Kultur

Wir müssen es einfach besser machen

Seit einem Jahr hört Frederik Ohlenbusch für uns Podcasts über Kirche und Theologie ab. Wie steht es um die deutschsprachigen Kirchen- und Glaubenspodcasts? Ein vorläufiges Fazit:

Was sind Podcasts? Was sind christliche Podcasts? Seit 2017 stellen wir in unserer Serie „#abgehört“ Podcasts vor: Podcasts zu klassischen Kirchenthemen und solche, die Neuland betreten. Podcasts, die von Theolog:innen gemacht werden und sich um Bibel und Predigt drehen, und Podcasts zu (Rand-)Themen, die mehr Aufmerksamkeit verdienen. Seit 2022 schreibt Frederik Ohlenbusch für uns frische Podcast-Kritiken.

Dem Podcast als Medium und Format fühlen wir uns bei der Eule verbunden. Immer wieder wenden wir uns mit Podcastkritiken, Interviews und Einordnungen dem Podcasten zu. Drei Podcasts haben in den vergangenen drei Jahren zum Programm der Eule gehört. In diesem Dialog-Artikel versuchen „#abgehört“-Kolumnist Frederik Ohlenbusch und Eule-Redakteur Philipp Greifenstein den aktuellen Stand der Entwicklung auf dem Feld der „christlichen“ deutschsprachigen Podcasts zu verstehen:


OHLENBUSCH: Seit etwas mehr als einem Jahr höre ich für die Eule regelmäßig Podcasts. Ich habe Podcasts aus der universitären Theologie, aus der kirchlichen Praxis, über Spiritualität im Alltag sowie Skandale und Probleme der Kirche beschrieben, empfohlen und kritisiert. Viele Puzzleteile einer Landkarte des christlichen Glaubens sind so schon zusammengekommen, aber natürlich hat die Karte noch weiße Flecken. Nicht zuletzt, weil die Podcasts selbst bei weitem nicht die gesamte Landschaft an möglichen Erfahrungen, Spiritualitäten und Themen abdecken.

Oft entscheide ich mich ganz bewusst gegen die Besprechung eines Podcasts, zu dem ich nicht allzu viel Gutes sagen könnte. Ich frage mich dann, was die Podcast-Macher:innen denn mit einer Kritik auch anfangen könnten. Können sie es überhaupt anders, vielleicht sogar besser machen? Viel lieber empfehle ich doch Podcasts, die gut produziert und zu hören sind, ein interessantes Thema beleuchten und denen man ganz generell anmerkt, dass sie mit viel Herzblut und Können gemacht werden.

Im Großen und Ganzen sehe ich in der Szene christlicher Podcasts ungenutztes Potential. Einzelnen Hosts und Produzent:innen ihre Fehler vorzuwerfen, vor allem, wenn sie ihren Podcast als unbezahltes Hobby betreiben, finde ich überflüssig. Als sehr regelmäßiger Hörer möchte ich an dieser Stelle aber ein paar kritische Anregungen geben, wie sich Podcasts zu Theologie und Kirche weiterentwickeln könnten.

Der Gesprächspodcast als Standard-Lösung

GREIFENSTEIN: Was ist denn jetzt überhaupt ein Podcast? Ist ein Podcast mehr als Audio on Demand? Podcasts begegne jedenfalls ich auch mit einer Erwartung an das Format. Sie sind im besten Falle nicht nur Audios, die ich hören kann, wann und wo ich mag, sondern bieten mir einen Mehrwert gegenüber streng reglementierten traditionellen Radiosendungen. Der Informationsweitergabe durch geschriebene Texte hingegen haben sie voraus, dass mir die Sprecher:innen ganz nahe rücken, wenn ich sie direkt auf dem Ohr habe.

OHLENBUSCH: In der deutschsprachigen Podcast-Szene, innerhalb und außerhalb der Kirchenbubble, firmieren unter Podcast hauptsächlich aufgezeichnete Gesprächsrunden. Wir vom Fach sprechen auch vom „Laberpodcast“. Das setzt den Ideen von Produzent:innen enge Grenzen, ist aber zugleich durch die eingeschränkten Produktionsmittel vorgegeben. Ein Kreislauf, aus dem die wenigsten Formate ausbrechen. Die allermeisten Podcast-Formate der digitalen Kirche sind deshalb nichts anderes als aufgezeichnete Gespräche eines gleichbleibenden Kreises von ein bis höchstens drei Sprecher:innen. Gäst:innen kommen optional hinzu.

