Live-Blog EKD-Synode 2022 (Tag 2): Krieg und Frieden

Der zweite Tag der 3. Tagung der 13. Synode der EKD zum Nachlesen: Die Synodalen diskutieren über den Ukraine-Krieg und streiten über Waffenlieferungen. Außerdem verabschiedet sich die UEK-Vollkonferenz.

Ein herzliches Willkommen zum Live-Blog vom 3. Tag der 3. Tagung der 13. Synode der EKD in Magdeburg und auf den Datenautobahnen! Den Live-Blog von Sonntag findet ihr hier, inkl. des ersten Ratsberichts der EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus und der Befassung mit „Catholica“-Fragen. Den Live-Blog von Montag, inkl. der Diskussion über den Ukraine-Krieg, findet ihr hier. Und hier wird der Live-Blog am Dienstag fortgesetzt.


Montag, 7.11.2022: Krieg und Frieden und ein Abschied

Montag, 7.11.2022, 9:05 Uhr: Guten Morgen

Es geht weiter in Magdeburg bei der EKD-Synode. Heute Vormittag tagen die Synodalen getrennt nach innerevangelischer Konfessionszugehörigkeit. Die Generalsynode der VELKD ist vor allem mit Interna und Gesetzen befasst. Bei der Vollkonferenz der UEK geht es heute Vormittag um Klimagerechtigkeit und Frieden in globaler Perspektive und die weitere Integration der UEK in die EKD. Dazu gleich mehr. Nun aber halten die Synodalen Morgenandacht.

Montag, 7.11.2022, 10:25 Uhr

Good News: In seinem Bericht vor der UEK-Vollkonferenz kündigte Kirchenpräsident Volker Jung (EKHN) gerade an, dass das digitale Gottesdienstbuch, das gemeinsam von UEK und VELKD herausgegeben wird, zum Jahreswechsel 2022/2023 erscheinen wird. Damit soll die digitale Vorbereitung von Gottesdiensten erleichert werden. Frage an die geneigten Eule-Leser:innen, die im Ehren- und Hauptamt Gottesdienste halten: Wer tippt den Gottesdienstablauf auch heute noch auf der Erika?

Außerdem war Volker Jungs Bericht als Vorsitzender der Vollkonferenz der UEK voll des „Transformationsprozesses“, während dessen die UEK vollständig in der EKD aufgehen soll. Was uns zur Frage bringt: Was ist die UEK überhaupt? Die Union Evangelischer Kirchen ist der Zusammenschluss von 12 der 20 Gliedkirchen der EKD mit reformierter Prägung oder unierter Tradition. Sie ist das Gegenüber zur VELKD, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, die als Gemeinschaft der sieben lutherischen EKD-Gliedkirchen selbst Kirche ist. Aus diesem Miteinander ergeben sich viele gemeinsame Anliegen, die ja auch durch die Tagung der drei Synoden im Verbindungsmodell immer wieder offensichtlich werden. Daher stellt sich in der UEK die Frage, ob es zusätzlich zur EKD die Extra-Abkürzung, einen eigenen Amtsbereich der UEK im Kirchenamt der EKD, Ausschüsse, Konferenzen etc. etc. braucht. Die VELKD allerdings ist nicht an ihrem vorzeitigen Abschied aus der Geschichte interessiert.

Die Generalsynode der VELKD hat derweil soeben ihren Doppelhaushalt 2023/2024 beschlossen. Für das Theologische Studienseminar in Pullach wurde für das kommende Jahr eine Prüfung der Perspektiven angekündigt. Bereits eingestellt wurde zum Ende des Jahres 2021 die Arbeit des Gemeindekollegs der VELKD „in der bisherigen Form und am Standort Neudietendorf“ (bei Erfurt). „Das Engagement der VELKD in der Unterstützung und Begleitung unserer Kirchen und Kirchengemeinden wird natürlich fortgesetzt, nun jedoch in anderer Form.“

Ab 2023 fördert die VELKD die neue Forschungsstelle „Kirchen- und Gemeindetheorie – Ökumene und Wissenstransfer im weltweiten lutherischen Kontext (KÖW)“ an der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Sie gehört mit zwei weiteren Forschungsstellen zum Forschungszentrum „CES Center for Empowerment Studies – Forschungszentrum Christliches Empowerment in der Säkularität“, das von Michael Domsgen, Professor Religionspädagogik und im Ehrenamt Mitglied im Rat der EKD, geleitet wird.

