Live-Blog EKD-Synode 2022 (Tag 1): Ratsbericht und Krach um die Friedensethik

Der erste Tag der 3. Tagung der 13. Synode der EKD zum Nachlesen: Die Synode tritt in Magdeburg zusammen. Im Ratsbericht bestärkt Annette Kurschus die Hoffnung auf das Schweigen der Waffen in der Ukraine.

Ein herzliches Willkommen zum Live-Blog vom 1. Tag der 3. Tagung der 13. Synode der EKD in Magdeburg und auf den Datenautobahnen! Der Live-Blog wird hier fortgesetzt. Und hier findet ihr den Live-Blog vom Montag.


Sonntag, 6.11.2022: Ratsbericht und Krach um die Friedensethik

Herzlich Willkommen am digitalen Lagerfeuer zur EKD-Synode!

Wir machen es uns gemütlich und verfolgen die 3. Tagung der 13. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Es schreibt Eule-Redakteur Philipp Greifenstein. Los geht’s um 9:30 Uhr mit dem Eröffnungsgottesdienst im ZDF.

Gerade eben sind die „Links am Tag des Herrn“ (#LaTdH) für diesen Sonntag erschienen, in denen Jacqueline Depta die Kirchennachrichten der Woche bespricht, u.a. den Streit um den Bibelspruch an der Kuppel des Berliner Stadtschlosses und den um die sog. „Judensau“ in Wittenberg. Außerdem geht es um den Rücktritt des Erzbischofs von Bamberg und die Synoden-Vorberichterstattung sowie um die Nicht-Präsenz von Kardinal Woelki beim diesjährigen Karneval. Das scheint ein großes Ding zu sein!

Nun aber ist der Zirkus erst einmal nach Magdeburg eingezogen! Die EKD-Synode tritt zum ersten Mal seit 2019 wieder „im Fleisch“, d.h. in analoger Präsenz, zusammen. Machen wir uns also darauf gefasst, dass der Freude darüber zu Beginn jeder Rede und jedes Grußworts Ausdruck verliehen wird. Treue Eule-Leser:innen wissen natürlich: Auch im Digitalen kann man präsent sein, aber ich freue mich auch sehr wieder live vor Ort zu sein!

Es ist dies auch das erste Mal, dass die im vergangenen Jahr konstituierte 13. Synode der EKD sich analog trifft. Es sind viele neue Gesichter in den Reihen der Synodalen zu entdecken! Die Tagung der EKD-Synode wird wie üblich im „Verbindungsmodell“ mit der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD, das sind Lutheraner:innen) und der Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen (UEK, die restlichen Evangelischen) durchgeführt. Seit Donnerstag sind die Synodalen in Magdeburg. Auch wenn die Synodalen schon in die Befassung mit dem Klima-Schwerpunkt (s.u.) eingetreten sind: Ihr habt noch nichts verpasst!

Wir werden die Synode hier im Live-Blog begleiten, außerdem sind in der Eule bereits eine Reihe von Beiträgen zur Vorbereitung auf die Tagung erschienen.

Sonntag, 6.11.2022, 9:30 Uhr: Eröffnungsgottesdienst im Magdeburger Dom

Die Synodentagung startet offiziell mit dem Eröffnungsgottesdienst im Magdeburger Dom. Die Predigt hält der Landesbischof der gastgebenden Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer. Kramer ist seit Beginn des Jahres auch Beauftragter des Rates der EKD für den Frieden. Als solcher steht er, wegen seiner Ablehnung von deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine, heftig in der Kritik („Lumpenpazifismus“, Sascha Lobo). Hintergründe zur Person und zur Gastgeberin EKM hat Paul-Philipp Braun in dieser Woche hier in der Eule aufgeschrieben:

Doch wo viel Licht ist, ist auch ein wenig Schatten – und natürlich gehört auch der zu einer spannenden Geschichte. Die eher tragischen Seiten der EKM sind derzeit wohl nicht viel von denen anderer Landeskirchen zu unterscheiden. Es sind insbesondere Wirtschafts- und Energiekrisen, die an der Kirche nagen, die die vielen oft jahrhundertealten Liegenschaften aus Pfarrhäusern, Gemeindeobjekten und Sakralbauten betreffen. Hinzu kommen die Schwierigkeiten, die nahezu 40 Jahre realexistierender Sozialismus hinterließen: Leere Kirchen und leere Schatullen.