Mit Blick auf die Podcast-Charts scheint es auch plausibel, mit einem Gesprächspodcast an die Zuhörer:innen heranzutreten. Die erfolgreichsten internationalen und deutschsprachigen Formate sind Gesprächspodcasts. Bedenkenswert finde ich aber doch, dass – von „Unter Pfarrerstöchtern“ abgesehen – kein kirchlicher, christlicher oder theologische Podcast in dieser Liga mitspielt. Es ist eben nicht entscheidend, dass geredet wird, sondern wer über was redet.

GREIFENSTEIN: Viele Podcastformate der digitalen Kirche richten sich erkennbar überhaupt nicht an ein großes Publikum. Themen-, Moderator:innen und Gäst:innen-Auswahl sind eindeutig nicht darauf optimiert, eine Hörer:innenschaft jenseits der eigenen Bubble anzusprechen. Ich habe aber den Eindruck, dass es sich dabei nur selten um bewusste Entscheidungen handelt, sondern entweder die Produktionsumstände oder mangelnde Kreativität dahinterstehen. Nicht nach dem großen Publikum zu schielen, könnte Hosts und Produzent:innen dazu befreien, überraschende und herausfordernde Inhalte und Formate ins Zentrum zu stellen. Aber die „Nische“ kann auch eine Ausrede sein, sich einfach keine Mühe mit der Gestaltung geben zu müssen: „Wer sich für unser Thema interessiert, der wird’s schon anhören!“

Auch Gesprächspodcasts müssen vorbereitet werden, gerade wenn sie sich spontan und frisch anhören sollen. Welche:r Gäst:in kann zu welchem Thema wirklich Interessantes beitragen? Wie können wir ein Thema so miteinander besprechen, dass Hörer:innen der Argumentation oder dem Gesprächsverlauf gut folgen können? Welche Anreize geben wir, an unserem Gespräch dranzubleiben? Mein Eindruck ist leider, dass nur wenige Podcast-Hosts und -Produzent:innen sich offenbar mit solchen Fragen befassen. Das Ergebnis ist viel zu häufig, dass die Gespräche so vor sich hinplätschern. Hier kann auch geschicktes Schneiden der Audiospur nicht mehr viel ausrichten.

Sinnfluencer:innen-Podcasts als Werkzeug des Community-Aufbaus

OHLENBUSCH: Gesprächspodcasts ohne klare Linie sind vor allem Werkzeuge fürs Community-Building. Anderswo gewonnene Fans schmeißen extra für ihre Lieblingsinfluencer:innen ihre Streaming-Plattform an, aber wechseln eher selten zu anderen „Laberrunden“. Auch in den Kirchenbubbles gibt es bekanntere Persönlichkeiten, die entsprechend für ein bereits bestehendes Publikum podcasten. Inhalte und Diskussionsthemen – eigentlich alles, was dann vor dem Mikrofon stattfindet – referenzieren dann den eigentlichen Kontext, aus dem die Influencer:innen bekannt sind, etwa Instagram oder im Falle einer digital aktiven Pfarrperson die eigene Gemeinde.

GREIFENSTEIN: Ein solches Community-Building hat seine Grenzen und ist der Sache nach von der jeweiligen Community abhängig. Es gibt im deutschsprachigen Raum einige wenige, aber reichweitenstarke „Sinnfluencer:innen“-Podcasts. Auch viele kleinere Formate haben sich der Pflege ihrer Communities verschrieben. In diesen Podcasts geht es häufig sehr persönlich zu. An die Tiefe der Befassung mit den zur Sprache kommenden Themen sollte man keine allzu großen Erwartungen stellen. Im besten Fall nutzen solche Podcasts die Intimität des Mediums: Wir können am Leben und Glauben der Hosts Anteil nehmen. Wir sind gemeinsam unterwegs. Daran kann ich nichts Schlimmes erkennen, aber es stellt sich schon die Frage, ob diese Formate jenseits von Hobbyprojekten der Weg in die Zukunft für das christliche Podcasting sind.