Montag, 7.11.2022, 10:55 Uhr

Ein Blick in die Presselandschaft:

Nach einer kurzen Kaffeepause setzen die Generalsynode und die Vollkonferenz ihre Sitzungen fort.

Montag, 7.11.2022, 11:25 Uhr

Leider überträgt die UEK aus ihrem Saal nicht live. Die VELKD-Generalsynode kann man hier im Stream verfolgen (oder nachträglich schauen). Allerdings ist bei der VELKD schon die Abschlussandacht dran.

Auf der Vollkonferenz der UEK spricht gerade Andar Parlindungan von der Vereinten Evangelischen Mission über internationale Klimagerechtigkeit.

Montag, 7.11.2022, 11:45 Uhr: Weiterer Ablauf / Friedensbeauftragter

Wie geht es heute weiter?
Nachdem die Generalsynode der VELKD schon Schluss gemacht hat und sehr vorfristig noch dazu, gehen zumindest ihre Synodalen jetzt schon in die Mittagspause. „Bleiben Sie behütet, bis wir uns wiedersehen“, wünscht Präsident Kannengießer. Aber die Tagung der EKD-Synode ist ja noch in vollem Schwange:

Nach dem Mittagessen treffen sich die Synodalen in den Synodalen Arbeitsgruppen (s. Live-Blog gestern) und ab 15 Uhr geht es im Plenum weiter. Dann steht der Bericht über die Friedensarbeit des Friedensbeauftragten des Rates der EKD, Landesbischof Friedrich Kramer, auf der Tagesordnung. In der Aussprache dazu wird es natürlich vor allem um den Ukraine-Krieg und die verschiedenen Positionen der evangelischen Akteur:innen gehen.

Kramer hat gestern im MDR seine Position noch einmal ausführlich dargestellt. Annette Kurschus, die EKD-Ratsvorsitzende, hatte in ihrem Ratsbericht ihre anderslautende Position zu den Waffenlieferungen aus Deutschland dargestellt. Vor allem aber hatte die Ratsvorsitzende vor einem Denken in Dualismen gewarnt und für Nachdenklichkeit und Gründlichkeit in der Reflexion geworben: Die Kirche stünde anders als Politiker:innen nicht in der Verpflichtung, immer gleich und sofort Antworten parat zu haben.

Außerdem stehen heute noch der EKD-Haushalt, das Datenschutzgesetz der EKD und die digitale Aktenführung bei Kirchengerichten auf der Tagesordnung. Am frühen Abend werden die Synodalen in den Ausschüssen an den wirklich wieder sehr vielen Anträgen arbeiten, die gestern in der Aussprache zum mündlichen und schriftlichen Ratsbericht eingebracht wurden, bevor am späten Abend der Evangelische Arbeitskreis (EAK) der CDU/CSU zum Empfang lädt.

Ich melde mich hier um 15 Uhr wieder zurück.

Montag, 7.11.20222, 15:10 Uhr: Good bye UEK-Vollkonferenz

Bevor es im Plenum der EKD-Synode gleich weiter geht, u.a. mit dem Bericht des Friedensbeauftragten des Rates der EKD, sei hier noch die Entscheidung des Vormittags nachgetragen: Die Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (UEK) hat ihre Selbstentäußerung hinein in die Strukturen der EKD beschlossen. Die Teilnehmer:innen saßen heute sehr wahrscheinlich auf der vorletzten UEK-Vollkonferenz der Geschichte, denn den Prozess der weiteren „Integration und Transformation“ in die EKD haben sie in die Hände des Präsidiums gelegt, die diesen Prozess dem Beschluss nach bis zum Ende der jetzigen Legislatur zum Abschluss bringen soll. 2027 soll die UEK-Vollkonferenz demnach ein allerletztes Mal zusammentreten und Ja und Amen sagen.

