst früh und mit gutem Ergebnis.
Obendrein gibt es auch grundsätzliche Überlegungen, die unter den Synodalen diskutiert werden: Braucht es im Rat zum Beispiel aktive PolitikerInnen? Die Bewerbungsreden von Kerstin Griese (SPD) und Thomas Rachel (CDU) haben viele jüngere Synodale nicht vom Hocker gehauen. Wäre nun ein guter Zeitpunkt, die ohnehin überlebte Polarität Sozialdemokratie <-> Christdemokratie aufzulösen? Erfahrene Synodale drängen derweil auf die Beteiligung der PolitikerInnen, sie brächten unverzichtbare Netzwerke mit. Man müsse sehen, dass BewerberInnen eben nicht nur für sich allein dastünden, sondern auch stellvertretend für wichtige gesellschaftspolitische Akteure, mit denen die Kirche zusammenarbeiten will/muss.
Und schließlich ließe sich die Polarität natürlich auch durch die Wahl des Grünen-Mitglieds Anna von Notz beseitigen.
Auch die Frage der Amtsdauer wird unter den Synodalen diskutiert. Ein Rat der personell über die gesamte Legislatur zusammenbleibt, ist selten. Und vielleicht auch gar nicht erstrebenswert. Nicht die ganze Amtszeit „durchzuhalten“, ist keine Schande. 6 Jahre sind eine lange Zeit, gerade für die jüngeren KandidatInnen. Meine Meinung: Man sollte wählen, wen man jetzt gut und richtig findet. Der Rest wird sich weisen.
Die Chancen der fünf Leitenden Geistlichen, die für den Rat kandidieren, sind nach wie vor groß. Auch wenn über Volker Jungs Ankündigung, seinen Sitz im Rat bereits 2024 bei Eintritt in den Ruhestand aufzugeben, durchaus diskutiert wird. Manche sehen darin ein willkommenes Zeichen der Demut, andere ein Abwinken. Wieder andere schreiben dem Kirchenpräsidenten sogar große Chancen auf das Amt des Ratsvorsitzenden zu, sozusagen als „Übergangs-RV“. (2024 könnte dann ein anderer jüngerer Kollege übernehmen, vielleicht sogar für zwei Amtsperioden.)
Allgemein gute Chancen werden Pastorin Josephine Teske aus der Nordkirche eingeräumt. Nicht nur beeindruckt ihre treue Online-Follower:innenschaft, auch in den alten Medien (SPIEGEL, SZ) war sie zuletzt präsent. Und ihre Wahl in den Rat würde anzeigen, dass man den mit der Wahl von Anna-Nicole Heinrich zur Präses eingeschlagenen Weg der Verjüngung weitergeht. Als „überzeugte Gemeindepastorin“ bringt sie auch die Perspektive der Mitarbeiter:innen in der Fläche ein, die im Getriebe der Amts- und Bürokirche schon mal untergeht. Darüber, ob Insta-Stories von den Ratssitzungen erstrebenswert sind, ist man hingegen gespalten. (Meine Meinung: Kirchen-PR bleibt Kirchen-PR.)
Je nachdem, ob und wie viele PolitikerInnen es in den Rat schaffen, ist übrigens Platz für gleich mehrere der versierten und profilierten jüngeren Frauen auf dem Wahlvorschlag.
So. Morgen früh um 9 Uhr startet der Livestream und auch dieser Live-Blog meldet sich dann wieder. Ein anstrengender, fordernder Tag liegt vor den KandidatInnen, Synodalen, dem Präsidium, den Techniker:innen und Beobachter:innen. Aber vielleicht dauert es doch gar nicht so lang: Bei der Präseswahl überraschte die digitale Synode alle Beobachter:innen mit ihrer zügigen Wahl. Jedenfalls wird die digitalisierte Tagung sicher auch Auswirkungen auf das Ergebnis zeitigen. Wir sehen uns. Gute Nacht!
Die #EKDsynode macht einen technischen Test zur Ratswahl der #EKD, indem über das #Frühstück abgestimmt wird. Der #Orangensaft hat gewonnen. 🍊🍊🍊
— Markus Bechtold (@MarkusBechtold) November 8, 2021
(Der besseren Lesbarkeit wegen wurde der Live-Blog in vorwärts-chronologische Reihenfolge gebracht.)
Den Live-Blog von Sonntag findet ihr hier, inkl. der KandidatInnen-Vorstellungen. Und hier findet ihr den Live-Blog mit der Ratswahl vom Dienstag. Den Live-Blog mit der Wahl der Ratsvorsitzenden am Mittwoch findet ihr hier.