OHLENBUSCH: Wenn man solche Formate allerdings ernst nimmt, dann ist auch klar: Eine Community bildet sich um Menschen, mit denen die Hörer:innen Lebensstil, Milieu und Spiritualität teilen. Hier macht sich die mangelnde Vielfalt der Hosts massiv bemerkbar. Wie viel Zeit räume ich als Hörer:in der Anteilnahme am (Glaubens-)Leben von Millennial-Männern ein?

GREIFENSTEIN: In den digitalen Kirchenbubbles wurde Margot Käßmanns inzwischen eingestellter Podcast häufig belächelt. Dabei ist er ein Beispiel dafür, dass Sinnfluencer:innen-Podcasts sich nicht auf die enge Gruppe von digital natives zwischen 18 bis 35 beschränken müssen. Natürlich braucht es dafür glaubwürdige Hosts, die selbst unterschiedlichen Alters sind, verschiedenen Milieus angehören, theologisch und spirituell bunt denken und fühlen und zugleich klar verortbar.

OHLENBUSCH: Der Online-Audio-Monitor, erhoben von einigen Landesmedienanstalten, dem Bundesverband Digitale Wirtschaft und Mediendienstleistern, legt nahe, dass etwas mehr als die Hälfte der Podcastkonsument:innen über 30 Jahre alt ist, Tendenz steigend. Es gibt keinen wesentlichen Unterschied zwischen Männern und Frauen, wenn es um das Hören von Audio on Demand geht.

Zwei Dudes machen Laberpodcast (Symbolbild) Foto: Marty O’Neill (Unsplash)

Themenpodcasts: Ein Text hätte auch gereicht

GREIFENSTEIN: Podcasts wie „Schall und Weihrauch“, mit dem überregional Ministrant:innen aus verschiedenen Bistümern angesprochen werden sollen, wollen hingegen eine Hörer:innenschaft nicht um Influencer:innen, sondern um ein gemeinsames Interessengebiet aufbauen. Vergleichsweise wenige christliche Podcasts wagen sich an einen themenzentrierten Ansatz. Vorherrschend ist vor allem eine „Mischform“: Wer bei „Das Wort und das Fleisch“, „331: 3 Frauen, 3 Religionen, 1 Thema“ oder auch bei der „Frischetheke“ dranbleibt, der/die macht das auch der Hosts wegen. Man hört zu, weil man ihnen gerne zuhört, weil man hofft, sie hätten zum Thema Relevantes und Interessantes zu sagen.

OHLENBUSCH: Nicht jedem Inhalt und jedem anvisierten Publikum werden solche Podcasts gerecht. Man kann auch unmöglich Expert:in für alle möglichen Themen sein. Obwohl es gelegentlich Hosts gibt, die mir genau das weismachen wollen. Dass aus einer digitalen Möglichkeit nur unter bestimmten Umständen auch eine Notwendigkeit zur Umsetzung wird, konzentriert sich in dem schönen Satz: „Dieses Zoom-Meeting hätte man auch mit einer E-Mail erledigen können.“ Analog dazu hätte so mancher Podcast auch ein Gemeindebriefartikel bleiben dürfen.

GREIFENSTEIN: Ein Thema für einen Vortrag so aufzubereiten, dass Hörer:innen etwas davon haben, ist eine schwierige Aufgabe. Noch schwieriger ist es, ein Thema im Gespräch so zu entfalten, dass tatsächlich ein Mehrwert im Vergleich zu einem erklärenden Text oder einem klassischen Vortrag oder einer Vorlesung entsteht. Die Möglichkeiten des Dialogs werden in christlichen Podcasts häufig liegengelassen, obwohl es sich fast ausschließlich um Gesprächspodcasts handelt.

Selbst Produktionen wie das hervorragende „Das Wort und das Fleisch“ tendieren dazu, ein moderierter Vortrag zu sein, statt einen gleichberechtigten Dialog zu bieten. Der/die zweite Gesprächspartner:in wird zum/zur Stichwortgeber:in. Das kann – wenn es denn geschickt gemacht wird – den Hörer:innen die dringend notwendige Orientierung bieten. Offensichtlich gibt es aber im deutschsprachigen Raum nur wenige Akteur:innen wie Thorsten Dietz, deren Fachkenntnisse und rhetorische Fähigkeiten einem solchen Format genügen.