Als Körperschaft aber soll die UEK (irgendwie) doch bestehen bleiben und die reformierte und unierte Theologie will man in Zukunft viel stärker im Rahmen der EKD einbringen. Auf Nachfrage der Eule, was denn unierte Theologie jenseits von „Pluralitätskompetenz“ beizubringen habe, antwortete Kirchenpräsident Volker Jung (EKHN), der Vorsitzende der Vollkonferenz: dass man von F.D.E. Schleiermacher aus „Dinge zusammenhalten, neu denken und Konfessionsunterschiede am Ende überwinden“ könne.

Die Abstimmung über das neue Gesetz selbst geriet zu einer Reminiszenz an längst vergangen geglaubte analoge Zeiten. Im Unterschied zur VELKD-Generalsynode übertrug die UEK ihre Tagung nicht per Livestream (sie ist daher auch nicht nachschaubar) und bediente sich auch keiner der digitalen Abstimmungswerkzeuge, die auf den digitalen Synodentagungen 2020 und 2021 zum Einsatz gekommen sind. Immerhin wurde ja so der Rat der EKD gewählt. Heuer aber zählte das Präsidium die in die Höhe gereckten Stimmkärtchen, nachdem zur Sicherheit noch einmal eine Namensnennung durchgeführt wurde, um auf die korrekte Zahl der anwesenden Teilnehmer:innen zu kommen. Starke Neunzigervibes. Auf die Frage, ob das nicht ein Rückschritt auf dem Weg zur Digitalisierung gewesen sei, gab Volker Jung zu, „das könne man so sehen“.

Das Ergebnis der Abstimmung fiel dann nach einer lebendigen Diskussion, in die der Bischof der EKBO, Christian Stäblein, noch Bedenken eingetragen hatte, sehr eindeutig aus. 82 der 83 anwesenden Teilnehmer:innen sagten „Ja“, nur Stäblein „Nein.“

Die Synode hat gesungen und ist jetzt in die Befassung der Themen im Nachgang des Ratsberichts eingestiegen.

Montag, 7.11.2022, 15:25 Uhr

Hier findet ihr den Livestream des Plenums der EKD-Synode.

Im Moment verteidigt Ratsmitglied Michael Diener das Vorhaben eines neuen „Kammernetzwerkes“, das das bisherige System der Kammern der EKD (allerdings im Rahmen der bestehenden Kirchengesetze) ablösen soll. Es soll möglich werden, dass der Rat von dem neuen Netzwerk auch kurzfristige Expertise abfragen kann. Dem neuen „Steuerungsboard“ aus je zwei Mitgliedern der sechs neuen Themengruppen komme dabei besondere Bedeutung zu, erklärt Diener. Bereits gestern hatte allerdings der Synodale Michael Germann, Kirchenrechtsprofessor an der MLU Halle-Wittenberg und Vorsitzender des Rechtsausschusses der VELKD-Generalsynode (hier in der Eule) zu bedenken gegeben, dass „Bretter nicht denken könnten“.

Nun erklärt Ratsmitglied Anna von Notz (hier in der Eule), dass das neue Modell mit der Grundordnung der EKD schon konform geht. Begeistert sind nämlich einige Synodale nicht, dass der Rat hier eine Neuordnung vornehmen will, ohne die Synode ausführlich damit zu befassen. Von Notz verteidigt, dass der Rat als primärer Auftraggeber der Kammern hier handelt. Von Notz ist auch Mitarbeiterin des hervorragenden Verfassungsblogs, auf dem Hinnerk Wißmann, Professor für Öffentliches Recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und von 2011 bis 2021 Mitglied der Kammer für Theologie, das Anliegen des Rates kritisiert hatte.