Die EKM ist reich an Kirchen, aber nicht ganz so reich an Mitgliedern. Die rund 4000 Kapellen und Kirchen in der EKM entsprechen 20 % der evangelischen Kirchenbauten in Deutschland, während nur 2 % der evangelischen Christ:innen der EKM angehören. Viele Kirchen stehen in kleinen Orten auf dem Land, in ihnen finden nur noch selten Gottesdienste statt. Es braucht darum „einen neuen Typus Kirche“ formulierte schon der Evangelische Kirchenbautag 2019 in Erfurt, „hybride öffentliche Räume“.

Ich werde versuchen, während des Gottesdienstes ein wenig zu twittern. Die Hardcore-Synodenbegeisterten mit Twitter- (oder Mastodon-) Zugang finden mich unter @rockToamna.

Hier im Live-Blog geht es dann ca. 11 Uhr weiter mit der Eröffnung der Sitzung durch die Präses der Synode, Anna-Nicole Heinrich, sowie den Berichten des Synodenpräsidiums (wieder Heinrich) und des Rates der EKD. Annette Kurschus, die seit der 2. Tagung der 13. Synode im vergangenen Herbst (Live-Blog zum Nachlesen) Ratsvorsitzende der EKD ist, wird ihren ersten Ratsbericht vor der Synode halten.

Von zentraler Bedeutung auf dieser Tagung ist der Themenkomplex Klima. Es geht sowohl um den kirchlichen Klimaschutz als auch um eine Positionierung der Evangelischen Kirche zu den Klimaprotestbewegungen. Um letztere wird heftig gerungen. Der Hannoversche Landesbischof Ralf Meister sagt: „Wir schulden dieser Bewegung moralische Unterstützung“. Und meint damit ausdrücklich auch die Protestierenden der „Letzten Generation“. Moralische Unterstützung, so Meister gestern auf einer Pressekonferenz, hieße allerdings nicht, „jede Maßnahme im einzelnen zu verteidigen“.

Ganz anders schätzt der bayerische Landesbischof und ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm die Proteste ein. Er hält sie für „komplett kontraproduktiv“. Weiter sagte er via KNA:

„Ich kann nicht sehen, dass das Festkleben auf den Straßen, wo Leute ihr Kind aus dem Kindergarten abholen wollen, die dann im Stau stehen und sich ärgern, etwas nutzt“, […] Bedford-Strohm betonte, die Regierungen mühten sich redlich ab, um den Klimawandel aufzuhalten. „Uns als Kirche steht es nicht zu, auf dem moralischen Hochpodest irgendwelche Ratschläge zu geben, wenn wir selber nicht so weit sind“, sagte Bedford-Strohm. „Als Kirchen können wir nur mit einer Haltung der Demut an die Sache gehen.“

Mit der Frage nach einer Position zur Klimakrise und den Protesten, die auf sie hinweisen wollen, verhandelt der Protestantismus also wieder einmal auch seine Stellung zum Staat und die Definition dessen, was der ehemalige Ratsvorsitzende für gewöhnlich „Öffentliche Theologie nennt. Lasst das öffentliche Theologisieren auf der Synode nur weiter gehen!

Sonntag, 6.11.2022, 11:00 Uhr

In wenigen Minuten wird die 3. Tagung der 13. Synode der EKD offiziell eröffnet. Die Synodalen und Gäste sortieren sich langsam in Richtung ihrer Plätze. Nach ein wenig Hallo wird die Präses der Synode, Anna-Nicole Heinrich, den Bericht des Synodenpräsidiums halten.

Im Eröffnungsgottesdienst predigte der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und Friedensbeauftragte der EKD Friedrich Kramer. Er wiederholte in der Predigt noch einmal seine Ablehnung gegenüber deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine und fragte: „Waren wir nicht auf dem Weg, eine Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens zu werden?“ Damit spielt er auf den Titel der sog. „Friedenssynode“ von Dresden 2019 an (Live-Blog von damals hier). Die friedensethischen Positionen der damaligen Synodentagung sind durch den Ukraine-Krieg angefragt.

Sonntag, 6.11.2022, 11:20 Uhr

Es ist dies ja die erste Tagung der EKD-Synode „nach“ Corona. Alle Synodalen und Gäste sind dringend aufgefordert, eine Maske zu tragen, wenn sie nicht am Platz sind. Eine Empfehlung, die allerdings wenig Widerhall findet. Vor der Anreise sollten sich alle Teilnehmer:innen zuhause testen. Abgesagt wird die Tagung jetzt ganz sicher nicht mehr. Hoffentlich wird die Freude am Wiedersehen nicht durch Ansteckungen und Erkrankungen getrübt.