OHLENBUSCH: Der Themenpodcast als Geprächspodcast hängt an der Qualität und Qualifikation der Sprecher:innen. Ich vermute, dass es an theologischen Fakultäten und Instituten und in den Kirchen noch mehr Spezialist:innen gibt, gute Redner:innen und Fachleute, die man gerne hören würde. Eine gute Frage wäre darum, wie sich das Medium weiterentwickeln kann, um sie häufiger zu Wort kommen zu lassen. Ich glaube, dafür muss man sich vom klassischen Gesprächspodcast verabschieden.

Narrative Konzepte, Stories oder Reportagen gibt es unter den Kirchen- und Theologiepodcasts viel zu wenige. Mit „Secta“ von Fabian Maysenhölder gibt es allerdings ein exzellentes Beispiel für ein solches Format. Bei der Vorstellung von fundamentalistischen Gemeinden & Co. arbeitet er mit O-Tönen, Interviews und sauber recherchierten Infoblöcken. So kann Podcast eben auch sein! Mit der BR-Produktion „Seelenfänger“ habe ich im Februar ein Format abgehört, dass einem ähnlichen Konzept folgt. Vielleicht könnte auch ganz unabhängig von solchen „True-Crime“-Formaten die Kirchen- und Christentumsgeschichte eine größere Rolle spielen? Die großen Zäsuren und kleinen Randgestalten klug und spannend erzählt – das wär‘ doch was?

GREIFENSTEIN: Natürlich stellen solche Nicht-Gesprächspodcasts die Hosts und Produzent:innen vor größere Herausforderungen. Wenn wir ehrlich sind, ist das der Grund der Vorliebe für Gesprächspodcasts und des Mangels an anderen Formaten. Recherchen, Aufnahmen, Schnitt und Post-Produktion kosten Zeit – und Geld. Gesprächsrunden und erst recht 2er-Runden sind im Vergleich dazu schnell und kostengünstig aufgenommen. Einen Mehrwert gegenüber dem Text schaffen sie aber nur, wenn sie entweder ausführliche Expertise dialogisch-argumentativ vorstellen oder die persönliche Bindung an die Hosts und ihre (biographischen) Erfahrungen emotionale Zugänge zu Themen ermöglicht. Es ist darum wohl kein Zufall, dass Theologiepodcasts vor allem im Modus der Biographiearbeit von (Post-)Evangelikalen erfolgreich sind.

Aktualität und Relevanz: Wenn Podcasts sich einmischen soll(t)en

OHLENBUSCH: Besonders auffällig wird der Mangel an guter Recherche und thematischer Durchdringung, wenn nach kleinen und großen Aufregern in der weiten Welt der Kirchen in der institutionentypischen Gemächlichkeit Diskursbeiträge eintrudeln, die aufgrund inhaltlicher Trivialität und Informationsarmut nicht mal den Hauch einer Chance auf Kenntnisnahme hätten, wenn es sich bei ihnen statt um Podcasts um zusammenhängende Texte handeln würde.

Erst jüngst tauchten zur Schlusspredigt von Quinton Ceasar auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag Talkrunden oder Monologe aus dem Heimstudio auf, die absolut nichts zu bieten haben: Ein paar Tage nach dem Schlussgottesdienst nimmt David Brunner in seinem Format „Einfach glauben!“ etwas Anlauf, um unter der Überschrift „Was ist nur mit der Kirche los“ die sogenannte liberale Theologie zur Ursache des Niedergangs der Kirche zu erklären. Bei „Pfarrer und Nerd“ wird ein Vergleich zwischen „Gott ist queer“ und der völligen Andersartigkeit Gottes bei Karl Barth nur kurz touchiert. Zuvor erfahren wir auf derselben Welle Kurioses über die Namensähnlichkeit von Quinton Ceasar und der fiktiven Figur Caesar Flickerman aus „Die Tribute von Panem“. Um die Rechtgläubigkeit der „Anhänger einer Gott-ist-queer-Theologie“ schließlich sind Waldemar Justus und Philipp Meinecke bei „macht.wort“ besorgt. Der Terminus „queer“ stehe nicht in der Bibel.

Allen diesen Beispielen ist gemein, dass sie ein aktuelles Geschehen nur zum Aufhänger dafür nehmen, Altbekanntes und die eigenen Überzeugungen erneut in den Äther zu pusten. Wo sind ernsthafte Auseinandersetzungen, wirkliche Bezugnahmen, (selbst-)kritische Positionierung zu finden? Der Wunsch, möglichst aktuelle Fragen zu beantworten, ist nicht immer gleichbedeutend mit der Fähigkeit, gute und prägnante Antworten auf Knopfdruck zu liefern.