Montag, 7.11.2022, 15:50 Uhr

Nun hält Friedrich Kramer seinen Bericht über die Friedensarbeit innerhalb der EKD. Als Beauftragter des Rates der EKD für Frieden ist er in den vergangenen Monaten reichlich Aufmerksamkeit gewohnt (s.u.). Kramer beginnt, indem er von der zwei Mal vom Krieg zerstörten Stadt Magdeburg erzählt (30jähriger & 2. Weltkrieg) und vom dadurch inspirierten Werk Ernst Barlachs. Und er erklärt seine Motivation für seinen Einsatz „für Frieden und Gewaltlosigkeit“ u.a. mit seiner Bausoldatenerfahrung in der DDR.

Er erklärt u.a.:

Die Ukraine ist Opfer eines aggressiven Okkupationskriegs. Daher hat sie zweifellos das Recht auf militärische Selbstverteidigung und darauf, sich Hilfe von Drittstaaten zu erbitten. Sie genießt unsere volle Solidarität; ihr von unserer Warte aus gewaltfreien Widerstand zu verordnen, wäre vermessen.

Aber es gibt Gruppen, die auf das große Potential des gewaltfreien Widerstandes auch in der Ukraine hinweisen und über ernstzunehmende Alternativen zu militärischen Konzepten der Verteidigung arbeiten und so Sicherheit neu denken. Auch wenn dies in der konkreten Situation des Krieges als unrealistisch gilt, zeigen mehrere Studien, dass zivile Konfliktbearbeitung erfolgreicher und nachhaltiger ist als militärische Konfliktbearbeitung.“

Über gewaltfreien Widerstand im Angesicht des Krieges hat bei uns in der Eule Mennoniten-Pastor Benjamin Isaak-Krauß geschrieben: „Die Macht gewaltlosen Widerstands“. Und in die friedensethische Debatte – gerade was eine „Neu-“ oder „Weiterentwicklung“ der Friedensdenkschrift von 2007 angeht – hat der Friedensethiker und Theologie Michael Haspel hier in der Eule eingeführt.

Montag, 7.11.2022, 15:58 Uhr

Um an der evangelischen Friedensethik weiterzuarbeiten, gibt es nun eine neue „Friedenswerkstatt“, denn „ein breiter innerkirchlicher Verständigungsprozess ist nötig“, erklärt Kramer. An der Werkstatt sollen die Konferenz für Friedensarbeit, der Rat der EKD, die Synode, die landeskirchlichen Arbeitsstellen, das neue Kammernetzwerk, etc. etc. mitarbeiten. Grundlage der Arbeit bleibt insofern die Friedensdenkschrift von 2007, als dass an ihr Dissens, Zustimmung, Aufgaben und Probleme festgemacht werden sollen.

Vorsitzende der Friedenswerkstatt sind neben Kramer Friederike Krippner, die Leiterin der Evangelischen Akademie zu Berlin, und Professor Reiner Anselm (Systematische Theologie, LMU München), der bisherige Vorsitzende der Kammer für Öffentliche Verantwortung. Damit ist – btw – auch die Vielfalt in der Frage der Waffenlieferungen gesichert. Auf die soll die Arbeit zwar nicht zusammensurren, aber wichtig bleibt sie gleichwohl. Kramer erklärt auch, er habe die „Task Force“ Frieden in „Friedenswerkstatt“ umbenannt und erhält dafür aus dem Kreis der sehr konzentriert zuhörenden Synode ein paar leise Akklamationen.

Der Applaus für den Bericht hält sich allerdings in Grenzen. Die Redner:innenliste ist geöffnet.

Montag, 7.11.2022, 16:10 Uhr

Als erster Synodaler in der Aussprache zum Bericht des Friedensbeauftragen ergreift Ruprecht von Butler, Brigadegeneral und Unterabteilungsleiter Führung Streitkräfte I im Bundesministerium der Verteidigung in Berlin ein Generalmajor des Heeres der Bundeswehr und Kommandeur der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim sowie Synodaler aus Kramers Evangelischer Kirche in Mitteldeutschland (EKM), das Wort. Er dankt Kramer für den ausgewogenen Bericht, der auf der Grundlage der Friedensdenkschrift 2007 stünde. Er ruft dazu auf, auch ehrlich über die Notwendigkeit von Abschreckung zu diskutieren.