Zum Ablauf: Heute Vormittag stehen neben Grußworten die Berichte des Synodenpräsidiums und des Rates der EKD an. Annette Kurschus, die auf der Tagung im letzten Herbst zur Ratsvorsitzenden gewählt wurde, wird ihren ersten Ratsbericht vor der Synode halten. Mit Spannung wird erwartet, wie sie die Diskussion um die evangelische Friedensethik darin aufnehmen wird – und sich selbst positionieren.

Den Livestream findet ihr hier auf YouTube.

Sonntag, 6.11.2022, 11:45 Uhr

In ihrem Bericht für das Synodenpräsidium fackelt die Präses nicht lange, sondern kommt direkt auf die wichtigen Aufgaben der Evangelischen Kirche zu sprechen. Seit der letzten Tagung im vergangenen Jahr habe man mit den Beteiligungsforum die Einbindungen von Betroffenen sexualisierter Gewalt neu aufgestellt, mit der Klimaschutzrichtlinie habe man einen ersten Schritt in Richtung mehr Klimaschutz in der Kirche getan und – da sind noch keine zwei Minuten vorbei – der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sei scharf zu verurteilen.

Nach diesem themendichten Auftakt spricht Anna-Nicole Heinrich nun über ihr Hobby Slackline. Das Balancieren auf dem Band ist natürlich ein Bildwort für die Evangelische Kirche und die Arbeit der EKD-Synode: „Der Baum, der Weg und das Ziel. Der Baum, an dem ich aufsteige, die Tradition, Abläufe, Routinen. Daran kann ich mich festhalten. […] Gemeinsam auf dem Weg sein: Kirche auf einer wackeligen Slackline. […]“

Sonntag, 6.11.2022, 11:55 Uhr

Dass Heinrich gut durch digitale Tagungen führen kann, haben die Synoden-Tagungen des vergangenen Jahres gezeigt. Auch ihren ersten Bericht als Präses vor gefülltem Saal hat sie gut gemeistert. Die Herausforderungen für die Synode sind benannt, ein positives Bild für den gemeinsamen Weg gefunden. Nach diesem knackigen Bericht des Synodenpräsidiums gibt es nun die Möglichkeit zur Aussprache.

Die Aussprachen nach den Berichten nutzen die Synodalen nicht nur zum Dank, sondern auch dazu, eigene Themen und Anliegen in die Synoden-Öffentlichkeit einzubringen. Nach zwei Wortmeldungen ist die Aussprache nun schon wieder vorbei und es folgt der Ratsbericht.

Sonntag, 6.11.2022, 12:05 Uhr

Annette Kurschus hält ihren ersten Bericht auf der EKD-Synode als Ratsvorsitzende. Sie beschwert sich darin über die permanente Frage: „Wozu wird die Kirche eigentlich gebraucht?“ Sie führe dazu, dass die Kirche um sich selbst und die Sorge um die eigene Relevanz kreise. Allerdings, so mein Eindruck, kann sich eine Kirche eigentlich nicht beschweren, dass immerhin noch bei ihr nachgefragt wird.

Kurschus hatte sich zu Beginn ihrer Amtszeit vorgenommen, vornehmlich „geistlich“ zu sprechen. Das konnte man auch als Absetzbewegung von ihrem Amtsvorgänger Heinrich Bedford-Strohm verstehen. Aber ein Ratsbericht ist natürlich keine Predigt, auch wenn Kurschus als Seelsorgerin sprechen will und reichlich Bilder aus der Bibel einbindet. Natürlich spricht die Ratsvorsitzende auch über den Krieg in der Ukraine und die mit ihm verbundenen Herausforderungen für die evangelische Friedensethik:

„Die Krise, die der Krieg in der Ukraine auslöst, ist so tief, dass sie alles, auch uns Kirchen in Deutschland, unweigerlich ansaugt und fordert. Wir können uns nicht zuschauend ans Seeufer stellen, das ist klar. Wir sind nicht Kriegspartei, aber wir sind parteilich für die unendlich leidenden Menschen in der Ukraine. Wir helfen den Geflüchteten, die zu uns kommen, froh, dass die Bundesregierung zumindest ihnen die Türen weit öffnet, und mit dem Wunsch, dass auch Geflüchtete aus anderen Regionen der Welt solche Erleichterungen bekommen. […]