Vielleicht werden solche Podcasts auch Opfer ihres eigenen Konzeptes? Es muss ja schließlich, so empfehlen es alle Podcast-Gurus einhellig, regelmäßig und sehr häufig gesendet werden. Nur so schaffen sich Podcasts Reichweite und eine stabile Hörer:innenschaft. Ich meine aber: Die Frequenz der Folgenuploads und ihre Regelmäßigkeit sind nicht die entscheidenden Kriterien für einen guten Podcast. Warum braucht jeder Gesprächspodcast ohne engeres Oberthema eigentlich eine Folgennummerierung? Warum nicht nur dann senden, wenn man etwas zu sagen hat? Die allerwenigsten deutschsprachigen christlichen Podcasts werden kommerziell betrieben. Ich wünschte mir, dass sie sich von den scheinbaren Notwendigkeiten des professional broadcasting dann auch wirklich frei machen.

GREIFENSTEIN: Auf der anderen Seite sehe ich die Kirchenredaktionen bei öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern, christliche Medienhäuser und die Kommunikationsabteilungen von Bistümern und Landeskirchen durchaus in der Pflicht, professionell zu senden. Audio on Demand läuft viel zu häufig noch als Zweitverwertung derjenigen Sendungen, die linear ausgestrahlt werden. Mehr als Gesprächs- oder Interviewformate findet man auch bei den Profis selten, die Vielfalt journalistischer Formate wird nicht genutzt.

Im Sommer 2022 haben sich zum Beispiel die Religionsredaktionen von WDR, RBB, SWR, NDR und BR mit den großen Fragen am Lebensanfang und -Ende in einer gemeinsamen fünfteiligen Podcast-Reihe befasst. „Grenzwertig. Ethik zwischen Leben und Tod“ ist ein Beispiel für sehr guten Journalismus mit Religionskompetenz. Und dafür, wie journalistisch anspruchsvolle Formate für Zielgruppen produziert werden können, die dem linearen Radioprogramm fremd gegenüberstehen. Inzwischen findet man den Podcast allerdings nicht mehr in der ARD-Audiothek und zahlreiche Links zu den Episoden laufen auf den Sender-Websites in Leere. Die digitale „Wiedergabe“ orientiert sich immer noch an den linearen Ausstrahlungsterminen, obwohl wir über den Rundfunkbeitrag doch alle für die Sendungen bezahlt haben. (Zurzeit findet man die Folgen auf der RBB-Website hier, hier, hier, hier, & hier.)

Podcast als spirituelle Alltagsbegleiter

OHLENBUSCH: Information, Bildung und Diskussion sind analog wie digital wichtige Teile des Alltags in den Kirchen(-Medien), auf der anderen Seite stehen Verkündigung und Glaubenskommunikation als Kernanliegen der Kirchen. Natürlich funktionieren beide auch in Hörmedien wie Radio und Podcasts. In meiner Rezension zu „Einfach beten!“ habe ich angedeutet, dass die Anleitung zur spirituellen Praxis ein bisher schlecht besetzter Markt ist. Insbesondere evangelisch-landeskirchliche Akteur:innen sind hier offenbar schüchtern.

Dabei geben die Abrufzahlen bei Formaten mit dem Fokus „Alltagsbegleitung“ Anlass genug, solchen Formaten eine Chance zu geben. Wenn Menschen ihren Tag mit Nachrichtenbriefings, Achtsamkeitsbotschaften oder Meditation in Form von Podcasts bestreiten, warum dann nicht auch mit ein bisschen Verkündigung? Das digitale Gegenstück zur Morgenandacht im Rundfunk muss erst noch erfunden werden.

GREIFENSTEIN: Warum muss man überhaupt ein neues Format erfinden? Der „Ohrenweide“-Podcast von evangelisch.de läuft seit der Corona-Pandemie kontinuierlich. Jeden Tag gibt es ein Gedicht oder einen kurzen literarischen Text zur Besinnung. Der Schauspieler, Radio- und Hörbuchsprecher Helge Heynold sucht die Texte zusammen mit der Redaktion aus und liest sie professionell ein.