Als nächstes spricht die „gute Seele der Synode“ Hans-Peter Strenge aus Hamburg (Nordkirche). Er dankt für Arbeit und Bericht Kramers, lobt die neue Friedenswerkstatt und warnt, diese dürfe keine Veranstaltung nur für Professor:innen werden: „Kramer ist der richtige dafür, eine breite Partizipation sicherzustellen.“

Und als Dritte ergreift die ehemalige Präses der EKD-Synode und ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag und jetzige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Katrin Göring-Eckardt das Wort. Auch sie dankt Kramer für seine Arbeit in schwieriger Zeit. In der Friedenswerkstatt hätte sie gerne stärker gewürdigt, dass es auch „um die Vernichtung von Kultur, Sprache und Identität“ der Ukraine geht, nicht nur um die Zerstörung von Infrastruktur: „Der Krieg ist mehr als eine Landnahme, er ist ein Versuch die Ukraine als Ganzes in Frage zu stellen“.

Montag, 7.11.2022, 16:25 Uhr

Bisher ist das eine sehr EKM-lastige Debatte, mit drei Menschen aus dieser Landeskirche, die bei aller Unterschiedlichkeit in den Positionen respektvoll übereinander sprechen. Göring-Eckardt hat lange gesprochen.

Der Synodale Arnd Henze, von Beruf Journalist beim WDR, fragt, ob nicht eine Ethik auch Defensivwaffen umfassen müsste. Er verlangt von Friedrich Kramer darauf eine Antwort: „Bruder Kramer, bitte argumentieren Sie nie wieder ‚Andere mögen, wir nicht‘“. Kramer hätte ja sogar die Schutzrolle der USA und Großbritannien im Sinne des Budapester Memorandums eingeräumt, sich aber gegen Waffenlieferungen aus Deutschland ausgesprochen. Das sei „nicht pazifistisch, sondern isolationistisch“.

Der Bischof der EKBO, Christian Stäblein, lobt Kramer und dankt für seinen Einsatz. Aber er kritisiert auch, dass durch den Bericht durchscheine, man würde den Kriegsopfern gewaltfreien Widerstand als Vorzugslösung vorhalten. In einer starken Passsage seiner Wortmeldung verwahrt Stäblein sich dagegen, im Krieg nicht klar und deutlich zwischen Opfern und Tätern zu unterscheiden: „Der Krieg ist nicht eine abstrakte Entität, sondern ist konkret, zum Beispiel in Butscha.“ Zwar würden alle Kriegsteilnehmer schuldig, aber eben differenzierbar und – so habe ich ihn jedenfalls verstanden – rechtfertigbar.

Kramer hatte in seinem Bericht gesagt:

„Wir kommen nicht schuldlos aus diesen Fragen heraus, weil der Krieg selbst das Böse ist. Es gibt keinen gerechten Krieg. Und die dringende Frage ist, wie wir aus dem ungerechten Krieg in einen gerechten Frieden kommen können.“

Montag, 7.11.2022, 16:53 Uhr

Der Synodale Hermann Gröhe, stellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, weist darauf hin, dass der aktuellen Debatte um die Friedensethik eine Weichenstellung vor fast vierzig Jahren vorausgegangen ist, als die Evangelische Kirche den Debattenkorridor verengt habe. Es habe gehießen: „Für ein Nein ohne jedes Ja“, das fiele der Kirche jetzt auf die Füße. Er könne die von Kramer formulierten Friedensgebete zwar vollumfänglich mitbeten, füge aber für sich an, er bete auch dafür, „dass Cherson vor dem Winter befreit wird“.

Es melden sich weitere Synodale zu Wort. Ein Redner fordert, dass die Kirche auch jetzt zu den gewaltfreien Pazifisten halten muss, weil sie „unter Beschuss“ stünden. Nun ja, sie haben einen schweren Stand, aber geschossen wird in Deutschland im Unterschied zur Ukraine eben gerade nicht.

Die Synodale Henriette Greulich (hier in der Eule) weist darauf hin, in die friedensethischen Debatte den Klimaschutz und weitere Konflikte und Kriege mit einzubeziehen. Der Krieg in der Ukraine sei auch jungen Christ:innen besonders wichtig, aber man dürfe sich nicht allein darauf verengen.