Sehr schnell, zu schnell, waren Worte da, wo Schweigen, zumindest Zögerlichkeit, angebrachter gewesen wäre. Ein öffentlicher Streit brach los: Militärische Verteidigung, ja oder nein? Waffenlieferungen, ja oder nein? Pazifismus, ja oder nein? Trägt die kirchliche Friedensethik noch, ja oder nein? Diese unselige binäre Logik hielt Einzug auch in unsere Predigten und kirchlichen Stellungnahmen. Angesteckt durch den unmittelbaren Handlungsdruck, unter dem die Politiker und Politikerinnen standen, gab es auch in der Kirche kein Halten mehr – und kaum ein Innehalten, das gewagt hätte, das Fehlen eindeutiger Antworten auszuhalten. Meinungen und Urteile mussten her, und zwar sofort. Und es wurde deutlich, dass es neben der Nächstenliebe noch eine zweite Liebe gibt, nämlich die Liebe zur immer schon gehabten Lieblingsmeinung.“

Sonntag, 6.11.2022, 12:15 Uhr

Kurschus verteidigt ihren Ruf vom Reformationstag nach einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen:

„Es geht mir nicht darum, die Ukraine zu Verhandlungen oder gar zur Kapitulation aufzufordern. Aber Gespräche auf unterschiedlichen Ebenen dürfen niemals für unmöglich erklärt werden.“

Kurschus war u.a. vom Ex-Botschafter der Ukraine in Deutschland für ihre Predigt in Wittenberg kritisiert und mit Beleidigungen überzogen worden. Dazu mehr hier in der Eule.

Ihren gesamten Bericht gibt es jetzt hier als Text auf der EKD-Website.

Sonntag, 6.11.2022, 12:30 Uhr

Besonders leidenschaftlich spricht die Ratsvorsitzende über das Thema Armut in der Gesellschaft: „Armut ist ein Mangel an Gerechtigkeit.“ Nach dem politischen Teil folgt nun eine binnenkirchlich orientierte Passage des Berichts. Kurschus berichtet von der „steilen Lernkurve“, die es bei der Digitalisierung in der Kirche gegeben habe. Und sie interpretiert die neue midi-Studie zu „Sinnfluencer:innen“ und ihren Communities auf Instagram (hier mehr dazu in der Eule) als Zeichen dafür, dass gerade die hochverbundenen Kirchenmitglieder digitale Kommunikation ihrer Kirche voraussetzen.

Sonntag, 6.11.2022, 12:47 Uhr

Nachdem Kurschus über die ökumenischen Kontakte der Kirche gesprochen hat, kommt sie nun zum Thema sexueller Missbrauch in der Kirche:

„Die Sünde betrifft nicht allein einzelne Täter und Täterinnen, wir alle sind darin verstrickt, niemand kann sagen: Mit mir hat das nichts zu tun.“

Dieser Teil des Ratsberichts fällt naturgemäß selbstkritisch aus, dem weicht die Ratsvorsitzende auch nicht aus. Klar benennt sind, dass viele Prozesse der Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt zwar begonnen wurden, aber noch lange nicht so weit fortschritten sind, dass man damit zufrieden sein könnte. Von der Offenheit der Betroffenen in persönlichen Gesprächen sei sie „auch beschämt“ gewesen. Den Betroffenen, die im neuen Beteiligungsforum mitarbeiten, dankt sie als erstes und dann den Mitarbeiter:innen, die sich in den Landeskirchen für Prävention und „Aufarbeitung“ einsetzen. Über die Probleme dabei habe ich zuletzt im „WTF?!“-Podcast vor Beginn der Synodentagung gesprochen.

Für ihren ersten Ratsbericht erhält Kurschus langanhaltenden, sehr kräftigen Beifall.

Jetzt ist Mittagspause, danach treten die Synodalen Arbeitsgruppen zusammen. Im Plenum geht es heute Nachmittag weiter.

Sonntag, 6.11.2022, 15:00 Uhr: Synodale Arbeitsgruppen?

Mit der Aussprache zum Ratsbericht von Annette Kurschus geht das Plenum der Synodentagung ab 15 Uhr weiter. Jetzt gerade arbeiten die Synodalen in den Synodalen Arbeitsgruppen. Das sind keine thematischen Arbeitsgemeinschaften, sondern Interessen- bzw. Neigungsgruppen.