Auf den Radiowellen des Landes werden landauf, landab jeden Tag morgens und abends Andachten gesendet, die zumeist von Pfarrer:innen, Priestern oder Pastoralreferent:innen geschrieben und eingelesen werden. Diese Sendungen richten sich oft an ein älteres Radiopublikum, aber das hört ja (s.o.) zunehmend auch Audio on Demand. Wenn man die zahlreichen Doppelungen der Andachten zu Wochensprüchen, Tageslosungen etc. zurückschrauben würde, böte sich Raum für Sendungen für neue und jüngere Zielgruppen. Vielleicht würden sogar Ressourcen für inhaltlich anspruchsvollere Sendungen frei? Und wie wäre es mit einer gemeinsamen Website oder Audiothek für all diese von Rundfunkbeitrag oder Kirchensteuer bezahlten Sendungen?

OHLENBUSCH: Kirchliche Podcasts sind, wenn man die thematisierten Inhalte mit dem analogen Leben in Gemeinden vergleicht, zu stark auf Information und Diskurs ausgerichtet. Intellektuelles Durchdringen von Glauben und Spiritualität sind nicht mit gelebtem Glauben deckungsgleich. Von außen mag es gar so wirken, als betrieben wir vor allem Aufklärung oder gar intellektuelle Anbiederung. Haben wir Angst, uns angreifbar zu machen?

Es soll sich aber bitte niemand dazu aufgefordert fühlen, die eigene Sonntagspredigt oder gleich den ganzen Gottesdienst aufzuzeichnen und hochzuladen. Damit ist in den allermeisten Fällen wohl niemandem geholfen. Es sei denn, vor Ort in der Kirchgemeinde wird ein solches Angebot nachgefragt. Vielmehr sollte der vereinzelte Einfallsreichtum, der bei einigen bestehenden Podcasts, digitalen Gottesdienstformen oder Insta-Memes bereits erkennbar ist, stärker zur Geltung kommen.

So kann ein täglich hochgeladenes Gebet, die Lesung eines Textes oder auch ein bündiger Impuls viel erreichen. Der damit verbundene Produktionsaufwand und die erforderlichen Mittel machen allerdings eine Professionalisierung oder gute Arbeitsteilung in größeren Teams nötig. Aus Einzelkämpfer:innen sollten Kollektive werden. Unmöglich ist das angesichts der noch gar nicht so schlechten finanziellen und personellen Aufstellung der großen Kirchen nicht.

Podcasts als Chance

OHLENBUSCH / GREIFENSTEIN: Podcasts sind ganz sicher kein „neues“ Medium mehr, aber sie liegen im Trend. Audio on Demand interessiert immer mehr Zuhörer:innen und (große) Medienhäuser arbeiten daran, ihre Audiostrategien auf die veränderten Hörgewohnheiten von uns Nutzer:innen umzustellen. Es ist viel im Fluss auf den Audio-Kanälen.

Das Medium Podcast ist für „kirchliche“ Zwecke besonders gut geeignet, weil es Unmittelbarkeit und Nahbarkeit bietet, serielle und narrative Formate stützt, die Storytelling-Kompetenz von Theolog:innen zum Leuchten bringen kann. Podcasts lassen sich in aller Regel leichter, kostengünstiger und ressourcenschonender produzieren als Video-Formate oder Bücher. Über eine Vielzahl von Kanälen können sie eine – neue – Zuhörer:innenschaft erreichen, die sich für Glauben, Theologie, Kirche und Religionen interessiert.

Diese Chance sollten Einzelakteur:innen aus Theologie und Kirche, Akademien und theologische Ausbildungsstätten, kirchliche Arbeitsstellen und Medien nicht verstreichen lassen. Je nachdem, wer sich ans Podcasten macht, wird man mal mehr, mal weniger hohe Ansprüche an die Produktionsqualität und inhaltliche Gestaltung stellen dürfen. Auch Hobby-Podcaster:innen können von Kritik lernen, doch weil Medienhäuser und Redaktionen zunehmend mehr in die Produktion von Podcasts investieren, muss sich die Podcast-Kritik vor allem solchen Formaten widmen, die einen professionellen Anspruch formulieren. Es gibt noch eine Menge Podcasts abzuhören und ständig kommen neue hinzu.


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#abgehört: Podcast-Kritiken bei der Eule

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