Und der Synodale Maik-Andres Schwarz fordert, dass man nicht von „Weiterentwicklung“ der Friedensethik im Bezug auf das Papier der „Friedenssynode“ der EKD in Dresden 2019 sprechen soll, das sei „euphemistisch“. Man könne doch auch eingestehen, dass man damals eben tatsächlich „isolationistisch“ gedacht und sich „geirrt“ habe.

Mit Greulich und Schwarz haben damit auch zwei junge Synodale das Wort ergriffen. Nun antwortet Friedrich Kramer auf die Redebeiträge der Synodalen. Kramer bedankt sich für die Wortmeldungen und weist noch einmal darauf hin, dass die Partnerkirchen im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) von der EKD eine klare pazifistische Orientierung verlangen und ihr aufgetragen haben, alle Gliedkirchen sollten den Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) fordern.

Ein Beitritt Deutschland zum AVV würde ein „Nein“ zur gemeinsamen atomaren Abschreckung der NATO bedeuten, der sog. „nuklearen Teilhabe“, mithin also die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO in Frage stellen. Die Bundesregierung will stattdessen den Atomwaffensperrvertrag weiterentwickeln. Mehr dazu hier in der Eule und eine Einschätzung aus Perspektive evangelischer Ethik zur Frage von Atomwaffen und nukleare Abschreckung von Michael Haspel hier.

Die Synode sang gerade „Meine engen Grenzen“ (EG 600). Jetzt ist Pause.

Montag, 7.11.2022, 17:25 Uhr

Das Plenum der Synode ist wieder zusammengetreten. Jetzt geht’s ums Geld. Ratsmitglied Andreas Barner stellt den Haushalt 2023 und einen Be-
richt zur „Umsetzung der neuorientierten Finanzstrategie“ vor.

Auf dem Flur waren die Synodalen gerade erleichtert, wie konstruktiv und respektvoll die Synode im Anschluss an den Bericht des Friedensbeauftragten über den Ukraine-Krieg gesprochen hat. Und zwar (fast s.u.) ausschließlich über den Ukraine-Krieg und nicht auch über andere Konfliktherde, Kriegsschauplätze und sicherheitspolitische Herausforderungen. Die einen lobten, dass der Dissens nun auch öffentlich ausreichend differenziert dargestellt wurde. Andere weisen darauf hin, man solle die Frage der Waffenlieferungen aus Deutschland nicht permanent ins Zentrum des kirchlichen Redens stellen. Es gäbe in der Ukraine viele andere dringende Probleme, zu denen sich die Evangelische Kirche verhalten und erklären könnte.

Montag, 7.11.2022, 17:30 Uhr

Eine spontane Änderung der Tagesordnung teilt das Präsidium der Synode mit:

Um 18.45 Uhr nimmt sich die Synode Zeit, um sich mit der Freiheitsbewegung im Iran auseinanderzusetzen. Im Anschluss an das abendliche Friedensgebet findet im Tagungssaal ein Gespräch mit einer Iranerin und einem Iraner statt, die beide in Magdeburg leben und in Kirchengemeinden engagiert sind. Anschließend soll ein Foto von Synodalen gemacht werden, die damit ein Zeichen der Solidarität und des Wahrnehmens der mutigen Frauen und der Freiheitsbewegung im Iran setzen wollen.

Montag, 7.11.2022, 18:10 Uhr

Die Synode hat Haushalt und den Bericht zur Finanzstrategie sehr dankbar in erster Lesung zur Kenntnis genommen und in den Haushaltsausschuss zurückverwiesen. Jetzt stellt Ratsmitglied Anna von Notz eine Änderung am kirchlichen Datenschutzgesetz vor. Die EKD hat ein eigenes Datenschutzgesetz, das DSG-EKD.

Montag, 7.11.2022, 19:05 Uhr

Nach der Abendandacht findet jetzt das Gespräch mit zwei iranischen MitbürgerInnen statt. Danach gibt es die Möglichkeit für die Synodalen, sich mit einem gemeinsamen Foto mit dem „unglaublichen Freiheitskampf“ (Ratsmitglied Silke Lechner) der Menschen im Iran zu solidarisieren. Die Gäste werden mit sehr herzlichem Applaus empfangen.