Die Geschäftsordnung der EKD-Synode sieht in § 27 die Möglichkeit der Einrichtung von Synodalen Arbeitsgruppen vor. Der Zutritt zu einer Arbeitsgruppe ist frei und kein:e Synodale:r darf von der Mitarbeit in einer bestimmten Gruppe ausgeschlossen werden. Die Synodalen Arbeitsgruppen dienen der „Vorbereitung, der Beratung und Willensbildung“ innerhalb der Synode und sind keine „Kirchenparteien“. Zu ihnen wird offen eingeladen und ihnen wird im Rahmen der Synoden-Tagungen offiziell Zeit für ihre Treffen eingeräumt. Es dürfen keine Eingriffe in das freie Mandat der Synodalen angestrebt werden.

In der EKD-Synode gibt es gegenwärtig drei Arbeitsgruppen: Die „Gruppe Offene Kirche“, die „Synodale Arbeitsgruppe Lebendige Kirche“ und den „Gesprächskreis“. Ähnlichkeiten mit den „Kirchenparteien“ in Württemberg sind nicht zufällig. In der „Lebendigen Kirche“ treffen sich theologisch konservative Synodale mit Hang oder Bindung zur evangelikalen Bewegung mit einem Schwerpunkt in Süddeutschland. Bei der „GOK“ gehts norddeutscher und liberaler zu. Der „Gesprächskreis“ steht irgendwo dazwischen.

Über die Synodalen Arbeitsgruppen und das Innenleben der Synode hat Lisa Menzel in der ersten Folge unseres neuen „EHRENSACHE“-Podcasts mit ihrer Co-Synodalen Henriette Greulich aus Dresden gesprochen. Beide gehören der EKD-Synode an und sprechen vor dem Mikrofon auch über das wichtige Thema Klimaschutz, das eines der Schwerpunktthemen dieser Synodentagung ist.

Sonntag, 6.11.2022, 15:15 Uhr: Synodenablauf

Was liegt heute sonst noch an? Am Abend wird der sog. Catholica-Bericht gehalten und der örtliche römisch-katholische Bischof und Ökumene-Freund Gerhard Feige wird vorbeischauen. Das wird also ein Podium mit drei Männern werden, neben Feige auch Landesbischof Karl-Hinrich Manzke (Schaumburg-Lippe) und Kirchenpräsident Volker Jung (EKHN, Hessen-Nassau). Ist Ökumene Männersache?!

Am morgigen Montag dann tagen am Vormittag zunächst VELKD und UEK getrennt, am Nachmittag hält dann der EKD-Friedensbeauftragte seinen Bericht von dem Plenum der EKD-Synode. Am Dienstagvormittag wird es um das Schwerpunktthema Klima gehen und am Dienstagnachmittag um das kirchliche Bearbeiten des Problems der sexualisierten Gewalt.

Im Moment hört die Synode ein Grußwort von Jørgen Skov Sørensen. Der polyglotte Däne ist Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), dem größten Ökumene-Dachverband des Kontinents.

Sonntag, 6.11.2022, 15:35 Uhr

Die Aussprache zum Ratsbericht hält sich an die gewohnte Dramaturgie: Friedemann Kuttler, Vorsitzender der ChristusBewegung lebendige Gemeinde e.V., dankt für den Ratsbericht und wünscht sich, dass die Kirche sich mehr an Gottes Wort ausrichtet und der Kraft des Gebets vertraut. Ebenfalls in der Aussprache meldet sich die ehemalige Präses der EKD-Synode und jetzige Synodale Katrin Göring-Eckardt (Grüne) zu Wort und erklärt nochmals ihre Position zum Ukraine-Krieg.

Zuvor hatte Arnd Henze, im Brotberuf WDR-Journalist, dazu aufgefordert, sich auch öffentlich solidarisch mit Annette Kurschus („Wir stehen alle hinter Ihnen!“) und weiteren Opfern von Shitstorms zu zeigen und Kompetenzen bei der Krisenkommunikation auszubauen.

Sonntag, 6.11.2022, 16:10 Uhr

Es läuft nach wie vor die Aussprache zum Ratsbericht. Synodale nutzen dies auch, um Anträge anzukündigen und etwas ausführlicher zu den Themen der Tagung Stellung zu nehmen. Gleich wird die Ratsvorsitzende auf die Wortmeldungen reagieren.

Derweil haben wir soeben hier in der Eule ein Interview von Benjamin Lassiwe mit dem Präsidenten der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, veröffentlicht, in dem es um die europäische Flüchtlingspolitik und den Einfluss der Kirchen sowie um den Umgang mit Flüchtlingen aus der Ukraine und auf dem Mittelmeer geht.

Sonntag, 6.11.2022, 16:40 Uhr

Nach der Aussprache zum mündlichen Ratsbericht läuft jetzt die Aussprache zum ungleich umfassenderen schriftlichen Ratsbericht: Hier kann alles zur Sprache kommen, was die Evangelische Kirche bewegt. Da kann auch mal Kritik an der Unterstützung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht durch die Ratsvorsitzende direkt gefolgt werden von einer Wortmeldung, die mehr Geschlechtergerechtigkeit fordert.

Sonntag, 6.11.2022, 17:20 Uhr

Nun werden die wieder einmal sehr zahlreichen Anträge in die Ausschüsse verwiesen, wo sie in den kommenden Tagen bearbeitet werden. Danach geht die Synode in eine Pause. Ab halb Sechs geht es um die Catholica-Berichte (wahrscheinlich ein paar Minuten später). Christine Axt-Piscalar, Theologieprofessorin aus Göttingen, hat in der Aussprache zum schriftlichen Ratsbericht gerade noch einmal die Verstimmungen im Dialog mit der römisch-katholischen Kirche benannt. Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige wird sich heute Abend bestimmt daran versuchen, die Stimmung zu heben.

Sonntag, 6.11.2022, 17:45 Uhr

Die Fülle der Anträge hier zu beleuchten, ist wieder einmal nicht möglich. Die Synodalen sind wieder fleißig beim Formulieren und so dokumentiert sich natürlich auch die Vielfalt evangelischen Engagements, z.B. für Ökumene, Klimaschutz und LGBTQI*-Rechte. Stellvertretend sei hier der Antrag des Synodalen Niklas Alexander Krakau (EKHN) herausgepickt:

Er fordert die Synode auf, über das kirchliche Investment zu beraten. Die evangelische Kirche ist beim Thema Divestment aus fossilen Energien, beim Thema ethisches Investment sowieso schon vorangekommen (s. Eule-Artikel von 2019). Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat bereits 2015 einen Beschluss zum Divestment gefasst. Der Synodale Krakau fordert nun, verstärkt mit jedem Euro auch Gutes zu bewirken und nicht nur keinen Schaden verursachen zu wollen, also positive Anlegekriterien. Bisher orientieren sich z.B. die evangelischen Banken und Landeskirchen bei ihrem Investment am „Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche“ (PDF), der vom Arbeitskreis Kirchlicher Investoren (AKI) erarbeitet wurde („Insgesamt investieren die evangelischen Akteure eine mittlere zweistellige Milliardensumme nach Maßgabe des Leitfadens.“).

Alle Eule-Artikel zum Thema Divestment in der evangelischen und katholischen Kirche findet ihr hier.

Sonntag, 6.11.2022, 18:00 Uhr

Bischof Gerhard Feige (Magdeburg) spricht nur sein Grußwort, anschließend soll in einer Gesprächrunde der „Catholica“-Bericht gegeben werden. Dialogisch. Bischof Feige ist ein Freund der Ökumene und hier in Mitteldeutschland machen evangelische und katholische Gemeinden schon viel gemeinsam. In der Minderheit rücken die Christ:innen zusammen. Theologie und Lehrfragen stehen dabei weniger im Vordergrund als die gemeinsame Praxis, z.B. bei Martinsumzügen, in der Jugendbildungsarbeit etc. etc. Auf dem Podium sitzen nun neben Feige auch Landesbischof Karl-Hinrich Manzke (Schaumburg-Lippe) und Kirchenpräsident Volker Jung (EKHN, Hessen-Nassau, Mitglied im Rat der EKD) sowie die Präses der EKD-Synode Anna Nicole-Heinrich und der Präsident der Generalsynode der VELKD Matthias Kannengießer.