Narges und Hamid erzählen vom Kampf der Iraner:innen für Freiheit. Überschrieben ist dieser spontane Teil der Synodentagung mit „Frau, Leben, Freiheit“, doch erzählen sie auch vom Kampf der Christ:innen im Land für Religionsfreiheit. Sie sind auch hier in Magdeburg in Gemeinden engagiert. Die Synode hört gespannt zu und dankt mit stehenden Ovationen. Danach dankt auch die Ratsvorsitzende, die mit auf das Podium gekommen ist.

Montag, 7.11.2022, 21:30 Uhr

Die Synodalen sind in den Ausschüssen, auf den Fluren wird so manches Gespräch geführt. Unter anderem bereiten sich die Mitglieder des neuen Beteiligungsformungs (BeFo) für die Befassung mit sexualisierter Gewalt auf ihren Bericht morgen Nachmittag vor. In einer halben Stunde findet der Empfang des Evangelischen Arbeitskreises in der CDU/CSU statt. Die Brezeln hängen schon da. Der Live-Blog meldet sich morgen früh wieder, hier aber noch eine Anekdote vom gestrigen Tag, die etwas vom Leben der Synode vermittelt:

Elke König, Vizepräses der EKD-Synode, wurde am Reformationstag mit der höchsten Auszeichnung ihrer Landeskirche, der Nordkirche, bedacht: Der Bugenhagen-Medaille. Seit 1991 gehört sie der EKD-Synode an. Das sind 31 Jahre! Als die Präses der Synode, Anna-Nicole Heinrich (26), gestern aus dem Präsidium heraus die Synodalen von der Auszeichnung unterrichtete, erhoben sich ihre Kolleg:innen zu herzlichen Standing Ovations.

Der Applaus für den ersten Ratsbericht der Ratsvorsitzenden Annette Kurschus war lang und dankbar, aber erhoben haben sich die Synodalen bei dieser Tagung (bisher) nur für die iranischen Gäste und Elke König.

Der Nordkurier berichtete:

Elke König wuchs in Krien bei Anklam auf. „Mein Vater betrieb eine Gaststätte direkt neben dem Pfarrhaus, zu der eine kleine Landwirtschaft gehörte“, erinnert sie sich. Als ihr Vater starb, war sie gerade einmal 14 Jahre alt. Das Pastorenehepaar Manfred und Inge Goeritz brachten ihr die Weltliteratur nahe und sprachen mit ihr über philosophische Fragen. Später engagierte sie sich in der Junge Gemeinde. König studierte Mathematik und Physik und wurde Lehrerin, wechselte später in die Universität Greifswald.

Herzlichen Glückwunsch auch von diesem alten JGler hier!
Und damit eine gute Nacht und bis morgen!


Ein herzliches Willkommen zum Live-Blog vom 3. Tag der 3. Tagung der 13. Synode der EKD in Magdeburg und auf den Datenautobahnen! Den Live-Blog von Sonntag findet ihr hier, inkl. des ersten Ratsberichts der EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus und der Befassung mit „Catholica“-Fragen. Den Live-Blog von Montag, inkl. der Diskussion über den Ukraine-Krieg, findet ihr hier. Und hier wird der Live-Blog am Dienstag fortgesetzt.

Jetzt wird’s kritisch. Die Eule auf der EKD-Synode

Von der Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Magdeburg berichtet Eule-Redakteur Philipp Greifenstein ab Sonntag in einem Live-Blog. In einer Sonderausgabe unseres „WTF?!“-Podcasts hat Michael Greder mit Philipp vor seiner Abreise nach Magdeburg über die wichtigen Themen der Synoden-Tagung geprochen. Außerdem wird es zur Synode weitere Beiträge im Magazin geben. Fragen und Hinweise zur EKD-Synode nehmen wir gerne entgegen (z.B. per Email oder auf Twitter, Instagram & Mastodon).