Der schriftliche Ratsbericht steht nun auch auf der EKD-Website (PDF). Dort kann man die Vielfalt evangelischen Wirkens in der Gesellschaft und kirchlicher Aufgaben und Werke bestaunen und nachlesen, wie der Rat der EKD sich zu ihnen verhält. Der Rat, daran sei erinnert, besteht aus 15 Personen, von denen 14 auf der 2. Tagung der 13. Synode im vergangenen Herbst gewählt wurden (s. Live-Blog von der Ratswahl). Außerdem gehört die Präses der Synode als geborenes Mitglied dem Rat der EKD an. Neben der Kirchenkonferenz (KiKo), der die Leitenden Geistlichen und Juristen der 20 evangelischen Landeskirchen – der sog. Gliedkirchen der EKD – angehören, und der Synode ist der Rat eines der drei Leitungsorgane der EKD.

Sonntag, 6.11.2022, 18:30 Uhr

Den Livestream findet ihr übrigens hier auf YouTube. Ich bin ehrlich: Mir erschliest sich diese Form eines „Catholica“-Berichts nicht. Probleme benennen, ja. Lehrentwicklungen markieren, unbedingt. Aber einen Überblick über die Ökumene-Meldungen des vergangenen Jahres? Why?

Nun folgt der zweite Bericht: Volker Jung berichtet über die „Catholica“-Arbeit in der EKD und GEKE (Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa). Er wird versuchen, verspricht er, einiges von dem aufzunehmen, was schon gesagt wurde. Das wäre gut. Sehr gut.

Sonntag, 6.11.2022, 18:45 Uhr

Jung lobt, dass alle evangelischen Landeskirchen und alle (Erz-)Bistümer in Deutschland sich darauf verständigt haben, die Kirchensteuermehreinnahmen durch die Energiepreispauschale der Bundesregierung Menschen in Not zu Gute kommen zu lassen. Das sei auch als ökumenischen Zeichen nicht gering zu schätzen.

Insgesamt hat der ehemalige EKD-Sportbeauftragte sich rangehalten und in sportlicher Kürze gesprochen. Nun sollen die Themen in der Gesprächsrunde auf dem Podium noch mal vertieft werden. Wäre natürlich praktisch, man würde dazu den römisch-katholischen Bischof auch was fragen und nicht – no pun intended – an ihm vorbeireden.

Sonntag, 6.11.2022, 18:55 Uhr

In seiner Replik, nun doch vom Pult, gibt Bischof Feige zu, er hätte die beiden Catholica-Berichte zuvor gelesen und würde manches sogar „noch kritischer, also selbstkritischer“ beschreiben. Er bedankt sich für die Catholica-Berichte, die immer sehr umsichtig und fachlich genau wären. Wenn selbst ein katholischer Bischof es aber lebendig und kräftig und schärfer hinkriegt, sind die Catholica-Berichte dann nicht vielleicht zu zahm?

„Manchmal habe ich das Gefühl, dass manche Bischöfe das Zweite Vatikanische Konzil noch nicht nachvollzogen haben“, erklärt Feige, bei manchen seiner Kollegen würde ein „exklusivistisches Kirchenbild“ mitschwingen.

Sonntag, 6.11.2022, 19:15 Uhr

Zum Schluss gibt es noch einmal Applaus für Bischof Feige dafür, dass er sich zu diesem Dialogformat bereiterklärt hat. Das dialogische Miteinanderreden ist ja möglich, man lebt in direkter Nachbarschaft, und soll geübt werden. In der Schlussrunde gibt der Präsident der VELKD-Generalsynode zu erkennen, dass er an dem neuen Format festhalten will.

Dann bliebe die Frage, warum trotzdem zuvor zwei Berichte nicht nur vorgelegt, sondern auch noch vorgetragen werden. Eine Möglichkeit wäre natürlich auch, Bischof Feige auf jede Tagung der EKD-Synode einzuladen, sozusagen als „Catholica-Beaufragten“.

Nun wird das Plenum geschlossen und die Synodalen gehen in den Ökumenischen Abend in die Johanniskirche.

Dieser Live-Blog wird Morgen fortgesetzt.
Bis dahin!

Jetzt wird’s kritisch. Die Eule auf der EKD-Synode

Von der Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Magdeburg berichtet Eule-Redakteur Philipp Greifenstein ab Sonntag in einem Live-Blog. In einer Sonderausgabe unseres „WTF?!“-Podcasts hat Michael Greder mit Philipp vor seiner Abreise nach Magdeburg über die wichtigen Themen der Synoden-Tagung geprochen. Außerdem wird es zur Synode weitere Beiträge im Magazin geben. Fragen und Hinweise zur EKD-Synode nehmen wir gerne entgegen (z.B. per Email oder auf Twitter, Instagram & Mastodon).